Warum DHL nicht stärker in den deutschen Markt investiert

Der Online-Handel boomt („Amazon Deutschland wächst 2016 auf 12,8 Mrd. € (+20%)“). Und Amazon zumindest hat die Geduld verloren („Auf Personalsuche: Wenn sich Amazon sein eigenes DHL schafft“), dass DHL seine Packstationen und andere Lösungen für die letzte Meile (PDF) in dem Maß vorantreibt, wie es der Markt verlangt („Wie sehr hat DHL die E-Commerce-Entwicklung unterschätzt?“). Amazon setzt deshalb auf eigene Abholautomaten („Nach Aldi wird auch dm Teil von Amazons Locker-Offensive“).

„Kunden rund um München, Augsburg, Berlin und in der Ruhrregion können bereits die Amazon Locker auswählen – als eine Lieferoption von mehreren.“

Aus DHL-Sicht ist die Zurückhaltung durchaus verständlich. Denn zum einen brummt das Geschäft auch so. Mit Wachstumsraten von an die 10% eilt DHL im Paketbereich von Rekord zu Rekord. Zudem hat man das Marktwachstum so gering geschätzt, dass man in jedem Fall gut dasteht.

Zum anderen aber, und das ist der weitaus entscheidendere Grund, gibt es für DHL sehr viel lukrativere Segmente als das Geschäft mit der letzten Meile. Die DHL-Investoren goutieren das Engagement nicht, und Post-Chef Frank Appel treibt es jedesmal Schweißperlen auf die Stirn, wenn er den vergleichsweise geringen Ergebnisbeitrag der PeP-Sparte rechtfertigen muss.

Im Wesentlichen wird der Auf- und Ausbau des Paketgeschäfts heute quersubventioniert durch das zwar rückläufige, aber noch vergleichsweise lukrative Briefgeschäft. Das geht allerdings nur bis zu einem gewissen Grad. Und jeder kann sich selber ausmalen, wie DHL seine Renditeziele von >8% EBIT-Wachstum pro Jahr erreichen will/soll, wenn der Konzernfokus noch stärker auf dem PeP- statt auf dem Express-Geschäft läge. Schließlich hinkt man den 8% schon jetzt hinterher.

Trotzdem fragt man sich natürlich, warum der Erfinder der „leading parcel locker solution“ (PDF) nicht willens oder in der Lage ist, die Amazon Locker für Amazon zu betreiben?

Aus Amazon-Sicht macht der Vorstoß und der Aufbau eines eigenen Netzwerks aus Abholautomaten gerade zum jetzigen Zeitpunkt großen Sinn. Denn konnte man vor fünf Jahren noch von drohenden „Engpässen“ sprechen („Packstationen und andere Engpässe für den Online-Handel“), so steuert der Online-Handel in der City-Logistik (welcher City-Logistik?) inzwischen geradewegs auf seinen ersten Kollaps zu (Exchanges #170).

Doch wer seine (Online-)Kunden auch dann noch verlässlich bedienen kann, wenn bei anderen nichts mehr geht, der wird sich das gut bezahlen lassen können („Exchanges #152: Amazons Sinn für smarte Geschäftsmodelle“).

Wohl also denen, die jetzt in smarte Lösungen für die City-Logistik investieren („Exchanges #180: Picnic und die City-Logistik“).

Frühere Beiträge zum Thema:



Kategorien:Amazon

Schlagwörter:

1 Antwort

  1. Das Hauptproblem in D sind die extrem geringen Margen (wenn überhaupt vorhanden) im Standard-Paket-Geschäft. Der deutsche Konsument weigert sich hartnäckig für Versand zu bezahlen und das drückt am Ende die Preise und da sind dann eben keine großen Innovationen mehr drin. Das wird übrigens auch Amazon noch lernen. Eigentlich müsste der durchschnittliche Paketpreis in D mindestens 1,50€ höher liegen und an dieser Stelle würde ich mir eine Preisabsprache der großen Carrier im Interesse der Innovation und der fairen Bezahlung der Zusteller wünschen. Das geht aber leider nicht.

    • Sehe ich anders. Gerade wegen der geringen Marge sollten Investitionen voran getrieben werden, da diese mittelfristig Geld sparen. Denn das teuerste im ganzen Prozess sind langwierige, fehlerhafte oder doppelte Zustellversuche. Durch eine gute App, viele Packstationen/ Annahmestellen, Zustellung an Wunschtagen oder an Wunschorte, Live- Sendungsverfolgung, Verbundzustellung mit Briefen auf dem Land usw. steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Paket beim ersten Versuch problemlos zugestellt werden kann.

      • Ich glaube, da unterschätzt Du den Sparwillen-/Zwang der Paketdienste. DHL z.B. unternimmt schon mal grundsätzlich keinen 2. Zustellversuch, in vielen Fällen noch nicht mal einen ersten. ;-)
        Diese ganze Optimiererei der Routen ist schon soweit fortgeschritten, viel geht da nicht mehr. Ich glaube schon, dass es noch viel Innovation braucht und gibt, um die Zustellung stark zu verbessern. Nur muss das jemand bezahlen. Der deutsche Online-Besteller will es nicht sein und der deutsche Online-Händler hat auch noch nicht ausreichend verstanden, dass gute Paketzustellung zur Kundenzufriedenheit und damit zum eigenen Geschäft beiträgt.

  2. Es geht nicht um die Optimierung der Routen, sondern um das Optimieren der Zustellung. Wenn ich mir ansehe wo da Zeit verloren geht, was auch unterbezahlte Zusteller frustriert und sie bei bestimmten Adressen nicht einmal einen ersten Zustellversuch wagen…

    Da reicht’s ja schon den z. B. DHL Boten bei der Zustellung mal zu beobachten – der Prozess: Paket suchen, dann herausnehmen, nochmal nachsehen ob nicht ein zweites da ist – zum Zustellort laufen – abgeben (klingeln, warten, unterschreiben dauert da manchmal locker ’ne ein bis zwei Minuten. Idealerweise sollte aber der Prozess Tür auf – Paket direkt in der Hand – Tür zu – laufen – abgeben lauten.

    Die (bisherige) Reaktion von Paketversendern ist, Löhne zu drücken (= unzufriedenes Personal, schlechte Außenwirkung bei Skandalen), Risiko an Subunternehmer auslagern, einfach SPAREN. Wobei investieren die richtige Entscheidung wäre. In neue Technologien bei sich selber, um Prozesse stärker zu automatisieren – RFID / Funkverfahren statt Barcodefummelei – oder beim Kunden. Warum Kunden z. B. nicht für „Umrüstungen“ finanziell motiveren, egal ob Bio Hacking oder „die eigene Packstation“ vor der Haustür?

Trackbacks

  1. Der Onlinehandel und die Interface-Explosion, und mehr - K5 2018

Kommentar verfassen

Entdecke mehr von Exciting Commerce

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen