Buch/Handel 2020: Zweckoptimismus und mehr von der Buchmesse

von
Matthias Hell

In einem Blogbeitrag ("Disrupt, disrupt, disrupt") beklagte
Stephen Page, CEO von Faber & Faber, kürzlich den trügerischen Zweckoptimismus
der Buchbranche:

„In the USA
e-book growth has slowed dramatically, e-reader sales seem to be slowing. (…) There
was better news of independent bookshop openings in the US last year. In the UK
high street book sales grew in August versus last year. So perhaps the snail
has stopped moving, we’ve coped with the format shift and all is finding a new
equilibrium.“

Einen ähnlichen Eindruck erhält man auch, wenn man
betrachtet, welch simple Rezepte viele große Branchenakteure auf der diesjährigen
Frankfurter Buchmesse als Antwort auf den fortlaufenden Publishing-Wandel
präsentieren: u.a. bringen die Tolino-Initiatoren neue
Tablets in die Buchhandlungen
, sollen Online-Portale das Überleben des
lokalen Buchhandels sichern
und freuen sich die Verlage über steigende
Lizenzeinnahmen
(„E-book cash fuels Frankfurt rights boom“).

Trendthema Pricing

Eigentlich eher ein Nebenschauplatz, aber ein Trendthema auf
der Buchmesse ist das Buch-Pricing. So erklärte nicht nur Charlie Redmayne – von
Pottermore frisch auf den Chefposten von HarperCollins gewechselt – „Pricing
is the key“
, sondern lud auch der Börsenverein zu einer breiten Diskussion über die Preisgestaltung
bei E-Books
. „Pricing is the New Piracy“, urteilt dazu Publishers
Weekly
: So wie das letztlich unlösbare Thema Piraterie in den letzten
Jahren die Gemüter bewegt habe, stürze man sich nun auf die ähnlich kontroverse
Pricing-Frage.

Angesichts der fortgesetzten Beschäftigung der Branche mit
sich selbst, verwundert es nicht, dass sich auch Buchmesse-Chef Juergen Boos im
Buchreport-Interview
trotz sinkender Ausstellerzahlen keine Sorgen um die Zukunft macht:

„Was immer bleiben wird, ist die Buchmesse als
Versammlungsort der Menschen weltweit, deren Profession und Passion sich rund
um Inhalte dreht.“

Selfpublishing und
Discoverability als Impulsgeber

Dass sich in der Buchbranche dennoch vieles bewegt, wird
nicht zuletzt dadurch deutlich, dass die Buchmesse in diesem Jahr erstmals eine eigene Self-Publishing
Area eingerichtet hat. Dort präsentieren sich nicht nur erfahrene Selfpublisher
wie Matthias
Matting
und Nele
Neuhaus
, bei einer Podiumsdiskussion
wurden zudem wichtige Aspekte wie die Konkurrenz zu den klassischen Verlagen, gesunkene
Einstiegshürden, aber auch das Bedürfnis nach professionellen
Autorendienstleistungen gut herausgearbeitet.

Durch die steigende Anzahl an
Publishing-Diensten und Veröffentlichungen in den verschiedensten Formaten
nimmt auch an der Buchmesse das Thema Discoverability eine wachsende Rolle ein.
Selbst Penguin Random House CEO Markus Dohle beschäftigte sich in seiner
Keynote mit der Entdeckbarkeit
von Buchinhalten im Netz
:

„The
biggest task for the publisher is solving the discoverability issue in a world
where physical bookshop numbers are declining. (…) We must crack the code of
discoverability. We want people to choose books in the future, not Netflix.“

Neue Verlags- und
Erzählmodelle

Daneben finden sich im breiten Veranstaltungsspektrum der
Buchmesse eine ganze Reihe weiterer zukunftsgerichteter Impulse. So beschäftigt
sich die StoryDrive
Konferenz
einmal mehr mit neuen interaktiven Erzählformen. Zudem stellten
sich zwei bereits im Vorfeld vielbeachtete Publishing-Startups nun auch im
Detail vor: Die Verlagsplattform
LOG.OS
und der von Sascha Lobo mitinitiierte E-Book-Verlag Sobooks (via FAZ):

„E-Books, wie wir sie heute kennen, sind nur das, was die
Digitalisierung aus dem Buch gemacht hat – was aber machen Internet und soziale
Medien aus dem Buch? Mit Sobooks versuchen wir, das zu beantworten, was
allerdings dazu führt, dass jedes Buch, das man auf Sobooks kaufen kann,
vollständig im Netz steht. Bücher sind bei uns eigentlich Webseiten, schon um
die Kraft des Internets zu nutzen.“

Unter der Rubrik Buch/Handel 2020 bringen
wir jede Woche das Spannendste zu
den strukturellen Umbrüchen in der Buchbranche
(„Buchlos in die Zukunft“).

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Kategorien:Buchhandel

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