Social Commerce: Etsy will zurück zu seinen Wurzeln

Man höre und staune: Etsy plant nach einer Phase der sog. Professionalisierung eine radikale Kehrtwende und will wieder zurück zu seinen Wurzeln ("Etsy Is Not about Retail"):

"A day after announcing he would return
as CEO, Etsy's founder Rob Kalin said he would alter the company's
focus away from retail and more on "social commerce" when he replaces
outgoing CEO Maria Thomas. 

Etsy

He will close down the site's gift guides in early January, stating the guides are "a retail-oriented way of merchandising, and this isn't what Etsy is about."

"In social commerce, our focus is on people, not products," he said,
adding that the gift guides don't reflect the values of the Etsy
community."

"Social" und "Commerce" beißen sich extrem. Und Etsy scheint das rechtzeitig erkannt zu haben, bevor es in dieselben (Kommerzialisierungs-)Fallen tappt wie Ebay nach dem Weggang von Meg Whitman (s. Ebay am Scheideweg). 

Mehr über das spannende neue, alte Etsy, das künftig auch bei uns wieder mehr in den Fokus rückt:

"I'll be (re)focusing Etsy more on what we call "social commerce," and
less on retail.

To get an idea of what this means, let's look at
merchandising. For a retailer, merchandising means putting products on
display that are likely to sell. In social commerce, our focus is on
people, not products.

It's our job to build tools for you to use, that
help you promote items as you'd like to.

Zugleich will Etsy neue Strukturen einführen:

"Right now, Etsy is structured in such a way that all the product people
work in one area, the engineers in another, etc. People come together
as needed for a project, and then move on. Customer support handles
email q's, and the community crew is in here.

This isn't working well
for us, in terms of building and supporting features. It's too
monolithic, requires lots of meetings, and makes it difficult for the
community to see what we're up to.

Instead, we will create teams
inside Etsy around site features. There will be a team dedicated to
seller tools, a team for community tools, a Showcase team, and so
forth. These teams will support what they build (with extra help if
needed), and iterate to improve things."

Und wenn man Rob Kalins Aussagen richtig deutet, möchte sich Etsy künftig mehr an Facebook & Co. orientieren und die Social Networking Aspekte betonen:

"In a way similar to the gift guides, Etsy's job should be to build tools
that help you make the site what you want it to be.

We need to create a
thousand more forums for people to talk (i.e. groups), and of course we
can't moderate this.

We need to scale back moderation, and focus on
making tools that empower people to moderate things for themselves."

Alles in allem sind Rob Kalins Antworten auf die Nutzerfragen eines der besten Social Commerce Manifeste, die es je zu lesen gab:

"As a board, we believe that focusing on revenue is not what will make
Etsy continue to grow.

We are focused on our service: building the best
tools and supporting this community. If we do this well, revenue will
follow.

Now that we are profitable, we can redouble our efforts here,
and I'm really excited about this. Our success as a company follows
your success as members."

Im zweiten Teil seiner Antworten gibts noch mehr Details bzw. Erläuterungen. Und offenbar haben auch die anderen Gründer auf einmal wieder Lust auf Etsy.

Frühere Beiträge zum Thema:



Kategorien:Facebook, Make Economy, Social Commerce

  1. Das gefällt mir so gut an vondir.de Da die Seite von nur einer Person betrieben wird hilft die Community viel aktiver mit. Gruppen gibt’s dort schon lange, Mitglieder optimieren die Suche, übersetzen die Seite gerade in diverse Sprachen und kümmern sich ums Marketing.
    Leider wurde die Seite hier bisher nie erwähnt glaub ich, oder?

  2. Etsy ist und war nie ein klassischer Händler, der Waren selbst einkauft und weitervertreibt.
    Etsy IST Social Commerce. Das hatte man unter Maria Thomas wohl “vergessen” – daher auch die “Gift Guides”, die man sonst nur von Amazon und Co. kennt.
    Die Rückbesinnung auf die Community ist v.a. aus zwei Gründen logisch:
    1. Wer handgemachte Produkte herstellt, kauft auch gerne handgemachte Produkte anderer. Je mehr man also über die Produkte “spricht” (in Foren etc.), umso mehr wird auch verkauft.
    2. In den von Kalin angesprochenen Groups (z.B. Stricken, Häkeln) inspirieren sich die Mitglieder gegenseitig. Etsianer diskutieren gegenseitig ihre Produkte, spornen sich an und bekommen so neue Ideen. Es entstehen neue – im Idealfall “bessere” – Produkte. Bessere Produkte = mehr Umsatz.
    Interessant ist dennoch, dass die Gift Guides erst Mitte Januar und nicht direkt im Weihnachtsgeschäft eingestellt werden. So falsch werden sie also nicht gewesen sein. Wahrscheinlich musste aber Kalin ein Zeichen setzen, um das Vertrauen der Community zurückzugewinnen.

