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Otto-Bilanz 2010: Die Vergangenheit ist es, die zur Belastung wird

Der Otto-Konzern hat ein fulminantes Geschäftsjahr hingelegt, die Handelsumsätze kräftig gesteigert und eine Reihe von guten Zukunftsinitiativen gestartet. Das war die Bilanz der Pressekonferenz in dieser Woche. Dagegen ist erst einmal nichts zu sagen. Und deswegen enden hier auch alle Berichte.

Doch die Zukunft ist nicht Ottos Problem, zumindest nicht das dringlichste. Die Vergangenheit ist es, die zur Belastung wird. Und hierfür hat der Otto-Konzern leider auch dieses Jahr wieder keine Lösung geliefert. Man versucht sich weiter, mit einer Restrukturierung nach der anderen über die Runden zu retten. Aber wird das reichen?

Denn das Unternehmensergebnis gerettet hat im abgelaufenen Geschäftsjahr der Finanz- und der Dienstleistungssektor, die beide nur 12% am Gesamtumsatz ausmachen. Die Umsatzzuwächse im Handelsgeschäft waren in Zalando-Manier erkauft mit aufwändigen Marketingmaßnahmen (s. Geschäftsbericht, S. 111):

"Im Segment Multichannel-Einzelhandel wurde im abgelaufenen Geschäftsjahr ein Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) von – 93,4 Mio. EUR nach – 18,8 Mio. EUR im Vorjahr erzielt. 

Um 119,1 Mio. EUR gestiegene Umsätze, der gesunkene Saldo aus betrieblichen Erträgen und Aufwendungen (- 122,7 Mio. EUR) sowie ein gesunkenes Beteiligungsergebnis (- 45,1 Mio. EUR) führten trotz niedrigerer Abschreibungen (+ 33,2 Mio. EUR) zu dem um 74,6 Mio. EUR geringeren EBIT von – 93,4 Mio. EUR.

Der Anstieg der sonstigen betrieblichen Aufwendungen resultiert überwiegend aus verstärkten Werbemaßnahmen im Rahmen von „Happy Sixty“, dem Anstieg von umsatzabhängigen Kosten, wie beispielsweise Versandkosten, sowie Zusatzbelastungen aus Restrukturierungen in Großbritannien und Frankreich."

Was der Otto-Konzern gerade macht, erinnert fatal an Arcandor. Wir erinnert sich noch an die "halbe Sachen"-Strategie von Arcandor – 50% Online, 50% im Spezialversand, 50% im Ausland? Wie sich die Entwicklungen gleichen:

Auch Arcandor hat unter Thomas Middelhoff kräftig in die Zukunft und ins Ausland investiert und wollte bzw. konnte in den Kerngeschäften am Heimatmarkt keinen Ballast abwerfen. Irgendwann erfolgte der Notverkauf von Neckermann. Wenig später implodierte der Rest, weil an die Wurzel des Übels niemand ran wollte.

Radikale Schnitte passen nicht zur Firmenphilosophie von Otto. Aber ist es unter "Corporate Social Responsibility" Gesichtspunkten fair, den eigenen Mitarbeitern eine heile Welt vorzuspiegeln, wenn spätestens jetzt harte Schnitte gefragt wären? Genau dieses verantwortungsbewusste Verhalten vermisst man auf Schönwetterveranstaltungen wie diese Woche auf der Bilanzpressekonferenz in Hamburg. Und die Mitarbeiter fallen später aus allen Wolken.

Momentan wird speziell die Hauptmarke Otto, die wie Quelle bei Arcandor mit die wenigsten Überlebenschancen hat, über Gebühr strapaziert und im Konzern auf Kosten der anderen Otto-Versender aufs Geht-nicht-mehr verbogen und gepusht. Da wird allen Ernstes versucht, Otto in der ProSieben- und RTL2-Zielgruppe in der Model-WG, etc. zu promoten.

Wo steht die Otto-Gruppe in fünf Jahren?

Einige sehen Beiträge wie diese als frevelhaft und anmaßend. Aus meiner Sicht beschreiben sie die andere Seite der Realität und in dem Fall, die zukunftsentscheidendere Seite. Denn es geht um die Überlebensfrage des Konzerns.

Wenn der Otto-Konzern so weitermacht wie bisher, dann lesen wir in fünf Jahren im Geschäftsbericht folgende Aussagen (Achtung: Satire!):

Der Otto-Konzern könnte als seriöses und professionell geführtes Unternehmen die rosigsten Zukunftsaussichten haben, wenn es endlich aufhören würde, sich so pseudo-innovativ zu geben (Umair Hague nennt das gern "Unnovation") und statt mit iPads zu wedeln, sich auf seine wirkliche(!) Kernkompetenz besinnen würde und dort an echten Innovationen arbeiten würde anstatt immer nur den letzten Trends hinterherzuhecheln.

Wer sich zu den führenden Internetversendern zählt, der sollte es in 15 Jahren Internet geschafft haben, wenigstens einen prägenden Trend zu setzen. Doch anstatt mit der hauseigenen Kompetenz neue Felder zu erschließen und Märkte neu zu definieren, hat sich Otto diese fatale "Best in Class" Denke angewöhnt, mit der man nur schwer über den eigenen Tellerrand blicken kann und die man am besten erreicht, wenn man nur oft genug sitzenbleibt.

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