Von der “Death of Retail?”-Tagung der Immobilienwirtschaft

Auf Initiative des BIIS, des Bundesverbands der Immobilien-Investment-Sachverständigen, fand diese Woche in Frankfurt eine Fachtagung zum Thema "The Death of Retail?" statt.

Auslöser war das gleichnamige Interview mit Marc Andreessen ("Andreessen predicts the death of traditional retail. Yes: Absolute death"):

Die Veranstaltung war gleichermaßen erhellend wie ernüchternd. Während sich das Publikum durchaus sorgenvoll und sensibiliert zeigte, bemühten sich die Referenten aus der Immobilienwirtschaft, die Bedrohung des stationären Einzelhandels durch Amazon & Co. eher klein zu reden.

Einzelhandelsflächen in guten Lagen seien weiter begehrt und verzeichneten steigende Preise. Primark, Apple sowie Showrooms und Popup-Stores vereinzelter Online-Händler zählen zu den großen Hoffnungsträgern, die in den Premium-Lagen wettmachen sollen, was dem etablierten Einzelhandel verloren geht. Das Schicksal der B-, C- und D-Lagen wurde kaum thematisiert.

Und so standen viele Vorträge in krassem Widerspruch zu den Brandbeschleuniger-Aussagen der lokalen Einzelhändler, die eine Verödung der Innenstädte befürchten, und zu Studien wie zuletzt der CreditSuisse zum Immobilienmarkt 2013 (PDF), wo auf das Thema Online in einem Exkurs gesondert eingegangen wird (siehe auch den NZZ-Beitrag "Online-Handel bedroht Immoblienbesitzer"). Dort sieht man auf Basis das Schweizer Markts "bis zu einem Drittel der Flächen durch den Online-Handel bedroht" und erwartet eine "Verlagerung der Nachfrage auf Logistikflächen".

Erleben wir also in den Innenstädten und Shoppingcentern (siehe auch Roland Berger und die Online-Sorgen der Shopping-Center) das übliche "Handel ist Wandel"-Phänomen, wo alte Handelskonzepte durch zeitgemäße, neue ersetzt werden, oder handelt es sich tatsächlich um einen strukturellen Umbruch und einen grundlegenden Shift weg von
stationär hin zu online, der auch die Einzelhandelsflächen betrifft?

Dieser Streit wird sich vergleichsweise schnell klären lassen. Denn ob der stationäre Handel dem Online-Druck gewachsen ist, wird sich wohl schon im nächsten oder übernächsten Weihnachtsgeschäft entscheiden: Werden die Menschen ihre Einkäufe dann weiter in überfüllten Fussgängerzonen und Einkaufszentren mit langen Schlangen vor den Kassen erledigen oder doch lieber bequem von zuhause aus bestellen?

Bereits auf der ersten K5 Konferenz hatte Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub, der mit der TREI Real Estate selber im Geschäft mit Immobilien ist, vor Einbrüchen bei den Gewerbeimmobilien gewarnt. Dieses Jahr durfte Oliver Samwer beim Tengelmann eDay verkünden: "80% der Offline-Händler werden nicht überleben".

Mehr zu den Zukunftsperspektiven des stationären Handels gab es kürzlich schon bei Alexander Graf in der Kassenzone ("Der stationäre Handel – ein Überblick der letzten Meinungen").

Gerrit Heinemann verdeutlichte auch auf der BIIS-Tagung anhand der Marktzahlen ("Online-Handel gräbt stationärem Einzelhandel das Wasser ab"), dass sich die Lage für den Einzelhandel heute schon weitaus dramatischer darstellt, als es die Vertreter von HDE & Co. gerne wahrhaben wollen.

Die Online-Spezialisten von Amazon bis Zooplus können all das amüsiert vom Seitenrand aus verfolgen. Denn auch wenn sie vielerorts immer noch belächelt und nicht für voll genommen werden, profitieren sie doch jetzt schon am allermeisten vom Online-Boom der letzten beiden Jahre ("
Hockeystick-Szenario 2.1: Wenn der Online-Markt explodiert").

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Kategorien:Ultimondo

  1. Dieser Wandel der Handelsmodelle ist aus meiner Sicht sehr offensichtlich und ausreichend mit Daten belegbar. Umso erstaunlicher ist die Abwehrhaltung vieler Betroffener (Immobilienbesitzer, Stationäre Händler…). Fast immer werden als Erklärung für das Überleben des klassischen stationären Handels Sonderfälle zitiert die nicht mal ansatzweise auf die meisten Betroffenen übertragbar sind. Ein wenig von meiner aktuellen Lektüre beeinflusst, würde ich diese “Abwehrhaltung” vorerst als klares Ergebnis der Verfügbarkeitsheuristik abspeichern – es wäre aber mE wirklich schade wenn es so ist.

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