Warum Exciting Commerce mit den Piraten sympathisiert

Als Blog für Online-, Handels- und Wirtschaftsthemen ist für Exciting Commerce nicht nur der technologische, sondern vor allem auch der gesellschaftliche Wandel ein spannendes Thema.

Wir haben in der Vergangenheit über neue Zahlungsmittel ("Web-Währungen") als Alternativen zu den krisenanfälligen Einheitswährungen ("Was kommt nach dem Euro?") ebenso geschrieben wie über höhere Transparenz ("Wikileaks") sowie von 2009 an über das Aufkommen der Piratenpartei ("Braucht Deutschland eine Internetpartei im Parlament?")

Inzwischen stoßen die Piraten mit ihren Themen auf Sympathie in zunehmend breiteren Bevölkerungsschichten – nicht weil sie die Netzpartei wären, sondern weil sie sich ernsthafter als andere mit Zukunftskonzepten auseinandersetzen und ihren Meinungsbildungsprozess sehr viel öffentlicher exerzieren.

Marina Weisband, eine der Vor- und Mitdenkerinnen der Piraten, schrieb dazu in der vergangenen Woche ("Warum Piraten Flaschen sind"):

"Das eigentlich Revolutionäre, das wir machen, das wir ausprobieren – Partizipation, die Entwicklung komplexer Lösungen für komplexe Probleme, deren Rezept wir in Zukunft so oft brauchen werden – das wird übergangen. Man möchte in den üblichen Rahmen berichten.

Man stellt uns die Fragen, die man den Grünen vor 30 Jahren gestellt hat, und erwartet von uns Antworten darauf. (…) Und weil wir auf diese Fragen keine Antworten haben, titelt man dann auch so: Piraten haben keine Antworten. Piraten haben kein Programm.

Es ist aber auch so, dass niemand uns nach dem fragt, womit wir uns beschäftigt haben: Die Fragen der Zukunft.

  • Viele unserer Güter sind verlustfrei kopierbar geworden. Wie können wir als Gesellschaft damit umgehen und dabei Künstler weiterhin entlohnen?
  • Welche Möglichkeiten bietet das Internet für Transparenz und Partizipation? Was ist in Zeiten von Facebook öffentlich, was privat?
  • Wie kann unsere Wirtschaft funktionieren, wenn es nicht mehr Arbeit für jeden gibt, weil wir so viel automatisiert haben?
  • Wie sieht eine Familie jenseits des klassischen Familienbildes aus? Was muss ein Kind an der Schule heutzutage lernen; und wie?

All das sind Fragen, auf die wir Antworten haben oder erarbeiten. Mit denen wir uns jedenfalls beschäftigen und in denen wir über Expertise verfügen. Aber es sind bisher keine relevanten Fragen der Berichterstattung, also werden sie kaum erwähnt."

Ein guter Text zum Umgang mit dem Piratenphänomen ist auch im Spiegel erschienen ("Warum die anderen Parteien von den Piraten lernen müssen.")

Der eigentliche Knackpunkt ist ja: Je verkrampfter die herrschenden Parteien am Ideal einer normierten Industriegesellschaft festhalten, desto mehr Menschen fallen durchs gesellschaftliche Raster und desto mehr suchen gesellschaftliche Perspektiven jenseits der etablierten Parteien/Strukturen.

Frühere Beiträge zum Thema:



Kategorien:Uncategorized

1 Antwort

  1. So sehr ich Exciting Commerce schätze, finde ich politische Positionen hier unangebracht, zumal hier so einseitig Sympathie ergriffen wird, ohne dass es ein konkreter Sachzusammenhang mit den von Jochen genannten „Online-, Handels- und Wirtschaftsthemen“ zu erkennen ist…

  2. Auch ein interessanter Artikel aus der aktuellen Spiegel Ausgabe:
    „Parteien: Künstler und Intellektuelle machen gegen die Piraten mobil“
    Darüber hinaus auch ein interessantes Interview:“Urheberrecht: SPIEGEL-Streitgespräch zwischen dem Pop-Musiker Jan Delay und dem Piraten-Politiker Christopher Lauer über den Wert der Kunst im digitalen Zeitalter“
    Ich bin voll bei Thomas, dass politische Inhalte hier etwas deplatziert sind. Wenn sie dir dennoch wichtig sind, wäre eine differenzierte Betrachtung angebracht.

