Wie baut man am besten ein neues Schuhlabel auf? In Berlin haben da Scarosso und Shoepassion in den letzten Jahren zwei extrem unterschiedliche Wege gewählt: Während Scarosso Millionen eingesammelt hat und sich zuletzt zum Alptraum für seine Kapitalgeber entwickelt hat (“Druck der Investoren: Turbulenzen bei Scarosso – Gründer scheiden aus”), wollten es die Gründer von Shoepassion im Alleingang schaffen (“SHOEPASSION.com erreicht Umsatzniveau von 10 Mio. Euro”, PDF):
“Profitabel ist SHOEPASSION.com bereits seit dem Jahr 2011, die Wachstumsraten damals wie heute sehenswert. Nachhaltigkeit war und ist dem Gründerteam wichtig.
Die Startmitglieder wurden im Laufe der Zeit zu Festangestellten, das Team wuchs und umfasst heute mehr als 70 Kollegen.
Den in diesem Jahr genommenen Milestone mit einer Runrate von zehn Millionen Euro sieht der Macher der Berliner Schuhmarke lediglich als Fundament:
»Mit unserem Finanzierungsweg war von Beginn an klar, dass wir einen Marathon laufen würden. Wir haben gelernt, aus wenig viel zu machen.
Jetzt haben wir die Strukturen, das Produkt und das Team, das es braucht, eine internationale Schuhmarke 2.0 zu kreieren.«”
Shoepassion zählt zu den “unsichtbaren” Händler hierzulande (Exchanges #106) und hat diese Woche in seinen Pitchunterlagen Presseunterlagen (PDF) erstmals weiterführende Einblicke in die Strategie und die Wachstumspläne gegeben:
Auch international gab es diese Woche im Online-Schuhmarkt Neues – von Shoes of Prey, das weitere Millionen von Nordstrom und anderen eingesammelt hat (“Fashion footwear startup Shoes of Prey takes in $15.5 mln”) und von Spartoo in Frankeich, das 2015 mit Umsätzen von 140 Mio. Euro rechnet.
Mit den kleineren Fachhändlern und Online.Spezialisten hatten wir uns auch in den Exchanges #42 befasst.
Frühere Beiträge zum Thema:
- DN Capital: Internationale VCs entdecken deutschen E-Commerce
- Kann Nordstrom dem Handel von gestern den Weg weisen?
- Spartoo sucht 100 Mio. € Kapitalspritze gegen Zalando
- Exchanges #106: Die unsichtbaren Händler
- Exchanges #42: Zur Lage der kleinen Fachhändler
Kategorien:Shopboerse
Die beiden Shops und Ihre Strategien zu analysieren ist hoch interessant. Es zeigt insbesondere bei Shoepassion auf, wie man mit einer klaren Strategie und fähigem Management auch in einem hart umkämpften Markt bestehen kann. Hier scheint auch die Eigenmarken-Strategie voll aufzugehen. Mit einem guten Produkt kann man die Vergleichbarkeit, unter der viele kleine und mittelständische Schuhhändler (die dann auch noch eine geringe Sortiments-Breite und -Tiefe haben) “leiden”, offensichtlich sehr gut aushebeln. Wir haben ebenfalls sehr gute Erfahrungen mit Eigenmarken gemacht. Kombiniert mit einer gut ausdifferenzierten Sortimentspolitik im Bereich gehobener und Premium-Marken bieten sich sehr gute Potentiale abseits des Massenmarkts.
Tip: lieber weiter machen ohne Fremdkapital. Wenn es so gut läuft warum VC mit rein nehmen? Es wird sicherlich nicht so einfach sein, das online auf Masse hoch zu skalieren. Eher offline direkt am Kunden. Ist doch auch schön.
Scarosso vs Shoepassion … ich glaube, man kann nun sagen: Shoepassion wins, denn soweit ich das sehe, ist Scarosso pleite. Die Scarosso GmbH ist Geschichte, es lebe die Scarosso Germany GmbH. Der Sanierungs-CEO scheint die Assets erfolgreich veräußert zu haben. Ware nebst Marke gingen – welch Ironie des Schicksals – nach Italien in die Hände eines Fullfilment-Anbieters (The Level Group). Was der nun mit den Resten anstellt, bleibt dabei natürlich offen. Bin drauf gestoßen, nachdem ich eine Mail von Scarosso erhielt (auf englisch), in der ich aufgefordert wurde, mein Passwort zurück zu setzen um so mein Kundenkonto wieder zu aktivieren. Dabei war mir ja gar nicht bewusst, dass es deaktiviert wurde. ;) Mail hatte komischerweise auch kein Impressum. Ich will hier niemanden direkt anklagen, aber das Unterfangen wirkte auf mich schon so, als würde hier jemand auf kreative Weise an die Kundendaten ran wollen, die vorher nicht Teil des Deals waren.
So oder so: Das alte Scarosso ist pleite und damit ist nun hoffentlich auch die vermeintliche Erfolgsgeschichte vom Tisch, die die damaligen Gründer so gerne stets beschworen.