"I very frequently get the question: 'What's gonna change in the next 10 years?' I almost never get the question: 'What's NOT going to change in the next 10 years?'
And I submit to you that that second queston is actually the more important of the two. Because you can build a business strategy around the things that are stable in time."
Nicht die Trends sind aus strategischer Sicht wichtig, wird Amazon-Chef Jeff Bezos nie mĂĽde zu betonen (siehe auch "Never chase the hot thing!"), sondern der Fokus auf die Dinge, die sich kundenseitig nie ändern werden – fĂĽr den Handel zum Beispiel:
"In our retail business we know the customers want low prices. And I know that's gonna be true 10 years from now. They want fast delivery; they want vast selection.
It's impossible to imagine a future 10 years from now where a customers comes up to me and says: 'Jeff, I love Amazon, I just wish the price were a little higher' – 'I love Amazon, I just wish you to deliver a little more slowly.' – Impossible!"
Was nicht heißt, dass Amazon nicht auf die neuesten Technologietrends und Marktentwicklungen achtet, aber dass es ihre Relevanz immer an den unveränderlichen Zielen misst.
Jeff Bezos wird in den USA gerade als "The Ultimate Disruptor" gefeiert. Zuletzt ist Mr. Amazon ("Jeff Bezos und der Aufstieg von Amazon"), eine Art von Biographie von ihm, auch auf deutsch erschienen.
- Lernen von Jeff Bezos: "People don't want gadgets"
- Lernen von Jeff Bezos: "Never chase the hot thing!"
- Familyhood: Wie Amazon zum neuen Walmart (er)wächst
- Same Day Delivery: Wo siedelt sich Amazon im Norden an?
- Wie Amazon sein Mobil-Geschäft mit Kindle & Co. vorantreibt
- Wie Amazon Shopbop und sein Mode-Imperium ausbaut
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Klingt im ersten Moment ja ganz plausibel.
Ich denke aber, dass sich in dieser Strategie dennoch eine ziemliche Gefahr verbirgt und wĂĽrde diese nicht einfach unreflektiert so annehmen, dass sich bspw. diese genannten Punkte nicht ändern…
Problem Billig-Fokus:
1. Hier werden gesellschaftliche Entwicklungen ausgeblendet, die evtl. doch höhere Preise rechtfertigen als Billig-Produkte (z.B. Ethisch korrekte Produktion und Vertrieb – also nicht nur umweltschonende und soziale Herstellung, sondern auch amazon muss ethisch korrekt wirtschaften. Dann die Veränderungen in Richtung “Assembled in USA” (bzw. das jeweilige Land) und auch das Streben nach Individualismus, wie bspw. durch die DIY und Maker-Bewegung,….).
2. Wasser auf die MĂĽhlen der Marken, die sich nicht verramschen lassen wollen. Der Billig-Fokus und somit die Preisfokussierung ist nicht von jeder Marke gewollt, d.h. immer mehr Marken wollen nicht mehr bei amazon gelistet sein.
Problem GroĂźe Auswahl:
Die Kunden sind immer mehr durch eine zu groĂźe Auswahl ĂĽberfordert und wollen Orientierung sowie Reduktion der Komplexität – am liebsten genau das ideal passende Produkt fĂĽr einen persönlich – evtl. sogar individuell fĂĽr einen persönlich gefertigt bzw. customized. Ich will bspw. im Idealfall nur die Waschmaschine vorgeschlagen bekommen, die am allerbesten zu mir und meinen BedĂĽrfnissen passt – vielleicht noch 2 oder 3, aber nicht 2000 oder 3000.
Problem Lieferzeit:
Sicher wichtig, aber hier hat amazon bspw. immer einen Nachteil ggĂĽ. stationären Anbietern – soviele Logistikzentren, die alles vorhalten, kann amazon gar nicht bauen, um hier mithalten zu können, wenn neue Stationär-Strategien entstehen (jeder Laden ist ja zugleich ein potentielles kleines Logistik-Center). Angenommen ein Trend wäre, dass man ein Produkt auf einem Portal bestellen kann, welches dann von dem nächstgelegenen Händler, der das Produkt verfĂĽgbar hat, direkt (ähnlich Pizzadienst) innerhalb weniger Minuten/Stunden geliefert wird. Oder die Entwicklung bei den 3D-Druckern, welche heute schon in vielen Bereichen recht brauchbar sind, aber in den nächsten 3-5 Jahren noch einen enormen technischen Sprung machen werden. Vieles stellt man dann kĂĽnftig einfach entweder selbst her oder der 3D-Print-Shop bzw. Händler um die Ecke.
Ferner klingt in dieser Strategie ein wenig Passivität durch (eigentlich das Gegenteil von dem, was amazon bisher durch aktive Marktgestaltung und Trendsetting gemacht hat).
Unternehmer (und erfolgreiche Unternehmen) zeichnen sich dadurch aus, dass sie Märkte und die Zukunft aktiv gestalten. Insofern ist es zwar schon unwichtiger, was sich in den nächsten 10 Jahren ändert, aber es ist wichtig, wie man die Welt in 10 Jahren haben möchte und entsprechend seine Aktivitäten ausrichtet und die Welt entsprechend so gestaltet.
