Wie lange darf ein Unternehmen in Lean Startup Zeiten brauchen, um sein Geschäftsmodell zu testen und am Markt auszurichten? MyHammer hat sich ungewöhnlich viel Zeit gelassen – und sein Auktionsmodell dann diese Woche doch für gescheitert erklärt:
"Wir sehen uns in Zukunft als Branchenbuch 2.0." Die Auktionsformen
würden bis Ende des Jahres eingestellt.Damit reagiere das Unternehmen
auf die Entwicklung der vergangenen Jahre: Im April legte es im fünften
Jahr in Folge rote Zahlen vor. Die Aktie fiel in diesem Zeitraum von
mehr als vier Euro unter die Ein-Euro-Marke."
Sehr informativ ist in dem Kontext auch der Wikipedia-Beitrag zum Thema Auftragsauktionen und die Situation von MyHammer & Co. in Deutschland. Mehr zum Unternehmen auch auf der Investorenseite. Im Halbjahresbericht (PDF), der im August veröffentlicht wurde, war von einem Aus für die Auktionen noch keine Rede.
Generell scheinen Online-Auktionen im E-Commerce derzeit einen schweren Stand zu haben. Es gibt aber auch spannende neue Versuche. In der ersten Ausgabe von Exchanges haben wir uns diese Woche u.a. über Auctionata unterhalten.
Wer sich für das Für und Wider auktionsbasierter Geschäftsmodelle interessiert, dem sei auch die Story von Priceline ans Herz gelegt: "Since becoming CEO in 2002, Boyd has turned this former poster child
of the dotcom bust into one of the great e-commerce success stories."
- Exchanges #001: Verrückte Startup-Gründer
- Auctionata bringt vorab schon mal seinen Shop online
- VIP Art Fair: Was der E-Commerce vom Kunsthandel lernen kann
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Wenn ich mir so das Portfolio von Holtzbrinck Digital und deren Jahresabschlüsse (bspw. Tutoria, Gutefrage, VZ, epubli oder Parship) anschaue, dann ist MyHammer eher die Spitze des Eisbergs…
Das ist ein Hammer. Um mal in die Wortspielhölle abzutauchen.
Zugegeben habe ich mich mit Geschäftsmodell und Unternehmen nie wirklich beschäftigt, von einer eingestellten Auktion und dem anschließend erteiltem Auftrag zur Parkettverlegung mal abgesehen.
Aber wo schreibe ich jetzt den Auftrag für den Terrassenanbau im nächsten Frühjahr aus?
Schade, dass dieses Posting auch nicht den Hauch einer Info gibrt, WORAN MyHammer gescheitert ist. Auch der Link zu Wikipedia bringt da nichts, denn da heißt es:
“Der Trend der Auktionshäuser zeigt, dass diese mit immer größerer Beliebtheit angenommen werden und auch die Qualität der Dienstleister steigt,”
?
Über die Ursachen kann man allenfalls spekulieren. Eine wirklich gute Begründung liefert MyHammer nicht, außer der im Beitrag zitierten Interviewaussage, die auch in der ausführlichen Fassung nicht viel mehr hergibt: „Wir befinden uns bereits seit einigen Jahren im Wandel, weg von den Rückwärtsauktionen hin zur hochwertigen Handwerkerplattform“
http://www.noz.de/deutschland-und-welt/wirtschaft/66952824/handwerker-website-my-hammer-gibt-auktionsmodell-auf
Der Grund dürfte aber wohl einfach darin liegen, dass es für Seiten wie MyHammer weitaus lukrativere Geschäftsmodelle gibt als die vergleichsweise komplexen Auktionsmodelle. Mit einem Gelbe-Seiten-Modell und simplen Einträgen in ein Branchenverzeichnis lässt sich aus MyHammer-Sicht einfach mehr Geld machen. Verwunderlich ist ja deshalb eher, dass MyHammer so lange an den Auktionen festgehalten hat. Qype und andere “Branchenverzeichnisse 2.0” zeigen ja nun schon eine ganze Weile, wo der (Umsatz-)Hammer hängt.
Naja, Qype mit seinen 20 Mio. € Verlustvortrag zeigt eher, wo der Verlusthammer hängt :-)
Kommt ganz darauf an, wie hoch der Verlustvortrag bei MyHammer ist ;-) Qype hat auch lange nach einer guten Erlösquelle gesucht.
Wir haben unser Geschäftsmodell nicht für gescheitert erklärt, sondern entwickeln es stetig weiter. Rückwärtsauktionen gibt es bei MyHammer übrigens schon seit 2006 nicht mehr. http://news.myhammer.de/myhammer-in-den-medien/021980-nachrichtenagenturen-dapd-und-dpa-berichten-uber-myhammer.html
Danke für den Verweis auf die ausführlichen Erläuterungen, die man sich im Presse- und/oder IR-Bereich gewünscht hätte, die aber so auf der Homepage zwischen all den anderen Blogbeiträgen wirklich gut versteckt waren.
