"Free", das neue Buch von Chris Anderson, ist ein faszinierendes Werk, weil es sehr plausibel darlegt, warum die "Gratis-Kultur" in einer Netzwelt Sinn macht und wie man mit kostenlosen Angeboten und Dienstleistungen dennoch sein Geld machen kann.
Marktwirtschaft vs. Netzwirtschaft
Nichtsdestotrotz sorgt Free in den USA zum Teil für erstaunlich heftige Debatten unter den Vor- und Mitdenkern. Wollte man etwas Grundsätzliches an Andersons Argumentation aussetzen, dann vielleicht, dass er sich bei seinen Ausführungen argumentativ stets im alten System bewegt (via):
"My frustration with the debate about Free is that it seems like a last
ditch effort to fit the internet economy into the familiar framework of
the industrial economy. That isn't going to work."
Das führt zum Teil zu kuriosen Verrenkungen, wenn er um jeden Preis versucht, alles und jedes monetär zu bewerten. Doch wer will es ihm verdenken? Wohl kaum jemand (über 25?) hat sich von der rein marktwirtschaftlichen (Erfolgs-)Denke schon soweit verabschiedet, dass er sich ernsthaft und unvorbelastet mit netzwirtschaftlichen Prinzipien auseinandersetzen könnte (siehe dazu auch den heutigen Netzwertig-Beitrag).
Generell sind Markt- und Wettbewerbsdenken in einer (kollaborativen) Netzwirtschaft fehl am Platz. Marktmodelle lassen sich in konkreten Fällen weiter nutzen, haben aber als übergreifendes, ökonomisches Denkmodell ausgedient. Mehr dazu bei Umair Haque & Co. (s. Was war, was wird: Netzwerte 2008-09
Insofern wäre eine "Free vs. Paid"-Debatte in einer Netzwelt vollkommen überflüssig (was Chris Anderson im Buch und in Vorträgen auch immer wieder betont: Seine Kinder können schwer nachvollziehen, warum er sich überhaupt noch mit so einem Nicht-Thema befasst), da es in der Netzwelt neben der rein monetären weitaus geeignetere Messgrößen und Bewertungsmaßstäbe gibt, um wertschöpfende Aktivitäten zu erfassen.
Die drei Währungen der Netzwirtschaft
Anderson weiß um diesen Aspekt und geht im zweiten Teil des Buchs auf die Werteverschiebung ein, beispielsweise im Kapitel über "Nonmonetary Economies" ("Where Money Doesn't Rule, What Does?"):
In the future, when we talk of the 'money economy' we will talk of the 'reputation economy' and the 'time economy' (= 'attention economy') in the same breath, and our world will never be the same again."
Interessanterweise unterstreicht Chris Anderson zwar desöfteren, wie sehr ihn die "New Rules for the New Economy" von Kevin Kelly in seinem Denken beeinflusst haben, aber sie haben entweder nicht zu einem radikalen Umdenken geführt oder aber er verschont seine Leser und versucht nicht, noch eine weitere Abstraktionsebene einzuführen.
Was durchaus gut so ist: Denn so bleibt das Buch lesenswert und verständlich – und führt nicht zu Unrecht unsere aktuelle Bestsellerliste an. Die deutsche Ausgabe ("Geschäftsmodelle für die Herausforderungen des Internet") erscheint in der kommenden Woche.
Frühere Beiträge zum Thema:
- Netzwerte 09: Wann macht welches Reputationssystem Sinn?
- Netzwerte 09: Social Shopping Strategien für Musikkünstler
- Was war, was wird: Netzwerte 2008-09
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Klasse Bericht, werde mir das Buch einmal holen und dann berichten!