  3. @Ingo “Etsy ist und war nie ein klassischer Händler, der Waren selbst einkauft und weitervertreibt.”
    Dummerweise hat ausgerechnet Kalin selber durch ungeschickten Analogien zu eBay diesen Eindruck bei vielen erweckt, als er in den ersten zwei Jahren der Presse immer wieder erklären wollte, was Etsy eigentlich ist.
    ————
    All die Features wie Gift Guides und die vielen aufwendigen Shopping Guides und Live Shopping-Aktionen sind ja auf Coaching von Lou Sagar hin ins Leben gerufen bzw. auf Hochglanz gebracht worden – sie waren nie die Idee von Maria Thomas selber.
    In Bezug auf die Homepage und die Email-Newsletter hat das immerhin dazu beigetragen, dass Etsy qualitativ aussagekräftiger und für ein breiteres Publikum in schneller Zeit attraktiver wurde (denn das wiederum hängt von den Produkten ab, nicht von den Tools und Gadgets; wenn ich auf der Homepage nur billig gefriemelten Ramsch sehe, dann klicke ich gar nicht erst weiter – übrigens eine Sache, die ich bei Seiten wie vondir.de ganz stark bemängeln muss). Allerdings sind diese Aktionen mit Serien wie “Free Shipping” und “Week-end Deals” dann doch ins Ramschige umgekippt, was den Zorn vieler Verkäufer auf sich zog, die befürchteten, dass sie mit den ewig sinkenden Preisen und Sonderangeboten nicht mithalten können würden. Ausserdem war die Kritik der Verkäufer nicht primär an Serien wie den Gift Guides selber geäussert worden, sondern an der angeblichen Ungerechtigkeit, d.h. einige Shops seien immer wieder gefeatured worden, andere gar nicht. Selbiges galt schon vor Jahren der “Featured Seller”-Reihe, usw. usf.
    Wo eine Community ist, in der jeder meint, mitreden und entscheiden zu dürfen, können solche ansonsten interessanten Marketingtools nicht bzw. nur schwer funktionieren.
    Marketing- und auch pressetechnisch gab es unter der neuen Riege wesentliche Verbesserungen, die die Seite profesioneller gemacht haben, wenn auch mit einem leichten Drift in den Konsumrausch – aber die Seite und ihre Verkäufer leben nun einmal (Stichwort: quit your day job!) von Umsätzen und nicht primär vom Kult oder von Foren.
    Da Etsy ein Marktplatz ist, auf dem kleine Labels versuchen, sich und ihre Produkte zu platzieren, dürfte abzuwarten bleiben, ob sich der Gedanke zu mehr Foren, allemal kreativ orientiert, wirklich auszahlen wird. Ich vermute eher, dass es oft genug auf Ärger hinauslaufen wird statt auf ein Miteinander. Ich bin ausserdem auch skeptisch was die Restrukturierung der Teams angeht; diese Praxis hat schon einmal für unproduktives Arbeiten gesorgt.
    In Bezug auf die soziale Komponente und Robs Vision sagt er selbst in Teil 2:
    “I opened up a can of worms with the term “social commerce,” which I apologize for. This does not mean Etsy is going to turn into a social networking site like Facebook. We are a marketplace, and commerce will remain central to Etsy. But there are myriad lessons to be learned from understanding how engagement (social interaction) can boost commerce. After all, buying an item from someone, especially from the person who made it, often leads to conversations. (I’d actually say that buying an item is a conversation of its own.) A big part of product marketing, even by large corporations, is trying to make everything as personalized as possible. We are interested in the “social” half of “social commerce” insofar as it bolsters the “commerce.””
    Ich meine, dass die Entscheidung falsch war – Rob ist keine Leader-Persona und sehr chaotisch was Organisation anbelangt. Er hat interessante Visionen und legt tolle Konzeptideen vor, aber für einen CEO reicht es nicht. Was Etsy immer noch fehlt, ist jemand, der beides vereint: verstehen, wie der Markt und seine Nutzer tickt und Führungsqualitäten.
    Aber das sind nur meine bescheidenen 2 Eurocents.
    Neugierig: Schreibst Du nun wieder mehr über Etsy, weil sie nach Europa kommen, oder hat das noch einen anderen Grund?

  4. [Es muss natürlich heissen “ungeschicktE Analogien”… lange Kommentare in eine kleine Box eintippen ist immer so anstrengend…]

  5. Der Grund ist der Strategiewechsel und weil ich glaube, dass Etsy sein Potenzial noch längst nicht ausgeschöpft hat.
    Vieeln Dank für die ausführlichen Einblicke und Einsichten. Superspannend!
    Ich fand die Entscheidung falsch, Rob Kalin auszuwechseln, weil er der einzige ist (und war), der den Investoren einigermaßen Paroli bieten konnte.
    Evtl. findet sich ja bei Etsy eine ähnliche Lösung wie bei Facebook, wo Mark Zuckerberg weiterhin CEO sein darf, während seine COOin die Geschäfte führt.

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