Vitale Innenstädte 2016: Wie das IFH den Handel einseift

„Vitale Innenstädte 2016“ (sprich: „Das Ende der Innenstädte“) heißt das jüngste Blendwerk des berühmt-berüchtigten „Instituts“ für Handelsforschung („Exchanges #135: Der Ruf des IFH/ECC Köln“), das jetzt im IFH-Fanshop für 850 Euro erhältlich ist.

Wer sich ernsthaft für den Zustand und die Akzeptanz der innerstädtischen Handelslandschaft interessiert, wird enttäuscht. Denn die „knapp 60.000“ Befragten gaukeln eine Relevanz vor, die die Befragung in dieser Form nicht hat. Erfolgte sie doch weder repräsentativ noch bundesweit. Städte wie München, Stuttgart, Dresden, Augsburg, Freiburg, Münster, Kiel und andere sind überhaupt nicht vertreten.

vitaleinnenstaedte

Zudem wurde gewohnt einseitig (und damit self-fulfilling im Sinne der Ausgangshypothese) befragt. Denn hätte das IFH ein ernsthaftes Interesse am wahren Zustand und den Perspektiven für die Innenstädte, dann würden neben der stetig sinkenden Zahl der „Innenstadtbesucher“ im Gegenzug auch die befragt, die es schon heute nicht mehr in die Innenstädte zieht.

Das IFH und die Ver(bl)ödung der Innenstädte

Doch Handel ohne Innenstadt (und umgekehrt) ist für das IFH immer noch unvorstellbar: „Attraktiver Einzelhandel und attraktive Innenstädte sind eng miteinander verbunden. Das Eine ist ohne das Andere kaum denkbar.“ Für andere jedoch schon („Onliner können sich auf Marktanteile über 50% einstellen“).

Im Grunde ist es ja durchaus spannend, was gerade in den Städten passiert („Der Onlinehandel verändert unsere Städte“). Doch während die einen noch von einer Revitalisierung der Innenstädte träumen, tüfteln die anderen an „Smart Cities“, die Versorgung anders denken und auch ohne innerstädtischen Handel attraktiv und lebenswert sind.

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1 Antwort

  1. Moin Jochen,

    warum bashst du eigentlich so immanent gegen das IFH? Auch wenn ich davon überzeugt bin, dass 50% des Handels in Zukunft online stattfinden wird, so bleibt der Rest im stationären Umfeld hängen. Hast du dich zuletzt mal mit Menschen aus der „Mitte der Gesellschaft“ auseinandergesetzt? Oder vielleicht mit jüngeren Menschen, die anfangen das Internet als Verkaufskanal zu überwinden, weil sie sehr medienkompten die intensive Nutzung ihrer persönlichen Daten verwehren? Das ist auch Realität und diese Menschen gehen gerne stationär einkaufen.

    Ich würde mir wünschen, dass diese Diskussion ausgeglichen und fair abläuft. Die Tonalität bin ich sonst von Axel Springer gewohnt, aber da kann ich mir wenigstens sicher sein, dass jeder „sein Fett“ weg bekommt! Was ist passiert, dass du auf diesem Niveau angekommen bist?

    Viele Grüße von einem seit 10 Jahren treuen Leser, der sehr enttäuscht ist,

    Andreas Bauer

    • Klare Antwort: Weil ich es verantwortungslos und fahrlässig finde, was IFH und ECC treiben. Und weil es Zeit wird, ein bisschen mehr über die Methoden und die Intentionen des IFH/ECC aufzuklären, die der Branche mit ihren irreführenden und tendenziösen „Studien“ einen Bärendienst erweisen.

      Ich habe mich im Beitrag zwar pointiert, aber bewusst gemäßigt geäußert, und versucht, die Hauptkritikpunkte klar herauszustellen (einseitige, nicht repräsentative Erhebungen, etc.). Bashing sähe dann doch noch etwas anders aus.

      • Jeder Täter hat ein Motiv…. Welches sollte denn deines Erachtens dahinter stecken? Gier? Profilierungwille? Bewusste Täuschung?

        Ist das nicht alles sehr spekulativ und emotional?

      • Nichts davon. Das Problem von IFH/ECC ist, dass sie in all ihren Untersuchungen in erster Linie ihren Auftraggebern nach dem Mund reden und als Steigbügelhalter des stationären Handels – vermutlich sogar in bester Absicht – sämtliche Grundsätze seriöser Marktforschung über Bord werfen.

        Angreifbar machen sich IFH/ECC vor allem in der (einseitigen) Datenerhebung (wie hier und an anderer Stelle angemerkt). Den neutralen und unvoreingenommenen Blick auf Markt und Möglichkeiten kann und sollte man von IFH/ECC deshalb nicht erwarten.

        Ich versuche ja nur darauf hinzuweisen. Als Lobby-Organisation machen IFH/ECC sicherlich einen tollen Job. Letztlich möge sich aber jeder selber ein Bild machen, wie seriös und aussagekräftig er IFH/ECC-Studien hält. Für Butlers & Co. sind Schönwetterbefragungen wie die „Vitalen Innenstädte“ jedenfalls der blanke Hohn.

  2. Hallo Jochen,

    vielen Dank für Deine kritischen Beiträge, die sich in der Businesskuschelwelt eigentlich keiner traut. Alle beten das gleiche und bestätigen sich gegenseitig. Nur durch Schulterklopfen kommen wir nicht weiter.

