Amiando-Exit: Wie fair sind die 5,1 Mio. € plus x von Xing?

Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, mögen sich die Amiando-Investoren gedacht haben, als sie die Event-Plattform Amiando jetzt für überschaubare 5,1 Mio. Euro (plus x) an Xing verkauft haben:

"Zum Zeitpunkt der Übernahme zahlt die XING AG zunächst rund 5,1 Mio. €. Am 31.03.2013 erfolgt eine weitere Zahlung von bis zu 5,25 Mio. € in Abhängigkeit von verschiedenen Voraussetzungen, u.a. dem Verbleib des bisherigen Management-Teams sowie der Erreichung bestimmter Umsatz- und Ergebnisziele."

Selbst hartgesottene Investoren ließ der niedrige Kaufpreis stutzen (via). Ein Blick auf die Kennzahlen (PDF) zeigt allerdings, dass Amiando bei für 2010 prognostizierten [Provisions?-]Einnahmen von 1,5 Mio. Euro durchaus gut gefahren ist:

Amiandorevs

Quelle: XING IR-Präsentation (PDF) zur Amiando Übernahme

Amiando hat seit der Gründung Ende 2006 ganz gut Geld verbrannt: Der letzte öffentlich zugängliche Geschäftsbericht weist Bilanzverluste von 463.000 € (für 2007) und 1,7 Mio. € (für 2008) aus. Und in den Folgejahren dürfte dann auch der Rest der wohl 5 Mio. Euro VC-Kapital aufgebraucht gewesen sein.

Die bestehenden Investoren (Wellington Partners und viele, viele Angels) waren offenbar nicht bereit, nochmal nachzuschießen. Und wenn dann die nötige Finanzierungsrunde auch anderweitig scheitert, dann bleibt oft nicht viel mehr als ein Trade-Sale zur Unzeit. Gut für Xing, das aus Amiando sicherlich einiges mehr herausholen kann. Schade für Amiando, das damit künftig nicht mehr als ein Mittel zum Zweck sein wird.

Geht man davon aus, dass die sechs Amiando-Gründer zuletzt noch an die 50% der Anteile hielten, dann gehen die Investoren wohl zunächst mit Verlusten aus dem Investment, allerdings mit der Option, sie bis 2013 einigermaßen wettzumachen, dann nämlich (PDF), wenn Amiando als Teil von Xing-Events seine Einnahmen im Doppeljahr 2011/12 auf 12 Mio. Euro vervielfacht und in beiden Jahren profitabel arbeitet.

Damit ist Amiando wieder eine dieser typischen Startup-Stories hierzulande. Allzu viel Zeit und Spielraum haben deutsche Gründer nicht, um neue Geschäftsmodelle zu (er)finden und zu testen. Die Amiando-Gründer kommen bei diesem Exit noch einigermaßen gut weg, aber ein ruhmreicher Exit sieht sicherlich anders aus.

Nachtrag: Mehr dazu heute auch bei Gründerszene.de ("Amiando gefühlt unter Wert verkauft"), das auf eine geplatzte Finanzierungsrunde schließen lässt:

"Ein Exit sei dabei zunächst einmal gar nicht geplant gewesen. Eigentlich plante man im Hause Amiando eine weitere Finanzierung einzugehen, war man doch auch beinahe profitabel.

Mit dem Angebot von Xing sollen dann wohl doch eine für das Team viel versprechende Verkaufssumme und die notwendigen Motivationsschübe für die Zukunft zusammen gekommen sein."

Frühere Beiträge zum Thema:



Kategorien:Facebook, Shopboerse

1 Antwort

  1. Wundert mich sehr wo Amiando doch immer so als Vorzeige-Startup gegolten hat. Gründer-preise, tolle PR-Berichte (auch hier) und mehr machen ein Startup eben doch nicht zu einem profitablen Unternehmen.
    Unter XING könnte das Ganze aber wirklich noch einiges an Schub bekommen. Also eine gute Option (zumindest für Xing).

  2. Unter Innovationsgesichtspunkten kann Amiando nach wie vor als Vorzeige-Startup gelten – auch wenn man dafür hierzulande offenbar nicht mehr als Häme ernten kann …

  3. Sorry ist wohl falsch rübergekommen. Ich hab großen Respekt vor dem Amiando-Team und der Leistung die sie in den letzten Jahren gebracht haben. Hätte ihnen auch gewünscht dass sie da mehr rausholen.
    Die Berichte die ich bisher gelesen hab vermittelten (mir persönlich) halt immer den Eindruck dass Amiando auch aus wirtschaftlicher Sicht ein Vorzeige-Startup ist.

