Hockeystick-Szenario 2.1: Wenn der Online-Markt explodiert

Wie die letzten bvh-Erhebungen unterstreichen, wächst der Online-Markt bei weitem schneller als noch vor wenigen Jahren für möglich gehalten.

Bestätigt haben sich durch die Q1-Zahlen vor allem die enormen Wachstumsschübe, die wir seit 2011 sehen. Die Wachstumsraten lagen 2011 (+12,2% für den Gesamtmarkt, +18,5% für den E-Commerce, +31% für die Pure Player) und 2012 (+15,6% für den Gesamtmarkt, +27,2% für den E-Commerce, +42% für die Pure Player) weit über dem, was bis 2010 üblich war. In den Jahren von 2010 bis 2012 wuchs der Markt in nur zwei Jahren soviel wie die gesamten 15 Jahre zuvor. Und dieser Trend scheint sich 2013 eher noch zu verstärken.

Bvh2013Q1

Auf Basis der neuen Zahlen ist deshalb ein neues Wachstumsszenario für die kommenden Jahre möglich. Lag die 50-Milliarden-Marke bei den ersten Szenarien für den Online-Handel noch in weiter Ferne, so wird sie voraussichtlich schon im kommenden Jahr geknackt. Setzt sich der Online-Boom ungehindert fort, wird sich der Markt danach innerhalb von 5 Jahren auf 100 Milliarden Euro nochmals verdoppeln können – mit noch unabsehbaren Folgen für die gesamte Handelslandschaft:

Wachstumsszenario21

Mit einer angenommenen Wachstumsrate von 14% handelt es sich diesmal um ein weitaus weniger konservatives, aber immer noch nicht übertrieben progressives Szenario, liegen die angenommenen Wachstumsraten von 14% doch unter den aktuellen von 2012 (+15,6%) bzw. dem ersten Quartal 2013 (+19,4%).

Der Haupttrend und zugleich der treibende Faktor für den Online-Boom bleiben die Vielbesteller, die die gelegentlichen Online-Besteller jetzt zunehmend ablösen: 20% der Bevölkerung bestellt inzwischen mindestens 10 Mal im Jahr online, 8% bereits zwanzig Mal und mehr. Damit wird das Online-Geschäft für den Handel mehr zur Skalierungsfrage als zur Überzeugungsfrage.

Um einen Eindruck von der Marktdynamik zu vermitteln, hier auch nochmal die drei bisherigen – bewusst vorsichtig gehaltenen – Wachstumszenarien zum Vergleich. In der ersten Abschätzung hielten wir die 100 Mrd. Euro frühestens 2025 für erreichbar, in der zweiten 2024, in der dritten ("Wann explodiert der deutsche E-Commerce-Markt?") 2023. Angesichts der aktuellen Marktdynamik könnte es schon 2019, spätestens aber 2020 soweit sein:

Wachstumszenario21v

Wenn man die aktuellen Entwicklungen betrachtet, kann man also getrost von den Tsunami-Jahren des E-Commerce sprechen, die dem Markt bis 2020 bevorstehen – mit Verwerfungen für den Handel, die sich bisher nur ganz wenige vorstellen können.

Fraglich ist zum einen, wie diese enormen Wachstumsraten infrastrukturseitig bewältigt werden sollen/können, zum anderen, ab wann sich das Wachstum wieder abschwächt bzw. ob bis dahin nicht ohnehin Online gleich Handel ist.

In jedem Fall werden in den kommenden fünf bis zehn Jahren im (Online-)Handel auch jenseits von Amazon und Zalando eine ganze Reihe von Milliardenunternehmen entstehen – zum Teil mit neuen, zum Teil mit bekannten Geschäftsmodellen.

Mehr zu diesen und anderen Strategie- und Wachstumsthemen auch wieder auf der K5 Konferenz am 12./13. September in München.

