Wachstumsszenario 1.2: Wann explodiert der deutsche E-Commerce-Markt?

Seit gut einem Jahr versuchen wir uns an Wachstumsprognosen für den deutschen Online-Handel.

Im Juli 2011 haben wir ein erstes – betont konservatives – Szenario auf Basis der bvh-Zahlen vorgestellt – und dieses, nach dem unerwarteten Wachstumsschub im letzten Jahr, im März 2012 durch ein weiteres – immer noch betont konservatives – Szenario ersetzt.

Da der Markt auch 2012 beinahe ungebremst weiter wächst und die Umsätze schon im ersten Halbjahr um +13% auf 18,1 Mrd. Euro gestiegen sind, gehen wir davon aus, dass der Gesamtmarkt 2012 in jedem Fall über den vom bvh prognostizierten 36,5 Mrd. Euro (+7,4%)
liegen wird und mindestens 37,5 Mrd. Euro (+10%) erreichen wird.

Auf der K5 habe ich auf Basis dieser Annahmen das neueste Wachstumsszenario 1.2 vorgestellt und versucht zu verdeutlichen, was es bedeutet, wenn der Versandmarkt nicht mehr wie bisher um ein bis zwei Milliarden Euro im Jahr wächst, sondern dauerhaft einen Gang zulegt und jährlich um drei bis vier Milliarden Euro wächst:

Wachstumsszenario12

Man sollte zweierlei bedenken:

  • Alles, was der Online-Handel hinzugewinnt, geht dem stationären Handel verloren. Der Buchhandel um Thalia, der Schuhhandel um Görtz, die Elektronikhändler um Media Saturn, die Warenhäuser, etc. können bereits ein Lied davon singen.
  • Vor allem aber: Die Katalogversender haben nie mehr als 21 Mrd. Euro erreicht. Die Online-Versender treiben den Markt gerade volumenmäßig in vollkommen neue Dimensionen.

Zu erwarten ist, dass ab einem gewissen Marktvolumen prozess- und logistikseitig Skaleneffekte eintreten, die dem Online-Handel ein weiteres, noch sehr viel explosionsartigeres Wachstum erlauben. Die große Frage ist nun: Wo liegt die Schwelle, ab der der Knoten platzt und der Markt schubartig wächst? Sind es 40 Mrd. Euro (2013), ab der die Effekte eintreten? Sind es 50 Mrd. Euro (2015) oder mehr?

In jedem Fall ist davon auszugehen, dass der Online-Handel die 100 Mrd. Euro-Marke dann schon vor 2020 erreichen wird.

Einer der wesentlichen Wachstumstreiber sind schon heute die rund 12 Millionen "Vielbesteller" und ihre rund 120 bis 150 Mio. Online-Käufe im Jahr.

Einer der größten Wachstumshebel für den Online-Handel ist und bleibt speziell hierzulande der Unwillen bzw. das Unvermögen des stationären Handels, den Amazons oder Zalandos etwas entgegenzusetzen. In anderen Ländern gibt es die Tescos oder die Walmarts, die zumindest ein Mindestmaß an Gegenwehr an den Tag legen.

Hierzulande hat der Online-Handel quasi freie Fahrt, was die Marktentwicklung aus Online-Sicht besonders spannend macht und in den kommenden 10 Jahren branchenübergreifend noch einmal zu gewaltigen Umbrüchen in der deutschen Handelslandschaft führen wird.

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1 Antwort

  1. Ich glaube eher an eine bisher noch schwer sichtbare Sättigungsgrenze. Zudem sind 100 Mrd. B2C Online Bestellwert (ungleich zu online beeinflusst) nicht erreichbar, weil der Gesamtmarkt kleiner ist als 200 Mrd. wenn man Online schwer handelbare Güter (Lebensmittel, Benzin, Medikamente…) abzieht.