  4. Wie läuft das normalerweise bei VC-Deals in Deutschland? Holen sich da die Investoren über ihre Preferred Rights ihr Investitionskapital rein? Wenn ja, würden der heutige Kaufpreis voll an VC’s und Angels gehen und Earn-Out über die nächsten Jahre 50/50 aufgeteilt werden.

  5. @Jochen, das ist keine Haeme, wirklich nicht, aber Innovation ist fuer mich etwas, was die Welt besser macht und man deswegen Kaeufer dafuer findet. Wenn letzteres nicht der Fall ist, ist es intellektuelle Onanie (sorry :-) ). Weil man z.B. in der Physik, Materialwissenschaft oder Medizin sehr lange Innovationszyklen hat, also Time-to-Market, sind die VCs, die da investieren, bereit, so ein Startup auch mal 10 Jahre und laenger zu finanzieren. Im Internet sieht das anders aus. Hier sieht man meist schon nach relativ kurzer Zeit (1-2 Jahre), ob man damit Geld verdienen kann oder nicht. Bei einigen Unternehmen (z.B. auch Yalook) ist es wegen der guten Ideen sicherlich schmerzhaft, wenn sowas beendet wird. Wenn die Finanziers aber nicht sehen, dass damit irgendwann Geld verdient werden kann obwohl’s alle toll finden, wird die Sache eben beendet oder verkauft. Vielleicht schafft es Xing tatsaechlich besser, die Ideen zu monetarisieren, dann waere eigentlich allen geholfen, bis auf den VCs und Alteignern.

  6. Und was heißt das jetzt bezogen auf Amiando?
    Warum ist Amiando unter den beschriebenen Aspekten als nicht innovativ zu werten?
    Bzw. was ist so gut daran, wenn ein Startup, das für deutsche Verhältnisse vergleichsweise weit vorn war, bei einem Unternehmen landet, das seine besten Tage (i. Vgl. zu LinkedIn und dessen Innovationsfreude) bereits gesehen hat und jetzt nur noch profitmaximiert wird?
    Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Natürlich spricht nichts gegen Profit, aber eben alles zu seiner Zeit.
    Schließlich sprechen wir hier von Risikokapitalgebern und nicht von Sparkassendirektoren, die sicherlich andere Kriterien haben.
    Ich kann mir auch schwer vorstellen, dass Wellington Partners nicht mitgegangen wäre, wenn sich ein neuer Lead-Investor gefunden hätte.
    Aber offenbar sind sämtliche dahingehenden Versuche gescheitert. Wäre spannend zu wissen warum.

  7. Weiss nicht, was das Problem bei Amiando war, aber offensichtlich liessen sich die Innovationen nicht in ueberschaubarer Zeit monetarisieren, folglich war dann Schluss. Wie ich schon sagte, Investitionen in der IT oder im Internet haben ganz andere Zyklen als in der Medizin, wenn da nach 2-3 Jahre nichts kommt, kann man davon ausgehen, dass es die Welt nicht braucht oder dass niemand dafuer bezahlen will. Und dann sind VCs die falschen Partner.

  8. Naja 1,5 Millionen Umsatz zeigen schon dass es dafür einen Markt gibt. Das Problem ist tatsächlich der Zyklus der VCs. Nur weil man ein Internet-Startup hat heisst das nicht dass es von heut auf morgen funktioniert und einschlägt. Auch hier ist Nachhaltigkeit gefragt. Oder man nimmt ein paar Mille für Werbespots in die Hand – das erzeugt aber auch noch keine Profibilität.

  9. @Roland
    Wenn man diese Millionen Verluste sieht die schon alleine in den Jahren 2007 und 2008 angelaufen sind, dann denke ich nicht das man mit 1,5 Mio. Umsatz begründen kann das es einen passenden Markt gibt.
    Ich sage nicht das es keinen Markt für Amiando gibt, aber wenn es einen gibt dann wurde Amiando wohl nicht entsprechend angenommen.
    Ich glaube aber, das Xing da sicher hilfreich sein kann den Umsatz auszubauen und wenns dann läuft, hat sich der Deal wahrscheinlich doch noch für die meisten gelohnt, auch für die Investoren.

  10. @Roland, ich glaube schon, dass man bei der ueberwiegenen Mehrzahl von Internet-Geschaeftsmodellen sehr frueh sieht, ob daraus was wird und unter welchen Bedingungen. Da muss man auch irre schnell sein, sonst macht es jemand anderes. Du kannst Dich ja nicht wie in der Medizinforschung Jahre im Labor verstecken und mit Deiner Erfindung erst auf dem Markt kommen, wenn alles passt. Du gehst mit Deiner Idee raus, machst dafuer Werbung (mit Geld oder viral) und dann schaust Du, was geht. Wenn es im Kleinen geht, kann man dann Geld sammeln, um es groesser oder ganz gross zu machen, aber ne Idee auf dem Reissbrett mit x Mio. zu pimpen, halte ich persoenlich fuer nicht so clever. Dadurch entsteht dann eben auch viel, was zwar toll aussieht, sich aber nicht verkaufen laesst.

