Peter Kruse: „Wie Händler wieder echte Mehrwerte schaffen“

Peter Kruse, derzeit eine der wenigen ernstzunehmenden Instanzen hierzulande, wenn es um kompetente (und angstfreie) Einsichten zu Webfragen geht, hat sich in letzter Zeit auch mehrfach zum Handel geäußert.

Zuletzt hat er einen Vortrag zum Thema "Wer handelt, schafft Vertrauen (oder sich selbst mit hoher Wahrscheinlichkeit ab)" bei der Berliner Mittwochsgesellschaft des deutschen Handelsverbands (HDE) und der Metro Group gehalten:

Der Vortrag ist bei Youtube in fünf Teilen abrufbar: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5.

Im Interview mit der Zeitschrift "Der Handel" ("Wie eine riesige Casting-Show") hat er jüngst skizziert, warum sich der Handel in seiner heutigen Form überlebt hat: wie der Handel den Kontakt zum Kunden verloren hat und die Hersteller deshalb "eine starke Motivation haben, am Handel vorbeizugehen":

"Die Händler sollten sich lieber fragen, welchen echten und nachhaltigen
Mehrwert sie für den Kunden schaffen.

Durch E-Commerce hat der
stationäre Handel seine Schlüsselposition bei Preis und Warenzugang
endgültig verloren.

Präsentation und Distribution von Produkten werden
immer unabhängiger von den Verkaufsflächen vor Ort.

Die Branche muss
sich auf den Kunden besinnen und Mehrwert über die Produkte hinaus
schaffen – etwa durch die Inszenierung von Erlebniswelten, die
Zusammenstellung bedürfnisgerechter Sortimente oder außergewöhnliche
Beratungskompetenz.

Die Kernfrage lautet: „Welchen resonanzfähigen,
emotionalen Mehrwert erbringt der Handel, für den Kunden zu investieren
bereit sind?"

Haben Hersteller in diesem
Wettbewerb um den Kunden nicht die besseren Karten in der Hand?

Die
Hersteller haben sicherlich durch das Internet eine gute Chance und
angesichts des mit aller Härte geführten vertikalen Wettbewerbs auch
eine starke Motivation, am Handel vorbei zu gehen.

Da hilft es
natürlich, dass in vielen Handelsunternehmen mit der Dominanz des
Einkaufs auch Nähe zum Kunden verloren gegangen ist.

Die alte
Erfolgsgleichung „Preise senken + Werbedruck erhöhen = Umsatzsteigerung"
stößt zunehmend an ihre Grenzen.

Zeigt nicht schon ein Werbeslogan wie
„Wir lieben Lebensmittel" von Edeka, wie sehr man den Kern des Handels
aus dem Auge verloren hat? Eigentlich müsste es doch heißen: „Wir lieben
Kunden."

So gut das Interview ist, so dürftig ist die zugehörige Titelgeschichte ("Der vernetzte Kunde"). Hier wimmelt es wieder nur so vor Halbwahrheiten und den in Handelskreisen so gerne kolportierten Mythen und Märchen.

(Nicht nur) ein Peter Kruse hat da noch jede Menge Aufklärungsarbeit zu leisten.

Frühere Beiträge zum Thema:



Kategorien:Facebook

1 Antwort

  1. Danke für die Verweise in der Zeitschrift „Der Handel“. Ich war bei der Veranstaltung der Metro Group und muss zugestehen, dass viele der Anwesenden Kruses Thesen nicht folgen konnten (oder wollten). Wir haben in unserem Blog ebenfalls ein Posting darüber geschrieben – allerdings mit einem etwas anderen Blickwinkel: http://www.udldigital.de/das-netzwerk-der-digital-residents/