  2. Das heißt, Du gehst davon aus, dass der Online-Handel jetzt schon am Limit ist und sich das Wachstum eher abschwächt? Mit einer Sättigung rechne ich nicht vor 2020.
    Der bvh-Referenzwert für das Einzelhandelsvolumen liegt bei 415 Mrd. Euro
    http://www.bvh.info/zahlen-und-fakten/allgemeines/ (1. Chart)

  3. Hornbach versucht (wenn auch auf einem anderen Level) zu wehren ;)

  4. In der Tat: Die aktuelle Kampagne grenzt an Realsatire.
    Ich warte ja immer noch auf einen schicken Online-Baumarkt.

  5. Hast Du Dir Hagebau mal angeschaut? Und die iPad-App?

  6. Ja, aber vor allem den Spot(t) für Selbstabholer

  7. „In jedem Fall ist davon auszugehen, dass der Online-Handel die 100 Mio. Euro-Marke dann schon vor 2020 erreichen wird.“ Kleiner Fehler eingeschlichen: sind 100 Mrd. gemeint

  8. korrekt, danke, ist geändert.

  9. Ja, ich rechne eher mit einer Abschwächung, wobei ich selber noch nicht ganz weiß wie man Ropo Effekte berücksichtigen muss. Es zeiht sich ja z.B. seit 3 Jahren in den USA ein verlangsamendes Wachstum auf unter 10% (2011-2012) und auf wahrscheinlich unter 5% bis 2020.

  10. Nachtrag: Die 415 Mrd. Referenzvolumen berücksichtigen zu großen Teilen Online kaum oder nur schwer handelbare Segmente. Daraus kann das Wachstum nicht kommen. Ich schlüssele das in Kürze mal auf.

  11. gern, bin gespannt.
    Den US-Vergleich finde ich nicht zielführend, da beide Märkte nicht vergleichbar sind. Der deutsche Markt ist dem US-Markt in der Versandaffinität um Längen voraus. Ich würde mir Einschätzungen rein aus dem deutschen Markt heraus wünschen.
    Und stärker als der Ropo- dürfte wohl der Insolvenz-Effekt werden. Wenn offline wegbricht und Thalia, Görtz, Media Markt & Co. ihre Filialen Schritt um Schritt schließen müssen, ist es mit Ropo nicht mehr allzu weit her.
    Fraglich ist, wann Mobile greift und dem Online-Thema nochmal zusätzliche Dynamik verleiht. Und fraglich ist dann spätestens(?) 2020, was sich die Onliner für stationäre Konzepte einfallen lassen.

  12. Der Einwand von Alex mit der Berücksichtigung u.a. des LEH ist auf jedenfall berechtigt.
    Ich hab mir mal gemerkt, dass in D der Einzelhandel ein Volumen von knapp 400 Mrd hat (ergibt sich durch 80 Mio. Einwohner x ca. 5 T€ EH-Ausgaben/Jahr).
    Normalerweise nimmt der LEH ca. 40% der EH-Ausgaben ein (Ausm Kopf; Quelle kann ich nachreichen).
    Da der LEH online ein ziemliches Trauerspiel ist (bzw. kaum vorhanden) und bei weitem nicht die Evolutionsstufen der „Non-Food-Bereiche“ hat, müsste man das EH-Volumen exkl. LEH nehmen um eine aussagefähige BAsis zu haben.
    Von 415 Mrd. ca. 40% abgezogen, wären das somit ca. 250 Mrd. Das wäre somit die Basis zur Verteilung. Die von Jochen angenommenen 100 Mrd. online wären somit ein Online-Anteil von 40% (die restlichen 60% wären somit offline).
    Die zentrale Frage ist dann: Kann so ein Channel-Anteil Online erreicht werden? Wenn nein und wir gehen sagen wir mal von 25% aus (-> ca. 60 Mrd €) dann ergbit sich ein ganz anderes Wachsstumsszenario.