Die “Rückwärtsauktionen” waren ein direktes Interview-Zitat des Geschäftsführers.
Unterm Strich hat das neue MyHammer mit dem alten nicht mehr viel gemein – und das bestätigt ja auch der Pressetext:
“Und jetzt? MyHammer goes „Branchenbuch 2.0“!
Derzeit arbeiten wir daran, den Kontakt zwischen Auftraggebern und Handwerkern zu vereinfachen, indem wir den Marktplatz (Ausschreibung einstellen und auf Angebote warten) in den Hintergrund rücken und dafür das MyHammer Branchenbuch dem Besucher als erste Möglichkeit anbieten.
Das Ziel ist, MyHammer als Internet-Branchenbuch für Handwerker zu etablieren.”
http://news.myhammer.de/myhammer-in-den-medien/021980-nachrichtenagenturen-dapd-und-dpa-berichten-uber-myhammer.html
Lesenswertes zur Geschäftsmodelldebatte dazu jetzt auch in der Kassenzone:
http://www.kassenzone.de/2012/10/08/myhammer-de-es-war-eine-schone-zeit-mit-euch/
Die Erläuterungen hatten wir vor einer Woche in unseren Blog gestellt – als Reaktion auf die Meldungen der Neuen Osnabrücker Zeitung sowie der Nachrichtenagenturen dapd und dpa. Das war am 1. Oktober, daher ist der Text inzwischen runtergerutscht. Damit es wieder obensteht, haben wir aufgrund der erneut entflammten Diskussion um das MyHammer Geschäftsmodell unsere Sicht der Dinge noch einmal dargestellt, nachzulesen jetzt im MyHammer Blog: http://news.myhammer.de/myhammer-in-den-medien/022098-ist-das-myhammer-geschaftsmodell-gescheitert.html
PS: Den Hinweis, dass unser Unternehmensblog offensichtlich (fälschlicherweise) nicht als “Pressebereich” wahrgenommen wird, nehmen wir auf und werden uns anschauen, ob man es nicht noch offensichtlicher darstellen oder verlinken kann. Danke für den Tipp.
@Jochen
Habe selten einen so schlecht recherchierten Artikel gelesen, der lediglich aus aus dem Zusammenhang gerissenen Aussagen besteht, uiuiui.
Alle Quellen sind angegeben. Und dass MyHammer es nicht Scheitern nennt, sondern Weiterentwicklung/Neuausrichtung, ist PR-seitig nachvollziehbar.
@ Jochen
Es geht nicht darum dass die Quellen fehlen, sondern dass die Aussagen des Artikels nicht zu den Fakten aus diesen Quellen passt. Auktionen gibt es bei denen schon seit Jahren nicht mehr, wie kann dies jetzt als gescheitert tituliert werden? Man merkt dass der Verfasser des Artikels ein paar Wörter aufgeschnappt hat und daraus etwas gemixt hat, ohne sich die Mühe zu machen zu verifzieren was er da geschrieben hat. Das ist nun mal keine besondere Leistung und ganz einfach schlecht recherchiert.
“Die Auktionsformen würden bis Ende des Jahres eingestellt.”
So steht es in der Quelle – und genau so ist es wiedergegeben. Exciting Commerce ist kein Faktencheck-Blog und legt eben deshalb seine Quellen offen.
Der Beitrag liefert Denkanstöße, um über Geschäftsmodelle nachzudenken – wie in der Einleitungsfrage geschrieben:
“Wie lange darf ein Unternehmen in Lean Startup Zeiten brauchen, um sein Geschäftsmodell zu testen und am Markt auszurichten?”
Wer Lust hat, kann sich an der Debatte beteiligen, warum MyHammer mit seinem ursprünglichen Modell gescheitert ist, und warum sich Auktionsmodelle in diesem Segment so schwer tun. Priceline ist ein anderes gutes Beispiel.
Alex @Kassenzone und andere haben dies getan http://rivva.de/178579341
Am Ende sind wir hoffentlich alle ein bisschen schlauer. Und wissen dank der aktiven Beteiligung der MyHammer-PR zudem noch, wer welche “Fakten” “falsch” “kolportiert” hat.
Ich möchte hier kurz zum einleitenden Satz des Artikels zurückkommen. “Wie lange darf ein Unternehmen in Lean Startup Zeiten brauchen, um sein Geschäftsmodell zu testen und am Markt auszurichten?”
Der BWLer würde in diesem Falle darauf antworten: “Kommt darauf an”… Aber auf was?
1) Geschäftsmodell
Zunächst sollte man sich das Geschäftsmodell ansehen. MyHammer hat sich für einen Multisided Market entschieden, das bedeutet, dass mindestens zwei Parteien notwendig sind, um ein Produkt/ einen Service (hier: Vermittlung) anbieten zu können. Je mehr Parteien involviert sind, desto länger dauert es beide Seiten zusammen zu bringen. Ganz einfach!
