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Groupon IPO: Erkenntnisse aus den Geschäftsunterlagen

Inzwischen waren ein paar Tage Zeit, um sich die Geschäftsunterlagen, die Groupon im Rahmen seines angekündigten Börsengangs veröffentlicht hat, zu Gemüte zu führen und sich ein Bild zu machen von den Kennzahlen, dem Geschäftsmodell und der Geschäftsstrategie von Groupon.

Was erlauben Groupon?!

Groupon sieht sich derzeit einer Welle der Empörung ausgesetzt: Wie kann sich ein Unternehmen mit einer derartig roten Bilanz erdreisten, überhaupt nur an einen Börsengang zu denken?! Man übersieht dabei gerne:

Groupon kommuniziert in den Börsenunterlagen klar die Risiken. Es verdeutlicht, dass es sich nach einem soliden ersten Quartal 2010, in dem es die Profitabilitätsschwelle erreicht hatte und damit in den ersten 15 Monaten eine Art von Proof of Concept erbracht hatte, im zweiten Quartal 2010 für einen aggressiven Wachstumskurs entschieden hat.

Die damit verbundenen Marketing- und Vertriebsaufwendungen sowie die durchaus kostspielige Citydeal-Übernahme führten zu tiefroten Zahlen in der Bilanz, die ebenso erklär- wie nachvollziehbar sind.

Wieviel Substanz hat das Geschäftsmodell von Groupon?

Sieht man von dieser strategischen Entscheidung einmal ab, die risikobehaftet ist und vielen nicht behagt, so kann man sich trotzdem ein Bild vom zugrundeliegenden Geschäftsmodell machen.

Denn der Erfolg des Groupon-Modells wird sich im Wesentlichen in den kleinsten Einheiten, vor Ort, entscheiden, also in den lokalen Märkten von Chicago bis London, von Boston bis Berlin. Wenn Groupon dort nachhaltige Erfolge erzielt, dann lassen sich diese Erfahrungswerte auf die anderen Märkte übertragen, so das Kalkül.

Entsprechend stellt Groupon die Zahlen für ausgewählte lokale Märkte als "Case Studies" für Chicago, Boston, London und Berlin zur Verfügung. Allerdings sind auch diese Zahlen durch wachstumsbedingte Sondereffekte verwässert. Letztlich lässt sich daraus nur grob ableiten, dass sich der zu erwartende Jahresumsatz pro Nutzer in den USA wohl bei 100 Dollar pro Kunde bzw. bei 30 bis 35 Dollar pro Abonnent eingependelt hat.

Manche versuchen nun, aus den veröffentlichten Zahlen direkte Aussagen über die aktuelle Geschäftsentwicklung abzuleiten, was aber zum einen unseriös ist, weil nicht alle notwendigen Informationen vorliegen, und zum anderen schon allein deshalb scheitern muss, weil Groupon zuletzt gerade in diesen (reiferen) Märkten eine Reihe von neuen Initiativen gestartet hat, die die Zahlen verwässern.

Deshalb wird in den Kommentaren solcher Beiträge zurecht angemerkt, dass aussagekräftige Einschätzungen so nicht möglich sind. Liefern würde sie nur eine Kohortenanalyse, die die Entwicklung bestimmter Kundenkohorten über einen längeren Zeitraum verfolgt.

Wie entwickeln sich die neuen Abonnenten im Zeitverlauf?

Groupon geht im Abschnitt "Subscriber Economics" darauf ein und liefert eine Kohortenanalyse beispielhaft für die US-amerikanischen Abonnenten des 2. Quartals 2010. Groupon stellt die Marketingaufwendungen für diese Kohorte den von diesen Abonnenten in den folgenden 12 Monaten erzielten Umsatzerlösen gegenüber:

"To demonstrate the economics of our business model, we have compared the revenue and gross profit generated from the North American subscribers we acquired in the second quarter of 2010, which we refer to as our Q2 2010 cohort, to the online marketing expenses incurred to acquire such subscribers.

The Q2 2010 cohort is illustrative of trends we have seen among our North American subscriber base. The Q2 2010 cohort included 3.7 million subscribers that we initially spent $18.0 million in online marketing to acquire in the second quarter of 2010.

In that quarter, we generated $29.8 million in revenue and $12.8 million in gross profit from the sale of approximately 1.2 million Groupons to these subscribers.

Through March 31, 2011, we generated an aggregate of $145.3 million in revenue and $61.7 million in gross profit from the sale of approximately 6.3 million Groupons to the Q2 2010 cohort.

In summary, we spent $18.0 million in online marketing expense to acquire subscribers in the Q2 2010 cohort and generated $61.7 million in gross profit from this group of subscribers over four quarters."

Groupon zahlte also in Q2/2010 für jeden (US-)Neuabonnenten im Schnitt knapp $5 und erzielte damit Umsatzerlöse von knapp $40 Dollar in den darauf folgenden 12 Monaten.