  2. Ich hab den Beitrag schon oben als Quelle verlinkt. Aber danke für den Hinweis. Doppelt hält besser :-)

  3. Sorry, ich habe mich nicht durch alle Links geklickt

  4. Vielleicht kann mir mal jemand auf die Sprünge helfen – ich gehöre offenbar zu denen, die Kruses Thesen nicht folgen können bzw. zwar folgen können, aber sich dann im Dickicht der Fragezeichen wiederfinden.
    Kruse sagt „Die alte Erfolgsgleichung „Preise senken + Werbedruck erhöhen = Umsatzsteigerung“ stößt zunehmend an ihre Grenzen.“
    Das Thema Preise senken ist doch – in neuer Form – eine der großen „Emotionen“ im Liveshopping oder bei Shopping-Clubs etc. Gepaart mit einigem Werbedruck bei den b4f etc. Das Thema Werbedruck ist doch bei den Zalando & mirapodo ein großes Thema. Das Thema Einkauf bzw. Warensortiment scheint mir da jedes Mal wichtiger als der Kunde zu sein. („Einfach Schuhe kaufen.“ ist auch nicht besser als „Wir lieben Lebensmittel“.) Das widerspricht doch dieser Aussage, oder nicht?
    Kruse sagt: „Die Branche muss sich auf den Kunden besinnen und Mehrwert über die Produkte hinaus schaffen – etwa durch die Inszenierung von Erlebniswelten, die Zusammenstellung bedürfnisgerechter Sortimente oder außergewöhnliche Beratungskompetenz.“
    Also mal nix für ungut, das gleiche kann man Wort für Wort in unzähligen Handreichungen der letzten 30-50 Jahre lesen. Und zwar direkt nach der Bestätigung, dass im Einkauf das Geld verdient werde und das Produkt ist, was über den Handelserfolg entscheidet. Erlebniswelten schafft Globetrotter im Retail und im Katalog, aber nicht auf globetrotter.de (sondern 4seasons.tv). Die Bibel und das Einkaufsparadies ist es aber vor allem wegen der Produkte. SportScheck hat da geschlampt und als die Ware nicht mehr gepasst hat, war aller Zinober rund um Emotion etc. für die Katz.
    Kruse weiter: „Die Kernfrage lautet: „Welchen resonanzfähigen, emotionalen Mehrwert erbringt der Handel, für den Kunden zu investieren bereit sind?““
    Gute Frage, aber m.E. muss er der letzte Teil heißen: „für den Kunden bereit sind, auch mögliche höhere Kosten gegenüber dem Wettbewerber zu tragen?“ Und die Antwort lautet dann rasch wieder: Nur wenn ich nicht vergleichbar bin – und das ist, sorry, dank Google&Co. kein Werbe- oder Marketing-, sondern ein Einkaufs- bzw. Merchandising-Thema. Und keines, das über „Communities“ gelöst werden könnte: die sind eher freigiebig mit Infos, wo man das Produkt genauso günstig oder noch günstiger bekommen kann… (zu finden sogar bei ibood.de in den Produkt-Kommentaren).
    Alles was Kruse sagt, klingt gut, würde ich auch so sagen. Und dann? Dann geht es doch wieder darum, hart am richtigen Produkt und Sortiment zum „akzeptablen“ Preis für die richtige Zielgruppe zum richtigen Zeitpunkt zu arbeiten. Und sich gerade im Sortiment „unique“ zu machen – im Service hat die Branche sich ja fast schon „commoditized“.

  5. So malt sich eben jeder seine Welt, wie sie ihm gefällt :-)
    Die neuen Konzepte bieten (und zwar ganz unabhängig vom Faktor Preis) genau den resonanzfähigen, emotionalen Mehrwert, auf den Peter Kruse anspielt. Und sie leben extrem gut davon.
    Aber das erschließt sich einem natürlich nur, wenn man sich mal wirklich ernsthaft mit derlei Konzepten – und zwar den Originalen! – befassen würde.
    Wer in traditionellen Handelswelten verhaftet ist, der tut sich extrem schwer damit. Das kann ich gut nachvollziehen.
    Auf ewig schleierhaft bleibt mir dabei allerdings, warum man nicht mal unvoreingenommen über den Tellerrand blicken kann. Da passieren gerade so unglaublich spannende Sachen!
    Aber man kann natürlich niemanden zu seinem Glück zwingen. Manchmal bedauere ich das sehr :-)

  6. @ MGA,
    Danke, ich habe mir auch alle fünf Videos angesehen und irgendwas kam mir komisch dabei vor.
    Hatte nur vergessen was es war, da ich mich von den schönen Worten veführen ließ.
    Zugegeben, ich habe aber auch nur mit einem Ohr hingehört und nebenbei etwas anderes gemacht.
    Aber jetzt weiss ich wieder was ich mein erstes Fazit war – „schon richtig was Peter Kruse sagt, aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.“

