von Matthias Hell
Das von der Bundeskulturstiftung und dem Haus der Kulturen der Welt unterstützte, autorengetriebene Verlagsprojekt Fiktion machte erstmals im September mit einer u.a. von den Literaten Elfriede Jelinek, Jan Peter Bremer und Marcus Braun unterzeichneten Deklaration auf sich aufmerksam, in welcher die Initianten u.a. festhalten:
„Da E-Books unabhängig von ihrem kommerziellen Erfolg weltweit bereitgestellt werden können, müssen nicht mehr die ersten Wochen nach Erscheinen über Erfolg oder Misserfolg eines Titels entscheiden, sondern die Aufmerksamkeit kann sich langsam und unter Ausschluss der Massenmedien entwickeln.
Um E-Books zu vertreiben, ist es nicht zwingend erforderlich, sie zu verkaufen. (…)
Die gängigen E-Book-Formate imitieren das gedruckte Buch und erweitern es um Zusatzfunktionen, die für Sachbücher von Vorteil sein mögen, vom Lesen unserer Literatur aber eher ablenken. Es fehlt ein digitales Leseformat, das die technischen Möglichkeiten nutzt, um die Konzentration auf unsere Literatur zu erleichtern.“
In Gesprächen mit Börsenblatt.net und Buchreport verrät Fiktion-Mitgründer Mathias Gatza nun Details zu dem Publishing-Modellprojekt. Daneben wagen auch andere Autoren den Sprung auf die Verlegerseite:
Tim Ferriss: Der Bestseller-Autor („The 4 Hour Workweek“), der zuletzt mit dem Wechsel zum Amazon-Imprint New Harvest und der BitTorrent-Promotion für sein dort erschienenes Buch „The 4-Hour Chef“ für Aufsehen sorgte, wird zum (Hörbuch-)Verleger: Mit der Neugründung Tim Ferriss Publishing will der Amerikaner Audio-Versionen zu bereits existierenden Büchern produzieren und über seinen Blog vertreiben. (via Techcrunch)
Restless Books: Der mexikanisch-amerikanische Autor Ilan Stavans hat sich als Vermittler zwischen den Kulturen einen Namen gemacht und geht ebenfalls unter die Publisher. Mit seinem E-Book-Verlag Restless Books will Stavans nun niedrigschwellig literarische Übersetzungen veröffentlichten.
Neue Vertriebsmodelle
LookUP!: Angesichts von HTML5 und XML scheinen PDFs zunehmend zum Auslaufmodell zu werden. Das in Krefeld ansässige SilkCodeApps hat mit LookUP! nun aber eine E-Book-App-Plattform gestartet, die ausgerechnet auf dem PDF-Format basiert – und verspricht sich damit angesichts der Produktionsprozesse in den meisten Verlagen gute Chancen. (via Pubiz)
Zola Books: Mit seiner Mischung aus E-Bookstore, Kurationsdienst und Social Network zählt Zola Books sicher zu den interessanteren Geschäftsmodellen, fällt aber auch zwischen alle Stühle. Exklusive E-Book-Veröffentlichungen sollen der Buch-Plattform nun mehr Aufmerksamkeit verschaffen. (via New York Times)
Neue Erzählformen
Food Storytelling: Das französische Startup Youmiam will das „Soundcloud für Kochbücher“ werden und setzt dabei auf leicht einbettbare Kochanleitungen in Häppchenform – das zugrundeliegende Konzept bezeichnen die Macher als „Food Storytelling“. (via Rude Baguette)
Enhanced E-Books: Trotz Tablet-Boom führen angereicherte E-Books weiterhin ein Schattendasein. Nach Ansicht von Publisher David Wilk sollte man das das Format deshalb aber noch nicht abschreiben. Es fehlten noch das nötige Aha-Erlebnis und der Wille von Apple und Amazon, Enhanced E-Books den Durchbruch zu bescheren. (via Digital Book World)
Discoverability
BookShout: Die Social-Reading-Plattform BookShout hat eine neue Facebook-Integration vorgestellt, die mittels teilbarer Leselisten und direkt angeschlossener Buch-Preview-Funktion das Potenzial hat, mehr Buchentdeckungen innerhalb des Sozialen Netzwerks zu ermöglichen. (via Publishers Weekly)
Struktureller Wandel
Amazon für alle Missständen der Verlagsbranche verantwortlich zu machen, ist in der Publishing-Welt gang und gäbe. Demgegenüber hält Joe Wikert nun in einem Blogbeitrag fest:
„Amazon isn't killing book publishers. Publishers are killing themselves.“
Die Verlage hätten weder den Wandel bei den präferierten Leseformaten, den Kanälen zur Entdeckung von neuen Büchern sowie die sich verändernden Geschäftsmodelle verstanden.
In eine ähnliche Richtung zielt Reuters-Kolumnist Felix Salmon. Unter dem Motto „Is Amazon bad for publishers?” stellt er die gängigen Vorurteile in Frage und kommt zu einem gegenteiligen Schluss:
„I don’t think it’s really fair for publishers to blame Amazon for the fact that people like to do their shopping online, and that easily-digitizable content is going to exist mainly in a virtual world rather than the real world. Indeed, there’s an argument that Amazon has saved the publishing industry from going the way of the record labels — that it’s made buying e-books so easy that the number of free pirated versions out there is still tiny.“
Unter der Rubrik Buch/Handel 2020 bringen wir jede Woche das Spannendste zu den strukturellen Umbrüchen in der Buchbranche („Buchlos in die Zukunft“).
Die Rubrik gibt es auch als Feed und als E-Mail-Newsletter.
Frühere Beiträge zum Thema:
- Buch/Handel 2020: Amazon gibt Vollgas
- Buch/Handel 2020: Amazon setzt seine Publishing-Prioritäten
- Buch/Handel 2020: Co-Publishing und die (Kurz-)Geschichten der Zukunft
- Buch/Handel 2020: Keine Plattform ohne eigene Hardware?
Kategorien:Buchhandel
Kommentar verfassen