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Kategorien:Exciting Commerce, Shopboerse

  1. 1. Frage:
    Gibts eigentlich Studien, welche die Abhängigkeit der Anzahl an Käufen zum Durchschnittsbon thematisieren?
    Normalerweise würde ich immer davon ausgehen, dass der Durchschnittsbon mit der Anzahl der Online-Käufe nach oben geht. Sprich die ersten Onlinebestellungen sind vielleicht erstmal Kleinstbestellungen auf Ebay (mit max. 10 EUR Volumen), dann bestellt man ein paar Bücher/CDs/DVDs bei amazon, dann Kleidung für > 100 EUR und so tastet man sich langsam nach vorne, um dann irgendwann mal das Sofa für > 1.000 EUR online zu bestellen. Die Schritte wären aber kumulativ, sprich: es gäbe eine deutliche Zunahme des Durchschnittsbons in Abhängigkeit von der Anzahl der Onlinekäufe.
    Erscheint mir jedenfalls schlüssig (also eine Art Wanderungsbewegung der Internetkäufer). Würde aber ne Gegenthese zum Punkt Online ungleich Überzeugungsfrage sein.
    2. Frage:
    Weiss jemand wie der Durchschnittskäufer (Anzahl Orders x Durchschnittsbon p.a.) Stationär aussieht?
    Und dann die Frage wie weit sind wir Online davon weg bzw. wie unterscheiden wir uns?

  2. Da gibt es sicherlich auch Studien, aber die persönliche Erfahrung sagt: Der Durschnittsbon steigt mit der Anzahl der Käufe des Mehrfachbestellers. Und die Online-Bons sind ca. 50% höher als die stationären. Das gilt für Mode. Was auch klar ist, denn dort bestellen die Leute einfach viel zur Anprobe, was es stationär so nicht gibt.

  3. @Christian: Dazu gibt es Studien, und unsere bvh-Studien weisen das auch aus. D.h. wir erkennen einen generellen Anstieg der Durchschnittsbons sowohl “across the board” als auch innerhalb der einzelnen Kategorien. Sprich: Die Angst, große Summen im Onlinehandel auszugeben, ist längst vorbei.
    Es gibt auch Erhebungen für den stationären Handel dazu, aber ich kenne da keine vergleichbaren Längsschnitt-Betrachtungen. Die ECE hatte in ihrer Roland Berger-Multichannel-Studie, soweit ich mich erinnere, auch einen deutlich geringeren Durchschnittsbon im stationären Handel ausgewiesen. Hier sind allerdings auch die typischen Mitnahme-Einkäufe drin (ungeplant). Da tickt das Web einfach doch noch “plankaufiger”.
    @Jochen: Wie hoch schätzt Du in dem Hockeystick-Szenario den Anteil des Online-Wachstums, der Amazon zukommt, und wie hoch die Wachstumsrate der “normalen” Pureplayer? Wir hatten hier vor zwei oder drei Jahren mal anlässlich der Internet-Retailer-Zahlen darüber diskutiert. Dort lag das Wachstum der Pureplayer “ohne” Amazon nicht signifikant höher als das der Multichannel-Anbieter (in den USA).

  4. Ich würde der Einfachheit halber davon ausgehen, dass Amazon seinen Anteil an den Pure Player Umsätzen halten kann. Zuletzt lag das Amazon-Wachstum in D allerdings unter dem der Pure Player:
    http://www.excitingcommerce.de/2013/02/amazon-deutschland-ums%25C3%25A4tze-2008-2012.html
    Das Problem bei Amazon ist immer, dass es nur zum Teil organisch und zu guten Teilen auch durch Übernahmen (in den USA Zappos, Diapers, etc., in D weit weniger bedeutsam – BuyVIP, etc.) getrieben ist. Das macht Prognosen für Amazon extrem schwer.
    Ich halte aber generell wenig von Umsatzprognosen für einzelne Unternehmen. Das ist für einen Außenstehenden so gut wie unmöglich. Als Orientierungshilfe für weitaus wichtiger und hilfreicher für alle Beteiligten finde ich die Abschätzung von zukunftsrelevanten Marktsegmenten.

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