  11. wie schade :( ich war recht enttäuscht das der Consumer Bereich so schnell aus dem Fokus verloren wurde und gegen einen doch sehr Support aufwendigen Veranstalter Service eingetauscht wurde. Facebook Events sind nicht die ideale Lösung für alle privaten Events.
    Aber da kann ich mich mit der Ausrichtung auch irren, es mag auch eine Rolle spielen das für weitere Finanzierung früher schneller mehr Umsatz benötigt wurde.

  12. Die Gründer gehen leer aus in der ersten Runde, denn so ein Investor geht eigentlich immer mit Liquidation Preference rein. EUR 5 Mio für die Investoren und EUR 100K für die Kosten der Transaktion (Anwälte etc)! Damit wäre auch die Logik der EUR 5.1 Mio nachvollzogen.
    Die Gründer müssen sich jetzt anstrengen, damit sie selbst überhaupt noch etwas Geld sehen in 2013.

  13. Meiner Meinung steht gerade bei investor-unterstützen Start-ups der tatsächliche Gewinn der ersten Jahre gar nicht im Vordergrund.
    Da geht es darum möglichst schnell ein möglichst hohen Markenwert aufzubauen und das Ganze dann irgendwann für möglichst viel zu verkaufen. Dass so durch die hohen Investitionen um eine möglichst schnelle Markenbekanntheit zu schaffen, ein riesiger Kostenapparat entsteht, der in den ersten Jahren auch gar nicht wieder eingenommen werden kann, ist logisch. Das ist z.B. bei der momentan wohl bekanntesten Schuhverkaufs-Plattform nicht anders. Es geht ums Image, über das letztlich der Gewinn eingefahren werden soll. Erst der Käufer danach versucht mit dem eigentlichen Angebot Geld zu verdienen.
    Als Start-up muss man sich irgendwann entscheiden ob man mit dem tatsächlichen Angebot Geld verdienen möchte (bzw. es versucht)oder einen großen Investor reinholt, schnell bekannt wird und darauf setzt am Ende genug von der Verkaufssumme abzukriegen.
    Und da liegt für mich auch der Unterschied ob ein Internet-Start-up schnell „einschlagen“ muss oder man ihm auch ruhig etwas Zeit geben kann. Wenn man das Geld hat dick Werbung zu machen, schnell viele Leute erreicht und keine Reaktion kommt – dann wars wohl nicht das Richtige. Hat man aber nicht das große Marketingbudget, braucht man Zeit und Geduld um erst eine kritische Masse zu erreichen.

  14. Grund für den überhasteten Exit:
    Bisher habe ich noch nirgends gelesen, warum Wellington et al so überhastet den Exit gesucht haben. Der Grund ist m.E., dass Facebook ein eigenes Event-Tool plant, das Amiando innerhalb von Wochen platt machen würde.
    Dazu noch zwei hoffentlich anregende Gedanken:
    – ich wundere mich schon länger, wie wenig über die Auswirkungen diskutiert wird, wenn Facebook schrittweise die Wertschöpfungskette erweitert – wer werden die Gewinner und Verlierer sein?
    – ich wundere mich schon länger, wie freundschaftlich Amiando mit Facebook verbunden war (hat es nur dem Ego geschmeichelt oder gab es auch einen rationalen Grund?). Mark Zuckerberg hat mehrfach intensiv mit Felix Haas Geschäftsmodell und Workflows diskutiert. Sie traten daraufhin als Freunde auf. Dinge, die man sonst penibel gegenüber Öffentlichkeit und Wettbewerbern verheimlicht, wurden offen dem besten Freund erzählt, der sich später als der größte Feind entpuppte. Und das war nicht vorhersehbar? Für mich gilt auch im Business die Regel aus der Politik: man gewinnt „mit heißem Herzen und kühlem Kopf“. Amiando hatte nur Ersteres, sich daher von Zuckerberg und seiner Prominenz verführen lassen und dabei verloren. Es wäre nur gut gegangen, wenn Facebook Amiando gekauft hätte. Aber dazu hätte die technische Lösung kaum kopierbar sein dürfen und ist denn nicht bekannt gewesen, dass Facebook wann immer möglich alles selber entwickelt?
    Fazit:
    Für den, der Facebook versteht, ist die Amiando-Story eine spannende Soap. Aber kein unternehmerisches Erfolgsmodell.

