Vorsicht, Buchhandel! Wie bei Thalia ein Minus zum Plus wird

Thalia, das zuletzt vor allem durch Filialschließungen von sich Reden gemacht hat und dabei ohnehin schon mehr dichtmachen musste als geplant, schafft es, seine Umsatzrückgänge im letzten Jahr in ein "vergleichbares Umsatzwachstum von rund 7%" umzudeuten (Word-Dokument). Die aufgegebenen Geschäfte werden bei der Umsatzentwicklung einfach mal ausgeblendet.

Statt von 300 Filialen, wie in der jüngsten Werbekampagne ("Großangriff auf Amazonien"), ist jetzt nur mehr von "knapp 300 Buchhandlungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz" die Rede (und täglich werden es weniger, möchte man hinzuzufügen). Aber, was bleibt, ist toll, bis nichts mehr übrig ist.

Verständlicherweise wollen die neuen Thalia-Gesellschafter den Verkaufspreis für das Filialgeschäft hochtreiben, auch wenn sie es bei der Übernahme von Douglas & Co. quasi gratis mitbekommen haben.

Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg …

Jenseits von Gut und Böse ist inzwischen auch der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der kurz nach der drohenden Pleite von Weltbild ("Was wird aus Bücher.de und Hugendubel?") mit einer Jubelmeldung sondersgleichen ("Starkes Jahr für den Buchhandel vor Ort") an die Öffentlichkeit geht, ohne Weltbild und die möglichen Folgen für die Buchbranche auch nur zu erwähnen.

Stattdessen werden die Umsatzeinbrüche von -2,8% (2010), -3,0% (2011) und -3,7% (2012) zu einem "leichten Abwärtstrend der letzten Jahre" erklärt, der jetzt, nicht zuletzt durch die eigenartige großartige "Vorsicht, Buch!"-Kampagne des Börsenvereins gebannt sein soll.

Und dann lehnt sich der Verband noch ganz weit aus dem Fenster und postuliert auf Basis von nicht mehr als einer "ersten Tendenzaussage", dass der stationäre Buchhandel 2013 – trotz Filialabbaus, etc. – sogar stärker gewachsen sein soll als das Online-Geschäft von Amazon & Co.

Vielleicht ja kein Zufall, dass "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" jetzt schon im zweiten Jahr in Folge die Bestsellerlisten anführt. Der Börsenverein zählt zwar bereits 188 Jahre, aber wer wird es denn mit den Zahlen schon so genau nehmen.

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Kategorien:Buchhandel, Shopboerse, Ultimondo

  1. Schön recherchiert. Das kann ich zukünftig als mahnendes Beispiel für eine sehr kreative Interpretation von Marktdaten verwenden.

  2. Super Bericht…der könnte glatt von mir sein, die Gedanken waren bei mir die selbigen.
    Wenn ich hier direkt mit kleinen Buchhändlern spreche, sind auch diese alles andere als euphorisch.
    Dennoch wird es für kleinere Buchläden wohl mehr Überlebenschancen geben als für teure Filialketten in 1a Lagen.
    Wären da die nicht bis zu 15 jährigen Mietverträge mancher Ketten würden die schon längst mehr dicht machen.
    Aber so wird versucht Flächen entweder direkt abzugeben und unterzuvermieten oder als Shop in Shop Konzept indirekt unterzuvermieten…. die 2000qm Vielfalt ist eben nichts im Vergleich zur “Online” Vielfalt und so reichen den Ketten wohl auch mitunter 400qm locker um das Geld mit den Mainstream Beststellern zu verdienen die noch gekauft werden.

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