Buch/Handel 2020: „One Chapter per Week“

von
Matthias Hell

Neun Jahre klopfte die Mystery-Autorin Brittany Geragotelis
an verschlossene Verlagstüren – und begann schließlich, ihre Texte im
Fortsetzungsformat über die Literatur-Community Wattpad zugänglich zu machen.
Heute steht Geragotelis bei Simon & Schuster unter Vertrag und zieht bei Good
eReader
ein überzeugendes Fazit ihrer Selfpublishing-Erfahrungen:

„After
posting around one chapter per week on the platform, a fan base developed in
which she had had six million reads of the first book in her series. Nearly a
year later, Geragotelis had over 18 million reads of her book.

As fans began to
clamor for the book edition, wanting it to be available for purchase, the
author had a revelation about readers that rings true across a number of issues
facing the publishing industry: readers are willing to pay for great content.”

Neue Vertriebsmodelle

Publishing-Startups:
Von der iPad-App für die kinderleichte Erstellung eigener Multimedia-Inhalte
bis zu neuen Magazin- und Blog-Formaten: Unter dem Titel „Six digital
publishing startups to watch“ bietet Paid
Content
spannende Anregungen für zukunftsgerichtete Publishing-Formen.

Bastei Lübbe: Der
innovationsfreudige Kölner Verlag demonstriert einmal mehr die Vorteile des
E-Formats: Den erfolgreichen E-Serienroman „Apocalypsis“ veröffentlicht Bastei
Lübbe nun auch auf Mandarin – in Eigenregie und ohne lokalen Lizenznehmer. (via
Buchreport)

Carlsen: Mit den
neuen E-Book-Imprints Impress und Instant Books flirtet der Carlsen Verlag mit
dem Selfpublishing-Prinzip: Zwar richtet man sich an Autoren aus der
Selfpublishing-Szene, bietet diesen jedoch klassische Verlags-Services wie
redaktionelle Betreuung und Marketingunterstützung. Technologisch umgesetzt
werden die neuen Buchreihen von dem E-Book-Dienstleister Readbox. (Pressemitteilung)

Neue Erzähl-/Leseformen

Genre-Literatur: Die
Zukunft des E-Books liege in der Genre-Literatur, meint Wired
in einem Beitrag zu den fortlaufenden Publishing-Entwicklungen. Dass in Genres
wie Science Fiction und Romance der E-Book-Anteil bereits bei rund zwei Drittel
liege, sei kein Zufall:

„The
digital delivery system offers immediacy and ease of access for material that
often is serialized and written to make you want to know what happens next, as
soon as possible. Liate Stehlik, senior vice president and publisher at
HarperCollins, subscribes to that idea, at least partially.

Genre fans, she
says, became “early adopters” of the digital format because e-books are the
optimal format “for people who want to read a lot of books, quickly and
frequently.”

Struktureller Wandel

Amazon baut seine
Publishing-Aktivitäten munter weiter aus: Während das Kurz-E-Format Kindle
Singles seit einigen Tagen auch in Deutschland verfügbar ist (Pressemitteilung),
startet der Online-Riese in den USA mit Jet City Comics ein neues Imprint, das
Graphic Novels sowohl im Print- als auch im E-Format veröffentlicht (Pressemitteilung).

Ein gutes Strategie-Update bietet unterdessen Smart
Digits
, das aufzeigt, wie Amazon mit den Übernahmen von Goodreads, Ivona,
Liquavista u.a. die Lücken in seinem Ökosystem schließt.

HarperCollins: Die
zukunftsweisenden, Format- und Distributionsgrenzen überwindenden Ideen von Pottermore
haben wir bereits wiederholt gewürdigt. Dass inzwischen selbst altehrwürdige Verlagshäuser
die Bedeutung der von der Harry-Potter-Plattform entwickelten Strategie
erkennen, beweist der Wechsel von Pottermore-CEO Charlie Redmayne an die Spitze
des Verlagsriesen HarperCollins. (via Digital
Book World
)

Buchhandel im Umbruch

Barnes & Noble:
Nach einem weiter sinkenden Umsatz im zurückliegenden Geschäftsjahr und dem
Rückzug aus der Fertigung des eigenen E-Readers Nook ist die Entlassung von
B&N-CEO William Lynch keine Überraschung. Für Paid
Content
ist die Personalie dennoch Grund genug für ein Zwischenfazit zur desaströsen
Entwicklung der letzten Jahre („Barnes & Noble throws out its CEO, but that
won’t save the company“).

Gegenbeispiel Osiander? Brandeins "feiert" in seiner aktuellen Printausgabe die im Schwäbischen verwurzelte
Buchkette Osiander als Gegenbeispiel für die kriselnden Thalias und
Hugendubels: Dank einer langjährigen, organischen Expansion habe Osiander den
Spagat zwischen der Bewahrung seiner Relevanz und dem nötigen Hinzugewinn an
Größe bewerkstelligt.

Unter der Rubrik Buch/Handel 2020 bringen
wir jede Woche das Spannendste zu
den strukturellen Umbrüchen in der Buchbranche
(„Buchlos in die Zukunft“).



Kategorien:Buchhandel

1 Antwort

  1. Nunja, man kanns den Verlagen auch nicht übel nehmen – deren Problem zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie durch einen tsunamiartigen Manuskript-Zuwachs waten müssen, pro Einsendung bleiben im Tagesgeschäft vielleicht 1-2min. Und da fliegen dann auch schon mal Perlen in den Papierkorb, respektive durchs Raster, die anschließend, Spargelgleich, zu multimillionen Bestsellern emporschießen. Die Geschichte des Buchhandels ist voll davon. Selfpublishing ist mittlerweile eine Möglichkeit. Gerade der US Comicstripe-Market zeigt, wie das auch im Sinne einer Selbstvermarktung ablaufen kann. Die berühmteste Nummer ist da sicherlich Penny Arcade. Jerry Holkins und Mike Krahulik haben da seit 1998 ein eigenes, mächtiges Branding zusammengeschmiedet und tragen sich mittlerweile über Werbung, Merchandising und die Penny Arcade Expo.
    Selfpublishing sorgt allerdings für ein ganz neues Problem. Ähnlich der explosionsartigen Zunahme von Websites um die jahrtausendwende explodieren nun die eBook-Bereiche: Qualitativ von A-Z ist da alles gegeben. Amazon zeigt je Bereich ihre Top10-Bestseller an. Was benötigt wird, ist eine Art Google für eBooks – welches anhand von Beschreibungen, Schlüsselwörtern und einem Algorithmus die richtigen Titel für einen herausfiltert, und damit ist Platz für eine neue Art von Gatekeeper, der es versteht, die Bedürfnisse des Kunden (den richtigen Titel zu finden) zu befriedigen und adäquat zu monetarisieren. Denn bisher findet man Titel nur via Mund-zu-Mund-Propaganda oder wenn sie via Verkaufszahlen soweit nach oben gespühlt werden, dass sie medial zum Dauerbrenner werden.
    Und das bietet einen ähnlichen Zündstoff, wie seinerzeit, als bei Yahoo zum ersten mal in den Suchergebnissen zu lesen war: powered bei Google. Der Rest ist Geschichte.

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