  13. stimmt, dann wären wir schon ziemlich bald am Limit, was ich aber nicht so wirklich glaube. In den Vorreiter-Kategorien (Bücher/Medien, Elektronik, etc.) sieht man ja, dass jetzt schon die kühnsten Erwartungen übertroffen werden.
    Unverbesserlicher Optimist wie ich bin, gehe ich außerdem davon aus, dass sich das Lebensmittelproblem innerhalb der nächsten 10 Jahre löst – und wir auch in dem Segment ein paar zugkräftige Dienste sehen werden. Amazon ist ja gerade voll auf dem FMCG-Trip, eben weil es das größte Marktsegment ist.

  14. Als Onlinehändler braucht man keine Verkaufsräume und kann günstiger verkaufen als der stationäre Handel. Dazu kommt der Preisdruck durch ein Überangebot an Onlineshops. Und Leute ohne den zum Onlineeinkauf notwendigen Rechner werden immer seltener. Das alles und weitere Gründe werden den Onlinehandel weiter voranbringen.

  15. Dafür braucht Onlinehandel Server(cluster), Lagerhallen, hat Transportkosten, muss sich mit Retouren rumschlagen und Frequenz teuer einkaufen, da man sich nicht einfach auf einer belebten Einkaufsstrasse mit Laufkundschaft einmieten kann.
    Günstig wird der Onlinehandel ab einer gewissen Größe, dass er perse günstiger ist, halte ich aber für ein Gerücht.

  16. Tja Lothar, aber der gemeine Kunde, warum bestellt der eigentlich online? Die meisten sind ja gar keine überzeugten online Käufer. Sie bestellen „trotzdem“, weil sie nämlich zwischen Not und Elend sich das Beste heraus suchen.
    – 10 Euro Gutschein für online Bestellung? Klar dann bestelle ich anstatt in den Laden zu gehen
    – Angebote: gehe ich in den Laden bin ich gewohnt, dass am Montag Abend schon nichts mehr von dem Produkt vorhanden ist – anders online, das bekomme ich auf jeden Fall. Wieder ein Weg gespart!
    – 5 Hosen zur Auswahl im Laden mitnehmen und nach 2 Wochen 4 wieder zurück geben, das kann einem im Laden schon mal peinlich sein. Per Internet ist es mitlerweile Gang und Gäbe
    – Goldener Schuhkarton und Schuh-Staubbeutel für Noppes im Laden abziehen? Einfach teure Schuhe bei Zalando bestellen und in einem anderen Karton zurück senden. Goldene Schachtel und Beutel behalten – so machen wir das heute
    Diese Liste könnte man um nahezu hunderte Punkte ergänzen.
    Im eCommerce Geld verdienen? Für Agenturen, Suchmaschinen und die restlichen drum herum kein Problem. Aber für Händler verdammt knapp. Entweder Du läufst in den roten Zahlen oder aber Du versinkst auf ganz kleinem Niveau in der Masse.
    Für das prognostizierte Wachstum heisst das folgendes:
    Solange Investoren dazu überzeugt werden können, das Wachstum durch ihre Investitionen zu pushen, wird der online Anteil weiter wachsen. Dann wird eine Schwelle erreicht werden, an der sich plötzlich die Erkenntnis breit macht (richtig breit), dass man so nichts verdienen kann. Danach folgt ein Abschwung weil zum einen die Benefits für Kunden eingekürzt werden müssen und zum anderen einige Marktteilnehmer verschwinden werden.
    Wir kommen dann in eine Konsolidierungsphase, die einige Marktteilnehmer überstehen weil sie das Geschäft von Anfang an unter Berücksichtigung des Ertrags betrieben haben. Es sind dies diejenigen, die nicht die Lieferkosten verschenken und die Preise aufrufen, die wirtschaftlich sinnvoll sind.
    Kurzum, es sind diejenigen, die den Kunden nicht durch Geschenke zum online Kauf bewegen. Welche online Käufer bleiben jetzt noch übrig, frage ich mich?

  17. @ Hubertchen:
    Ach so, jetzt weiss ich warum Online explodiert. Diese Kunden sind keine, alles Betrüger. Und es gibt keine Veränderung im Kundenverhalten.

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