  15. Also, die Facebook-Amiando-Connection kann man getrost als PR-Aktion abtun (und sie war mE auch nie anders zu verstehen). Es gab ja zum damaligen Zeitpunkt wenige, die Facebook Connect in Deutschland/Europa propagieren konnten. Von dieser Aktion haben letztlich beide Parteien profitiert.
    Das Thema Ausweitung der Wertschöpfungskette hatten wir. Facebook sieht sich in erster Linie als Infrastruktur-Anbieter und macht eigenen Aussagen zufolge nichts, was nicht andere besser können. Das wollen wir fürs erste Mal glauben, zumal Facebook ja durch Credits, etc. Möglichkeiten hat, zu partizipieren:
    http://www.excitingcommerce.de/2010/11/facebook-social-commerce-engine.html
    Facebook wäre ja dumm, wenn es von seinem Plattformansatz abweichen und in die Portaldenke verfallen würde. Mann sieht ja, welche Schwierigkeiten Yahoo, AOL, etc. haben, die nicht über ein entsprechendes Partner-/Entwicklernetzwerk verfügen.
    Und was Wellington angeht: Welche Optionen hat Wellington, wenn es selber nicht den Lead übernehmen will, sich kein anderer Lead-Investor findet und/oder die Gründer nicht mehr wollen?

  16. @Jochen: gute Einwände und danke, dass Du mich auf die offizielle Facebook-Story noch einmal aufmerksam machst. Ich vermute aber aus Branchen-Berichten und -Gerüchten, dass Facebook beides will – die Partner halten und trotzdem in strategischen Kernbereichen die Wertschöpfungskette – auch auf Kosten von Partnern – zu erweitern.
    Mal sehen, was die Zukunft bringt…
    Zur Amiando-Story:
    INVESTOR SIDE (Wellington):
    1) Jeder Investor geht nach der alten Regel davon aus, dass von 10 Investments 3-4 liquidiert werden, 5-6 vor sich hindümpeln und nur 1 Investment rockt, das die gesamte Rendite aller 10 Investments für den Fonds erbringt.
    2) Wellington wollte so schnell wie möglich raus, d.h. sie waren überzeugt, dass Amiando nicht das „Rocking Venture“ ist – sonst wären sie ja blöd und ich halte Wellington nicht für blöd
    3) irgendetwas muss passiert sein, dass sie so schnell wie möglich raus wollten! Ohne Rendite auf das eingesetzte Kapital! Sie waren überzeugt, dass es für sie besser ist, so schnell wie möglich raus zu gehen, als noch die weitere Entwicklung von Amiando abzuwarten, trotz 6-stelligem Gewinn von Amiando in diesem Jahr! (vgl. Text-Interview mit Felix auf „Deutsche Startups“ vom Oktober 2010!).
    Wenn sie im Oktober 2010 einen 6-stelligen Gewinn für 2010 erwarten, dann müssen sie schon jetzt profitabel sein! Dann bräuchte es keine weitere Venture-Finanzierung (Must-have zum Überleben), sondern nur eine Wachstumsrunde zum schnelleren Wachstum (Nice-to-have)
    Bei einem derzeit profitablen Wachstum von rund 100% (Video-Interview mit Felix von Deutsche Startups auch vom Oktober 2010) und Gewinn wäre es für alle Shareholder auf jeden Fall am besten gewesen, erst einmal weiterzumachen. Damit wäre die Renditeerwartung auf das eingesetzte Kapital hoch gewesen.
    Fazit:
    A) Entweder stimmt diese Story von Felix nicht und sie brauchen richtig viel Geld zum Überleben (keine Spur von Gewinn – bei denen muss EBIT weitgehend Net Income sein, da kaum Abschreibungen) oder
    B) Ein dramatisches Ereignis ist eingetreten, welches das Geschäftsmodell von Amiando in naher Zukunft substantiell bedroht.
    Ich glaube an B) und vermute, dass das Ereignis mit Facebook zusammenhängt.
    Bin gespannt auf Deinen Kommentar :-)

  17. Hehe, gut kombiniert/recherchiert. Möchtest Du als Blogger bei uns anfangen? Solche Leute suchen wir :-)
    Ich halte weder B noch A für wahrscheinlich, befürchte allerdings, ich bin mittlerweile zu gut im Bilde, als dass ich noch einigermaßen unvoreingenommen argumentieren könnte.
    Ich gönne ja allen den Exit, glaube aber einfach, da wäre mehr drin gewesen.

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