2) Entwicklungsprozess
Der Arbeitsprozess spielt eine gewichtige Rolle. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass sehr viele Startups keinen strukturierten Gründungsprozess definiert haben, wenn überhaupt, dann nur im Bereich der Produktentwicklung (Coding, coding, coding, launch) – das klassische Waterfall Development. Dabei wäre Agile die Methodik der Wahl für ein Lean Startup.
Vielen fangen einfach an mit der Einstellung: “Ach ja, jetzt machen wir mal, wie wir das Problem für uns selbst lösen würden. Da wird es schon noch ein paar geben, die auch das Problem haben. Die können dann unser Produkt/unseren Service nutzen!”
Viele Startups denken, sie wären LEAN, sind es einfach aber nicht, weil dazu noch eine andere Betrachtungsweise kommt – die von Seiten des Kunden (Marketing). Hinter einem Lean Startup steckt eine Management-Methodik, die es erst seit kurzem gibt und die in Deutschland bei diversen Institutionen noch nicht einmal angekommen ist. (Universitäten, Wirtschaftskammern, Banken). Nur die Kombination aus Customer Development und Agile Development kommen für ein Lean Startup in Frage. (Details unter http://www.runninglean.de)
Woher sollen deutsche Gründer sie kennen, wenn sie nicht unbedingt einen direkten Draht zu den Initiatoren in den USA haben?
3) Lernprozess
Viele verwechseln Startup immer noch mit Unternehmen. Ein Startup ist kein Unternehmen! Es ist keine kleine Version eines Unternehmens! Es hat keine Kunden, keine Problemlösung (nur die Gründervision), kein Geschäftsmodell. Daher kann es auch nicht so agieren wie ein Unternehmen.
Unternehmen sind darauf ausgelegt, Pläne umzusetzen. Startups haben noch keinen Plan, müssen sie auch noch nicht; sie sind noch auf der Suche nach einem wiederholbaren, skalierbaren und profitablen Geschäftsmodell, das letztlich in einem Businessplan zusammengefasst werden kann. Und das kann dauern.
Diese Suche ist gespickt mit Misserfolgen, die ein Startup aber braucht, um ihre Kunden kennenzulernen, deren Probleme zu verstehen und adäquate Lösungen zu entwickeln, die von Anfang auch akzeptiert werden.
LERNEN steht in keinem Businessplan, ist dafür auch nicht vorgesehen. Jeder will möglichst schnell umsetzen und Erfolge vorzeigen können und zum nächsten Mark Zuckerberg werden. Dabei haben die wenigsten verstanden, was Startup bedeutet: Von Misserfolg zu Misserfolg – der Erfolg ist das, was übrig bleibt! (Und dann kann man einen Businessplan schreiben, der auch wirklich funktioniert.)
4) Markt/Kunden
Wir dürfen nicht vergessen: Das Internet ist im historischen Kontext ein sehr junger Kanal, der es ermöglicht, virtuelle Lösungen zu distribuieren. Man denke nur mal an Apps für Smartphones. Alles, was sich virtualisieren lässt, kann über das Internet verteilt werden. Das ist vergleichsweise neu. Und immer, wenn etwas neu ist, ist es nicht Mainstream.
Es gibt kundenseitig kaum jemanden, der es gelernt hat, z.B. Handwerksleistungen auf einer Internet-Website zu beschreiben, um auszudrücken, was getan werden muss. Ein Handwerker schaut sich im besten Fall die “Probleme” vor Ort an, um ein seriöses Angebot zu unterbreiten. Man muss sich vorstellen, dass es – wie beim Gebrauchtwagenkauf in Zeitungen – keine Art “Kleinanzeigenmarkt für Handwerkerleistungen” gegeben hat. Da gab es höchstens mal eine Werbeschaltung von den Handwerkern. Wie hätten sich die Beteiligten daran gewöhnen können, wie eine Vermittlung stattfindet? (Aus diesem Grund funktioniert auch der Gebrauchtwagenhandel und die Partnervermittlung im Internet).
Will heißen: Die Zeit, um dem breiten Markt das Thema “Vermittlung von Handwerksdienstleistungen” geschweige denn “Versteigerung von Handwerksdienstleistungen” nahe zu bringen, ist um einiges länger.
Zusammengefasst: Nach meiner Einschätzung hat MyHammer bereits zu Anfang den Fehler gemacht, nie mit potenziellen Kunden gesprochen zu haben – weder mit einem Handwerker, noch mit einem Endkunden. Bis diese wirklich aktiv involviert wurden (wenn überhaupt), musste man mehrere Weichenstellungen vornehmen, um annähernd dorthin zu gelangen, wo man nun steht. Diesen Leidensweg geht kein Lean Startup: Es hat bereits frühzeitig einen Kurswechsel eingeleitet oder ist zu der Erkenntnis gekommen, dass es keinen Markt dafür gibt. Beides ist nach der Running Lean-Methodik erfolgreich, denn es wurden keine Ressourcen wie Zeit und Geld verbrannt.