"Die Entwicklung im E-Commerce verlief bisher immer rasanter, als Experten vorhergesagt haben." (Gerry Weber)
Wenn man sieht, wie Online den Handel überrollt und ihm in nur zwei Jahren 9 Mrd. Euro abenehmen konnte, dann fragt man sich unwillkürlich: Wie kann das möglich sein? Und: Wird das jetzt so weitergehen? Wird der Online-Handel also dem stationären Handel in den nächsten 5 Jahren hochgerechnet weitere 20-25 Mrd. Euro abnehmen?
Für einen Plausibilitäts-Check lohnt es sich, einmal fünf Jahre zurückzublicken und sich vor Augen zu führen, wo der sterbende Handel damals stand, Anfang 2008, als Amazon seine erste Umsatzmilliarde bekanntgegeben hat (vgl. die Amazon-Zahlen heute):
- Während die ersten Online-Elektronikversender damals bei 200 Mio. Euro lagen, war Media Markt mit seinen damals 90 Mio. Euro Online-Umsatz gerade wieder offline gegangen. Zu kostspielig.
- Und auch IKEA wollte der damals gerade zweite Online-Anlauf nicht so recht gelingen.
- Buchhändler Thalia öffnete 2008 noch fleissig Filialen und freute sich dann für 2010 über die erste (Offline!-)Milliarde. 2012 wurde diese Marke wieder unterschritten.
- Der Arcandor-Konzern befand sich mit Karstadt und Quelle 2008 in der x-ten Umstrukturierung und suchte händeringend nach einem Käufer für Neckermann
- Und im Otto-Konzern grüßte damals schon jährlich das Murmeltier ("Otto rechnet mit Umsatzeinbußen für 2007/08")
Der Handel, und hier speziell die Katalogversender, litt also schon damals extrem. Doch so sehr er auch litt: Wer hätte Anfang 2008 allen Ernstes für möglich gehalten, dass sich binnen fünf Jahren sowohl Quelle als auch Neckermann (komplett!) in Luft auflösen oder dass auch ein Schlecker komplett von der Bildfläche verschwindet?
Wenn es dem Handel den Boden unter den Füßen wegzieht
Das heutige Wissen einbezogen, kann man sich nun überlegen, wie es wohl weitergeht und wie der Markt 2017/18 aussieht:
- Wenn schon führende Buchhändler davon ausgehen, dass die Hälfte der Buchläden überflüssig sind, dann dürfte das ein Mindestwert sein. Die Frage ist hier eigentlich nur noch, wer zuerst die Segel streicht – Thalia oder Weltbild/Hugendubel bzw. wann beide zusammengehen? (Zur Erinnerung: Deutschland hatte auch einmal einen florierenden Musikfachhandel).
- Bei Media Saturn, gerade noch ein Stückchen enger zusammengerückt, dürfte in fünf Jahren nur noch eine der beiden Offline-Marken übrig sein. Die andere wird ggf. mit/statt Redcoon als reines Online-Konzept fortgeführt, das Filialnetz wird wie das des gesamten Elektronikhandels entsprechend ausgedünnt.
- Die überregionalen Warenhäuser von Kaufhof und Karstadt kämpfen schon seit längerem um ihre Existenzberichtigung und werden, wenn nicht gegen den Online-Handel, dann gegen die innerstädtischen Shoppingcenter verlieren.
- Für die Ü60-Versender der Otto-Gruppe bahnt sich der Showdown für 2014 an, wenn nach den Quelle- auch die Neckermann-Effekte endgültig verpuffen.
- Jenseits der direkten Pleitekandidaten klagen heute schon viele weitere Handelshäuser über rückläufige Umsätze. Entsprechend werden sich über alle Branchen hinweg die traditionellen Handelsfilialen weiter ausdünnen.
- Hinzu kommt, dass der Direktvertrieb für Marken/Hersteller keinen Tabubruch mehr darstellt und traditionelle Handelsmodelle so zudem überflüssig werden.
Jetzt kann man hochrechnen, welche Umsatzanteile dem stationären Handel in den nächsten Jahren verloren gehen, wieviele zugunsten des Online-Handels, wieviele zugunsten von Marken und vertikalen Anbietern wegbrechen, wie sich die Marktanteile verschieben werden bzw. wer was auffangen kann.
Wie sieht das Weihnachtsgeschäft des Handels 2017/18 aus?
Man kann es sich aber auch ganz einfach machen und sich einfach nur mal fragen: Werden die Menschen in fünf Jahren noch wie all die Jahrzehnte zuvor fürs Weihnachtsgeschäft in die Innenstädte pilgern? Bzw. was haben die Einzelhändler dort dem Online-Handel 2017/18 in der für viele umsatzstärksten Zeit des Jahres entgegenzusetzen?
Aus unserer Sicht ist der Online-Handel mit dem Jahr 2011 in eine neue (Wachstums-)Phase eingetreten (siehe Chart). Wir halten daher 20 bis 25 Mrd. Euro Online-Wachstum für die kommenden fünf Jahre für durchaus realistisch und werden unsere Markt- und Wachstumsprognosen für den Online-Handel entsprechend radikal anheben.