Kurz gesagt: Ich bin der Ăśberzeugung, dass es nichts gibt, was ĂĽber die nächsten 10 Jahre unverändert Bestand hat…
Ja, die Sätze von Bezos kommen wirklich so druckreif und Merkspruch-trächtig, dass man nach den Videos regelrecht erschlagen und mundtot ist. Sobald man dann den Genius-Schock ĂĽberwunden hat, und das Hirn wieder zu arbeiten beginnt, kommen einem Gedanken wie die von Hagen, der richtig zeigt,dass wie immer das Gegenteil auch ziemlich wahr ist…
Vielleicht müsste man aber Bezos anders verstehen, bzw. ihm (wie jedem guten Unternehmer) zugute halten, dass er dazu tendiert, von sich auf andere zu schliessen und seine Erfahrungen allgemeingültig zu setzen. Denn für Amazopn stimmen seine Wahrheiten. Oder allgemeiner formuliert: Jede gute Firmenstrategie hat ihre Wahrheiten, die sich nicht ändern dürfen, hat ihre klaren Orientierungsziele, die stabil bleiben. Nur so ist Erfolg möglich, eierlegende Wollmilchsauen sterben immer irgendwann aus
@Hagen Ich denke, man muss stark unterscheiden zwischen Händlern und Marken. Die Masse der Menschen wird tendenziell immer zu dem Händler/Anbieter gehen, der ein Produkt am günstigsten anbietet. Marken haben natürlich ganz andere Möglichkeiten in der Preisgestaltung und können ethische Faktoren, etc. in die Preisbildung einfliessen lassen.
@Markus Kobelt Ich hatte das auch nicht so verstanden, dass diese drei Kriterien für alle gelten sollten, sondern dass Unternehmen ihr Geschäft generell auf langfristige Trends bauen sollten. Was ja fast schon eine Binsenweisheit ist. Kommt nur manchmal in der trendigen Online-Welt zu kurz.
Ich finde an Hand der Aussage kann man nicht wirklich fest machen, wo sich Unternehmer ändern sollten. Sie ist so weit gefasst, dass es wohl für jedes Beispiel Aussage bestätigende aber auch abweisende Argumente gibt.
@Jochen:
Da bin ich im Prinzip voll bei Dir. Funktioniert aber aus meiner Sicht nur ceteris paribus.
Es gibt ja nicht nur die von Jeff Bazos genannten Megatrends, sondern noch weitere und es kommen im Laufe der Zeit noch weitere hinzu. Vor 10 Jahren waren sicher Ethischer Konsum, ganzheitliche Gesundheit, DIY aber auch Chancen für Stationär durch Internet und Mobile so wichtig, wie heute.
Es kann also sein, dass neben der Ausrichtung auf langfristig stabile Themen, weitere wichtige (durch gesellschaftliche oder technologische Veränderung) hinzukommen und vielleicht wichtiger werden, als andere.
Beispiel: Preis mag dauerhaft wichtig sein. Es kann aber sein, dass Ethische Korrektheit oder Gesundheit irgendwann die Preiswichtigkeit bei immer mehr Menschen in den Hintergrund drängt bzw. mit kombiniert, d.h. man möchte dann das günstigste ethisch korrekte Produkt haben, dann spielt Vertrauen und Glaubwürdigkeit eines Anbieters eine wichtige Rolle.
Soll heiĂźen: Wenn amazon sich nach Preis und Lieferzeit ausrichtet, aber sowohl bei angebotener Ware als auch bei Mitarbeitern ethische Korrektheit egal ist (siehe wie auch bspw. bei zalando bzgl. Logistik-Mitarbeiter-Problematik), dann kann ein solcher Anbieter in nächster Zeit immer mehr ein Problem bekommen, obwohl vielleicht die beiden langfristig wichtigen Variablen, an denen man festhält, weiter wichtig sind (aber eben nur 2 von weiteren langfristig wichtigen). Der Markenkern von amazon ist aus heutiger Sicht nicht sehr glaubwĂĽrdig fĂĽr die Bereiche des 6.Kondratieff in den wir uns hineinbewegen (ethische Korrektheit, ganzheitliche Gesundheit,…). Preis und Lieferzeit gelten dann evtl. innerhalb dieser Bereiche weiter als wichtig, aber da amazon nicht glaubwĂĽrdig fĂĽr diese Themen steht, könnte amazon so (analog Schlecker oder Kik) auch aus dem evoked set fliegen…
Daher sollte man sein Geschäftsmodell zwar langfristig orientiert ausrichten, aber flexibel halten, um passend auf aufkommende weitere langfristig wichtige Themen glaubhaft reagieren zu können.
Hab’ ich es doch geahnt (siehe Punkt Lieferzeit und stationäre Läden als potentielle Logistikcenter…): http://etailment.de/2012/luxodo-liefert-bundesweit-zum-wunschtermin-warum-same-day-delivery-den-online-handel-veraendern-wird/