  7. Welcher Shopping-Club fällt denn positiv durch überdurchschnittliche Service-Level auf? Ist nicht oftmals das Gegenteil – Vorkasse, lange Lieferzeiten, kein Support – der Fall? Die gehypeten „Neuen Konzepte“ sind doch im besten Fall innovative Container für hochwertige Schnäppchen, nicht mehr und nicht weniger. Kaffeeröster, Lebensmittel-Discounter und Outlets bedienen diesen riesigen Markt schon seit etlichen Jahren.
    Ich gebe jedoch zu: Wie der Outlet-/ “Premium Discount“-Gedanke von einigen Newcomern auf Online übertragen wird, wie man sich das Social Web zunutze macht und sein Angebot so vermarktet, dass es Kult- und Community-bildend wirkt – das ist State-of-the-Art-Marketing. Respekt! Zurecht holt man sich damit ein Stück vom großen Retail-Kuchen. Aber die Konzepte skalieren einfach nicht gut. In vielen Fällen wird bekanntermaßen die kritische Masse nie erreicht und der Anbieter verschwindet still und leise. Die Beispiele sind zahlreich.
    Sind außerdem nicht die „traditionellen Handelswelten“ mit ihren stabilen Beständen gerade für den täglichen Bedarf oft die einfachere Wahl? Was für Alternativen bieten sich sonst den Konsument(inn)en, die beim Kampf am virtuellen Wühltisch, egal ob Liveshopping oder Club, den Kürzeren gezogen haben? Etliche Sortimentsbereiche blenden diese Anbieter entweder aus logistischen Gründen oder wegen niedriger Margen doch ohnehin komplett aus.
    Kruse hat in einem Punkt sicher recht, auch wenn das keine neue Erkenntnis ist: Es besteht eine existenzielle Herausforderung aller Handelssparten durch das Internet. Sie gestaltet sich jedoch für stationäre Händler, B2B Spezialisten oder Versandhändler extrem unterschiedlich! Insofern sollte man extrem aufpassen, die Dinge nicht zu verallgemeinern.
    Fest steht, dass der Konzentrations- und Konsolidierungsprozess im im Handel weitergeht, auch und gerade Online. Es gibt einfach einen sehr überschaubaren Bedarf an Ultra-Vollsortimentern und Service-Plattformen a la Amazon oder Ebay. Und auch nach unten ist der Markt begrenzt: Die maximale Dichte an lebensfähigen Powersellern und Affiliates scheint bereits überschritten.
    In der Mitte wird sich zwischen Markenherstellern, Versendern, Shopping Clubs und Newcomer-Konzepten der Kampf um die größeren Nischen weiter zuspitzen. Die lachenden Dritten sind Preisvergleicher, Suchmaschinen und Communities, die absehbar aus einem größer werdenden Pool an Angeboten schöpfen können. Damit schaffen sie dann auch den von Kruse geforderten Mehrwert, bzw. was Konsumenten bezüglich ihres Relevant Sets von Marken am meisten interessiert: Maximale Preistransparenz.

  8. @jkrisch Naja, wenn ich mir so meine Ausgaben (bzw. die meiner Frau) bei den Shopping-Clubs etc. ansehe, kann ich gar nicht mehr in alten Handelswelten gefangen sein. (Was übrigens auch so ein fast schon Anti-Schirrmachersches Schlagetot-Argument ist ;-) Bitte also zerknirscht um Vergebung, wenn mein Bart sich doch immer mal wieder in den Rädern des Fortschritts verheddert.

  9. @MGA: Guter Kommentar. Ich musste lachen. Aber es hilft trotzdem nichts. Preise senken, Werbedruck erhöhen, Konzentration auf den Einkauf, Abstriche beim Service – das alles bringt keine Emotionen und somit keine Wiederkäufer bzw. Stammkunden. Und diese sind es, die am Ende das Problem der Vergleichbarkeit lösen. Dass es Anbieter gibt, die das trotzdem schaffen ist noch lange kein Beweis für die Richtigkeit. Sondern eher der Beweis wie wichtig der Bereich der Emotionalisierung ist. Denn darin sind all die Anbieter, die Sie genannt haben, ziemlich gut. Und: Erlebniswelten oder emotionale Verkaufswelten gibt es auch im Internet. Dafür brauche ich nicht zwangsläufig einen Laden oder eine schicke Webseite. Dafür brauche ich als Unternehmen Persönlichkeit, Expertenwissen, Angreifbarkeit, Übererfüllung des Servicegedankens – und wenn es die Beantwortung einer Servicemail nach 15 Minuten ist – was sicherlich keine commodity ist. Und am Ende braucht es Freigiebigkeit. Aus dem Grund ist die Diskussion über Preise bei ibood nichts schlimmes, sondern verstärkt das Vertrauen der User zum Anbieter. Deswegen sind solche Diskussionen, man mag es kaum glauben, oft eher absatzfördernd.

  10. @Peter: Emotionalisierung klingt immer gut, aber sagt nichts aus. Diese „Mutter aller Online-Worthülsen“ nervt mich seit den ersten eCommerce Tagen. Bei „Persönlichkeit“ wäre ich schon eher dabei, wenn Du es im Sinne von „Authentizität“, „Klares Leistungsversprechen“ und „Glaubwürdigkeit“ meinst. Bei „Angreifbarkeit“ und „Freigiebigkeit“ muss ich aber schon wieder passen. Meinst Du mit „Freigiebigkeit“ vielleicht „Offenheit“? Oder geht es eher in Richtung „Kulanz“?

  11. eher in Richtung Offenheit

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