    Ciao
    hannes

  3. Ich kann Johannes nur zustimmen! Danke Jochen (wieder einmal) für diesen zurechtrückenden Beitrag und die konkretisierenden Kommentare weiter unten! Es braucht – das hat sich schon öfter gezeigt – deine/ eine starke und kritische Gegenposition zu den IFH-Aussagen.

    @Andreas:“…weil sie […] die intensive Nutzung ihrer persönlichen Daten verwehren? Das ist auch Realität und diese Menschen gehen gerne stationär einkaufen.“ Klar gibt es diese Menschen. Du blendest aber bei deiner Aussage die deutlichen Entwicklungen beim stationären Trackings aus. Bitte lies selbst hierzu die Aussagen im aktuellen Beitrag „Die 10 interessantesten Use Cases für digitalen Mehrwert im Handel“ https://goo.gl/q3SNGD (Links abgekürzt zur besseren Lesbarkeit)
    „Connected Marketing: Das größte Potenzial für den Handel liegt im maßgeschneiderten Data Driven Marketing, per E-Mail, in den Social Media, mobil et cetera.“
    In-Store-Analytics: Während zum Online-Kaufverhalten meist viele Daten vorliegen, besteht in den Läden noch Nachholbedarf. …Video Analytics…Kunden-Monitoring durch Kameras zur Reduktion von Warteschlangen.

    @ Verantwortungslose und fahrlässige Aussagen des IFH
    Ganz genau! Durch die, überspitzt formuliert „Propagierung des Status-Quo“ schaden die IFH Aussagen langfristig einem Großteil der stationären Einzelhändler, die diese als Handlungs-, bzw. eben als „Nicht-Handlungsempfehlungen“ aufnehmen, weil sie den Innovations-Vorsprung von innovativ, voranschreitenden Unternehmen begünstigen. Amazon z.B. kann ohne jeglichen Zeit-, Kosten- und auch Patent-Druck durch nicht vorhandene „Innovations-Wettbewerber“ gemäß Try& Error die Zukunft des stationären Handels definieren (Alexa, Amazon Go, etc.).

    Stattdessen wären innovative stationäre Konzepte gefragt. Auch wenn lokale Marktplätze (https://goo.gl/wksysi – Local Commerce – Was taugen lokale Online Markplätze wirklich) wohl weniger die General-Lösung für die Problem des stationären Handels sein werden – der Versuch ist in jedem Falle besser als eine Rückbesinnung auf die IFH-Aussage „Attraktiver Einzelhandel und attraktive Innenstädte sind eng miteinander verbunden“ (https://goo.gl/w979zT )
    Auch erschließt sich mir nicht, wie generelle Aussagen über „Innenstadt vs. Internet?“ getroffen werden können, wenn nur „Passanten“ befragt wurden, die „Online-Shopper“ aufgrund Abwesenheit aber nicht.

    Langfristig darf IMHO Jochens Aussage einer möglichen „Innenstadt ohne Handel“ kein „Tabu“ sein und muss offen diskutierbar werden, damit überhaupt der gedankliche Weg zur Findung neuer Geschäftsmodelle für stationäre Händler frei werden kann.

    @Aussagekraft der These & Studien des IFH
    Ich kann nur nochmals die folgende Aussage des IFH aus 2016 zitieren:
    „90 Prozent aller reinen Online-Shops (Pureplayer)werden bis 2020 nicht überleben“
    IFH-Video: „Wir werden natürlich keine Bereinigung sehen, in der Form, dass es weniger Onlinehändler gibt. Wir werden aber dann sicherlich vielleicht einen Shift in den Geschäftsmodellen sehen. WHAT WE SEE IS THE END OF PUREPLAY.“
    Ich hatte damals (https://goo.gl/AhR8CS ) hinsichtlich der IFH-Allokation des Pureplay-Begriffs überspitzt formuliert: „Plötzlich bietet ein Onliner einen Pick-Up-Stations-Service [analog einer Packstation] und schon ist er raus aus der Statistik und die Welt hat einen PurePlay-Onlinehändler weniger [und die ursprüngliche Aussage wird wahrscheinlicher].“

    „Für Butlers & Co. sind Schönwetterbefragungen wie die „Vitalen Innenstädte“ jedenfalls der blanke Hohn.“
    Ja, wobei hier natürlich noch nicht klar ist, wo das Hauptproblem lag. Laut Ingrid Lommer (Internetworld https://goo.gl/6zYGct ) ist Butlers ein Vorzeigemodell für den Multichannel Handel. Zitat: „Zu schaffen machten Butler aber wohl vor allem die hohen Mieten in seinen traditionell in Innenstadt-Lagen platzierten Filialen bei gleichzeitig sinkender Besucherfrequenz.“
    Ohne tiefergehende Interviews und Aussagen zur Insolvenz von Butlers kann aber auch „eine verfehlte Sortimentspolitik“, wie Olaf Kolbrück (https://goo.gl/NX8RVT ) vermutet, eine größer Ursache bei der Insolvenz gespielt haben.

Trackbacks

  1. Butlers: Was können Depot, Christ, P&C und Co. daraus lernen? | Kassenzone
  2. Onlinehandel vs. Einzelhandel? Oder ist die Frage falsch? – Markus Hof
  3. Vitale Innenstädte 2016: Wenn der Wunsch der Vater des Gedankens | LocalCommerce.info

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