"Riesige Amazon-Umsätze überraschen Analysten" (Die Welt u.a., 5.2.2013)
Die offiziellen Amazon-Zahlen für den deutschen Markt schocken nicht nur die Handelsbranche. Und allenthalben fragt man sich: Wie kann es zu Abweichungen von bis zu 65% kommen? Und warum setzt man überhaupt Zahlen in die Welt, die so fernab der Realität sind?
Inzwischen gibt es zu den Fehleinschätzungen erste Reaktionen von den Beteiligten.
Falsche Zahlen sind besser als keine Zahlen
In den Kommentaren zeigt sich, dass der laxe Umgang mit Zahlen als Bagatelle angesehen wird. Es herrscht kein wirkliches Problembewusstsein. Tenor: "Machen doch alle so", "Schätzen wird doch wohl noch erlaubt sein" und "Falsche und irreführende Zahlen sind doch besser als keine Zahlen".
Marcel Weiß hat den Beitrag bei neunetz.com mit zusätzlichen Anmerkungen versehen, die die Problematik verdeutlichen. Speziell in Umbruchzeiten werden (verfügbare und nicht verfügbare) Zahlen dazu verwendet, die herrschenden Marktstrukturen und -verhältnisse zu festigen. Das ist legitim, aber ärgerlich für die, die Neues und Anderes wagen, weil sie in den Statistiken nicht auftauchen und wenn, dann nur stark abgewertet.
Wie lange wollte der Versandhandel nicht wahr haben, dass Versandhandel weitaus besser ohne Katalog funktioniert? Dank Amazon boomen die Märkte für Buch- und Medienangebote, während der traditionelle Buchhandel kollabiert. Die Musikmärkte boomen, während die Tonträgerindustrie darbt. All dies geben die verfügbaren Marktstatistiken nicht her. Da definiert man sich einfach einen "rückläufigen Markt", und schon scheint die Welt wieder in Ordnung.
Boomende Märkte trotz Händlersterben
Die Marktzahlen richten sich immer an den traditionellen Märkten aus. Neue Marktteilnehmer werden nicht oder nur unzureichend erfasst. Amazon ist dabei nur die Spitze des Eisbergs. Ein
Ebay fällt bis heute durch sämtliche Raster und taucht in seiner vollen Dimension in keiner
Handelsstatistik auf, weil dies die Grenzen des (Einzel-)Handels sprengen würde.
Märkte reformieren und transformieren sich, und zwar anders als dies die etablierten Player (und ihre Fürsprecher) gerne hätten. Bei Exciting Commerce haben wir deshalb 2008 begonnen, im Rahmen unserer Top 500 Serie konsequent die Daten der Online-Pure-Player zu
sammeln, die in den traditionellen Statistiken zu kurz kommen, und sie für die einzelnen Branchen so aufzubereiten (siehe die Online-Elektronikversender), dass zumindest für die verfügbaren Umsätze deutlich sichtbar wird, dass hier – jenseits der bestehenden Marktstrukturen – ein bedeutsames, neues Marktsegment heranwächst.
Natürlich sind auch diese Zahlen nicht über jeden Zweifel erhaben. Niemand kann in Unternehmen hineinschauen, die in unterschiedlichsten Märkten tätig sind. Aber es sind keine Schätzungen und Hochrechnungen, sondern unverfälschte, dokumentierbare Werte. Daraus lassen sich natürlich (noch) keine Marktschätzungen ableiten. Aber es lässt sich zumindest einigermaßen gut und zukunftsorientiert dokumentieren, was wirklich passiert.
Wir finden das den seriöseren Weg, als mit aller Gewalt neue Player und Geschäftsmodelle in überkommene Strukturen zu pressen. Und so ist die einzige Schätzung, die wir regelmäßig herausgeben, eine Gesamtmarktprognose auf Basis der bvh-Zahlen, wo wir uns ernsthafte, aber natürlich auch angreifbare Gedanken machen, wohin das alles noch führen kann.
- Die Amazon-Zahlen und die peinlichsten Fehlprognosen
- Amazon Deuschland wächst 2012 auf 8,7 Mrd. Dollar (+21%)
- bvh-Zahlen 2012: Der Online-Versand vor der Explosion
- Neue Marktsicht: bvh passt seine Umsatzprognosen den Realitäten an
Kategorien:Amazon
Verstehe dein Argument nicht so ganz, wenn Amazon keine Zahlen rausgegeben hat muss man sie wohl schätzen oder ganz auf Amazons Erwähnung verzichten. Das die Zahlen ziemlich hoch sind mag mich auch nicht überraschen, alles andere wäre ziemlich übel, da die Margen für einen Einzelhändler auf das einzelne Produkt gerechnet immer extrem niedrig sind, er also gewaltige Mengen raushauen muss, um kostendeckend zu arbeiten. Und das mit dem Katalog gilt nur für den Massenmarkt. Ältere Menschen und die Entscheidungsträger in Unternehmen kann mit einem Katalog besser erreichen als mit einer WEbsite.
Müssen muss man nicht, zumal nicht, wenn man sich so verschätzt. Und das ist ja mein Punkt.
Amazon ist börsennotiert und hat US-Zahlen und Gesamtzahlen veröffentlicht. Insofern kann man mit Umsätzen arbeiten und sich über das Geschäft(smodell) ein Bild machen, ohne die Deutschlandzahlen künstlich kleinzurechnen – oder wie es immer so schön heißt: “konservativ” zu schätzen.
Wie man sieht, waren die Schätzungen nicht “konservativ geschätzt”, sondern komplett daneben. Irreführende Zahlen helfen niemandem und sind mE auch nicht besser als keine Zahlen.
Bitte nicht missverstehen: Ich bin ein großer Freund von Zahlen. Und man sollte alles in Bewegung setzen, um sie zu bekommen. Aber die branchenübliche Methode, Umsätze zu würfeln, nur weil man nicht an sie rankommt, kann nicht die Lösung sein.
Wer ist jetzt eigentlich doof, alle, die falsch geschätzt haben oder doch die Luxemburger Dependance, die in Deutschland keine Zahlen veröffentlicht?
Und zum Thema Kollegen-Bashing und dass ihr euch hier nicht an Spekulationen beteiligen würdet, von wegen unseriös und so:
Lies noch mal Deinen Eintrag vom 22. Februar 2009, iBood@LSD.
Auch guuut: Dein Kommentar vom 07. November 2008: “Ich veröffentliche die Zahlen ja eigentlich auch nur, damit sich jeder daran stoßen kann ;-)”
Vielleicht geht’s diesmal auch nur ums Stoßen?
Das sind Zahlen, die von den jeweiligen Unternehmen stammen. Und die veröffentliche ich genau aus diesem Grund.