  3. „Komplexe Lösungen“ – jaja, Frau Weisband redet viel und schön auf der Meta-Ebene – Aber wo sind die denn – die komplexen Antworten?
    Ähnlich wie Excomm sympathisiere ich mit den Piraten seid ich sie 2007 kennengelernt habe – aber nach all den Jahren kann ich keine wirklichen Ansätze für andere Politik, andere Wirtschaft oder anderes Handeln entdecken.
    Da haben Blogs (wie auch dieses hier) und Webintellektuelle mehr konkrete Schritte zu einer digitalen Gesellschaftspolitik formuliert als die Piratenpartei. Hand aufs Herz – Wer hat sich schon mal Piraten-Beschlüsse in deren wiki durchgelesen? – Das ist oft unterstes Niveau – Ein paar aufgeschnappte 2.0-Begriffe werden zusammengewürfelt.
    Wie gesagt, ich habe Sympathien für eine Partei, die „das mit der digitalen Gesellschaft“ als Kern haben will – aber die Piraten sind es (noch) nicht.
    Gerade diejenigen, denen der tatsächliche gesellschaftliche Wandel durch die digitalen Möglichkeiten am Herzen liegt, sollten hier freundlich kritisch bleiben – ansonsten schadet die Piratenpartei uns allen.

  4. Deswegen auch das altmodische Wort „sympathisieren“ – und wie beschrieben, weniger wegen der inhaltlichen Positionen, die sich ja größtenteils noch im Werden befinden, sondern wegen des Prozesses.
    Ansonsten: Die Netzwirtschaft braucht einen wie auch immer gearteten politischen Arm. Deswegen gehört das mE sehr wohl hierher.

  5. Wie man mit einer Partei sympathisieren kann und sich gleichzeitig von den Inhalten distanziert, ist mir unklar.Vor allem, wenn diese Partei kurz davor steht in den Landtag des bevölkerungsreichsten Landtags einzuziehen.Von den bezahlten Volksvertretern darf der Souverän dort auch bereits durchdachte Antworten auf alle gesellschaftspolitischen Fragen erwarten.
    Und für die Themen „Post-Gender“, „arbeitsfreies Einkommen“ und „Grundrecht auf geistiges Eigentum“ gibt es zumindest von mir kein like.
    „Die Netzwirtschaft braucht einen wie auch immer gearteten politischen Arm.“
    Dir geht es also in erster Linie um Lobbyismus? Also eine FDP 2.0?

  6. Eine Partei, die von sich selber sagt, zu aktuellen politischen Themen habe Sie keine Position oder keine Antwort, und ist da mal lieber still, ist alles, nur nicht wählbar.
    Was nützt mir ein tolles Hirngespinst für die Zukunft, wenn ich die Gegenwart nicht beherrsche.
    Kompletter Fail.

  7. Um die Probleme der Gegenwart kümmern sich genügend (was man durchaus positiv sehen kann). Über die Zukunft machen sich leider viel zu wenige Gedanken. Abgesehen davon braucht es Parteien für die mittlerweile 30% – 40% Nichtwähler.

  8. Das ist dumm und falsch. Wenn ich nicht mit den Problemen der Gegenwart umgehen kann, wie soll ich mit der Zukunft fertig werden? Die Weichen werden in der Gegenwart gestellt. Man kann nicht immer nur von Zukunft und Visionen reden, man muss auch handeln.

  9. Gerade weil die Weichen heute gestellt werden müssen, sollte man sich intensiv mit der Zukunft befasst haben.

  10. Wäre von den etablierten Parteien in den letzten Jahren irgendwas vernünftiges in Richtung Internet, Datenschutz, Sicherheit, Urheberrecht usw. gekommen – dann würde ich dieses Post hier vielleicht auch nicht so gerne sehen!
    Da kam aber so ungefähr, ca. nichts was Sinn macht – und deswegen verstehe auch diese Aussage.
    Ich denke es geht auch schon um die Gegenwart, nicht mehr „nur“ um die Zukunft. Das „Kulturverständnis“ und das (nicht-)Begreifen neuer Technologie durch öffentlich-rechtliche, GEMA, GEZ, aber auch viele „führende“ Konzerne ist schon jetzt ein Problem. Ein politisches, soziales, aber auch ein wirtschaftliches!

  11. Habe bis jetzt nicht ganz verstanden was diese Sympathie-Bezeugungen für eine politische Couleur auf einem COMMERCE-Blog zu suchen haben, zitiere aber kommentarlos Andreas Theyssen, politischer Journalist der FTD, in der Ausgabe vom 23.04.2012:
    „Uns Deutschen geht es offenbar zu gut. Wir erwärmen uns für die Piratenpartei und strafen jene ab, den wir zu verdanken haben, dass es derzeit bei uns rund läuft. Geht’s noch?“

  12. Jochen, du wiedersprichst dir selbst.
    Zum einen sollen die Weichen heute gestellt werden, und dafür muss man sich mit der Zukunft befassen, zu anderen gibt es dann wieder genügend andere, die die Geenwart schaukeln sollen, halt nicht die Piraten, die es nicht können.
    Fail. Aber auf der ganzen Linie.

  13. Ich habe nicht gesagt, dass es genügend andere gibt, die die Gegenwart schaukeln „sollen“, sondern dass es genügend gibt, die es tun.
    Es gibt aber definitiv zu wenige, die sich mit der Zukunft befassen.

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