Groupon kann sein operatives Geschäft aus dem Cashflow finanzieren

Der positive Cashflow ist das, was Investoren am Groupon-Modell von Beginn an am meisten fasziniert hat. Groupon stellt in den Unterlagen dar, wie es seit 2009 cashflow-positiv ist und wie es mit einem positiven Cashflow von 87 Mio. Dollar (bei Umsätzen von 713 Mio. Dollar, 2010), sein operatives Geschäft bei einem moderaten Wachstum aus den laufenden Einnahmen finanzieren kann/könnte:

Groupon trägt sich also operativ mehr als selbst. Alles, was Groupon zuletzt an VC-Geld aufgenommen hat, wurde in die Neukundengewinnung und in Übernahmen gesteckt.

Ob man sich aus strategischen Gründen Wachstum kaufen kann/soll, kann man natürlich diskutieren, das Geschäftsmodell bleibt davon aber im Kern unberührt.

Fazit: Noch kann sich der Marktführer gut behaupten

Man muss Groupon nicht lieben, um dem Geschäftsmodell Respekt zu zollen. Wenn man vom extremen Wachstumskurs einmal absieht, dann erfüllt Groupon genau die Ansprüche eines soliden Geschäftsmodells. Groupon muss es schaffen, auf Dauer attraktive Deals zu sichern und Händler und Kunden damit dauerhaft an sich zu binden.

Ob dies gelingen kann, lässt sich derzeit noch schwer sagen. Dafür ist Groupon noch nicht lange genug am Markt. Aber die Kennzahlen in den lokalen Märkte weisen derzeit nicht darauf hin, dass Groupon dies nicht in den Griff bekommen könnte.

Wichtiger als die Entwicklungen der Abonnentenzahlen wird auf Dauer die Entwicklung der Kunden sein. Hier punkten vor allem London und Berlin, die zwar in der Abonnentenausschöpfung sehr schwach sind, aber im ersten Jahr in der Kundenausschöpfung noch weit über den US-Metropolen Chicago und Boston liegen.

Nicht berücksichtigt sind in diesen Einschätzungen die zusätzlichen Potenziale, die sich Groupon durch neuere Initiativen wie Groupon Deals, Groupon Now!, etc. eröffnet. Wobei man diese Entwicklungen durchaus kritisch betrachten muss/kann, da sie auch den gegenteiligen Effekt haben können und den Kaufdruck auf die regulären Groupon-Aktionen deutlich reduzieren könnten.

Über 400 Groupon City-Planner optimieren das Geschäft

Was mich persönlich fasziniert hat, ist zu sehen, dass Groupon schon heute über 400 City-Planner beschäftigt, die das Geschäft vor Ort optimieren und denen bisher im Gegensatz zum Vertrieb und zur Redaktion wenig Aufmerksamkeit zuteil wurde.

Da ich in meiner Zeit beim Shoppingsender HSE24 wertvolle Erfahrungen beim Aufbau der Planungs- und Analysebereiche sowie der entsprechenden Kennzahlensysteme sammeln konnte und diese Kernbereiche später auch leiten durfte, finde ich es spannend zu sehen, wie Groupon in der Feinoptimierung auf ähnliche Strukturen/Modelle setzt, wie sie sich in der Programm- und Produktoptimierung im Teleshopping oder in der Optimierung der Verkaufskampagnen bei den Shoppingclubs bewährt haben:

"Our city planners identify merchant leads and manage deal scheduling to maximize deal quality and variety within our markets.

In identifying leads, city planners rank local merchants based on reviews, local feedback and other data.

In certain cases, city planners submit requests to merchant services representatives for certain deals based on a scoring system that considers past performance of similar deals, quality of merchant reviews, number of redemption locations and the zip code of the merchant.

In scheduling deals, city planners review deals in our merchant pool and determine which deals to offer based on the viability of the deal as well as gross profit and marketing goals.

City planners also work with our salesforce to establish sales quotas based on subcategory-level performance in a particular city, such as addressable market size and scheduling diversity.

As of March 31, 2011, we employed 410 city planners."

Gerade solche für die operative Steuerung des Geschäfts so wichtige Aspekte zeigen, dass Groupon inzwischen auch hier einen hohen Professionalisierungsgrad erreicht hat.

Die Bedeutung von CityDeal für das Wachstum von Groupon

Nach der Lektüre der Unterlagen wird deutlich, dass es sich bei CityDeal weniger um einen Exit als um einen Einstieg handelte und die Samwers einen nicht unerheblichen Einfluss auf die internationale Strategie, die Neukundenakquise und die Entwicklung neuer Groupon-Märkte haben.

In den Unterlagen findet sich auch der (fortgeschriebene) Geschäftsbericht für CityDeal, inklusive aller Finanzierungsrunden.

Überraschend ist auch, wie im Vergleich zu Citydeal günstig Groupon sich in lokale Märkte, zum Beispiel in Japan, einkaufen konnte, wo weniger die Kundenzahl als die Kompetenz des lokalen Managementteams den Ausschlag gab. Es scheint für viele dann doch verlockender zu sein, sich dem Marktführer anzuschließen als das Geschäft aus eigener Kraft zu stemmen.

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