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Wie gefährlich sind die Thesen des ECC/Instituts für Handelsforschung für die Branche?

Zum großen Leidwesen für die Branche und ihre Entwicklung wird die öffentliche Meinung im Online-Handel immer noch einseitig geprägt von den reaktionären Kräften (Handelsverbände sowie Organisationen und Institutionen des alten Handels). Diesen eingeschränkten Blick und die damit einhergehende Rückwärtsgewandtheit prangern wir von Beginn an an.

Klar haben auch Exciting Commerce, Kassenzone und Carpathia (für die Schweiz) mittlerweile viele Leser. Natürlich melden sich neben Gerrit Heinemann, Kai Hudetz und den Verbandsvertretern auch Johannes Altmann, Peter Höschl oder Marcus Diekmann regelmäßig zu Wort. Doch dringen progressivere Online-Verfechter und ausgewogenere Stimmen der E-Commerce-Branche in der breiteren, öffentlichen Wahrnehmung kaum durch.

So konnte die Hudetzifizierung der Branche in den letzten Jahren absurde Dimensionen annehmen, so absurd, dass sich mittlerweile selbst gemäßigte und zumeist auf Ausgleich bedachte Stimmen nicht mehr zurückhalten können und auf die Auswirkungen und auf die Gefahren hinweisen („Die Weltuntergangspropheten des E-Commerce“):

„Jetzt mal ganz ehrlich – wenn der ECC diese These aufstellt, ist das eine Sache. Wenn andere – aus welchen Gründen auch immer – auf diese These verweisen, ist das auch eine Sache.

Wenn jetzt aber Lolek und Bolek, Hinz und Kunz dies als ihre Weisheit verkaufen, wird es für mein Empfinden gefährlich.

Denn dann scheint dieses spekulative, mögliche Szenario wieder einmal zur unumstößlichen Wahrheit zu werden. Genauso wie die angebliche uneinholbare Übermacht Amazons.“

Siehe auch Einspruch: Amazon wird schon bald 100% Marktanteil in Deutschland haben!

Dabei geht es gar nicht darum, dass das ECC/Institut für Handelsforschung seine zweifelhaften Thesen und vermeintlichen Erfolgsrezepte nicht verbreiten dürfte („90 % der reinen Online-Händler werden nicht überleben„).

Wichtig ist nur herauszustellen, dass es sich beim Institut für Handelsforschung genauso wenig um eine unabhängige und marktneutrale Instanz handelt wie beim bevh, beim HDE oder anderen Branchenorganisationen.

Das IFH Köln sieht sich als Diener des alten Handels, müht sich in seiner Rolle redlich, hat aber alleine dadurch eine entsprechend beschränkte Sicht auf die Dinge. Schon bei Quelle und Neckermann hat man sich grob verschätzt und seitdem leider wenig dazugelernt.

Beim Tengelmann eDay kann man jedes Jahr gut verfolgen, wie weit das „Institut für Handelsforschung“ in seinen Brancheneinschätzungen den tatsächlichen Online-Entwicklungen hinterherhinkt.

Fast kann man froh sein, dass man mittlerweile schon zu Amazon vorgedrungen ist. Doch von der Online-Vielfalt, der Fülle der Geschäftsmodelle, von den mobilen Entwicklungen, etc. ist in der IFH-Welt noch nichts angekommen. Selbst das neue Zalando nicht.

Erfreulicherweise jedoch ist der eDay so gestaltet, dass viele der IFH-Thesen und -Einschätzungen im folgenden relativiert werden. Siehe Globaler denn je: Das war der Tengelmann eDay 2016 und Zuversichtlicher denn je: Das war der Tengelmann eDay 2015.

Leider ist dies bei vielen anderen Veranstaltungen nicht gegeben. Und alleine das IFH Köln verbreitet seine Thesen auf über 200 Veranstaltungen im Jahr. Die mediale Omni-Präsenz noch nicht eingerechnet.

Im Grunde jedoch muss sich jeder Veranstalter und jede Publikation selber überlegen, ob und wieviel Raum sie den reaktionären Kräften der Handelsbranche einräumt, ob sie der IFH/HDE/EHI-Linie uneingeschränkt folgt und oder ob sie nicht besser für ein ausgewogeneres Meinungsspektrum sorgen will.

Denn auch wenn gerade viele – mal mehr, mal weniger fundiert – versuchen, Zukunftsszenarien für die Branche zu entwickeln. Die Wahrheit hat niemand gepachtet. Und natürlich kann man über die Zukunft des Handels trefflich streiten („Brand Eins: Wenn sich zwei über den Handel von morgen streiten„).

Mehr zum Thema auch in den Exchanges #111 („Professionalisierungssprünge im Online-Handel„), in den Exchanges #124 („Mythos Amazon„) und in den Exchanges #106 („Die unsichtbaren Händler„).

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