Buch/Handel 2020: Ist das Netz bereits das neue Buch?

Im Rahmen einer spannenden re:publica-Session zum „Betriebssystem Buch“ gingen Sascha Lobo und Dorothee Werner vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels der Frage nach, welchen Einfluss das Netz auf die (gesellschaftliche) Wirkungsmacht von Büchern hat:

Vieles, was dabei gesagt wurde – das Bedürfnis nach kürzeren, prägnanteren und seriellen Texten, das Fehlen einer überzeugenden Social-Reading-Lösung, die Notwendigkeit, Bücher wirklich ins Netz zu bringen – klang wie ein Plädoyer für Sascha Lobos kommenden E-Verlag Sobooks. Nachdenklich stimmte dagegen ein abschließender Diskussionsbeitrag: Im Netz, beispielsweise bei Facebook, werde andauernd gelesen – nur eben nicht mehr in Buchform.

Buchhandel im Umbruch

„Private Equity rules the two largest book chains in Germany after Paragon’s invest in Weltbild“

Erst Thalia/Douglas, nun Weltbild – der Tweet von Buchreport fasst die aktuelle Situation im deutschen Buchfilialhandel treffend zusammen. Mehr dazu in unserem separaten Beitrag („Weltbild geht an Paragon wie einst Neckermann an Sun Capital“).

Hugendubel: Die drittgrößte deutsche Buchkette konnte es vorerst vermeiden, in den Strudel der Weltbild-Insolvenz gerissen zu werden, will aber dennoch den Rückbau fortsetzen. Künftig setze man auf redimensionierte Filialen mit maximal 500qm Fläche, so die Hugendubel-Chefs im Buchreport-Interview.

Neue Vertriebsmodelle

Oyster: Die Subskriptionsplattform Oyster schickt sich weiter an, eine führende Rolle unter den neu gestarteten Abo-Diensten einzunehmen. Das Unternehmen meldet nun 500.000 verfügbare Buchtitel von mehr als 1.600 Verlagen. (via Good eReader)

PaperC: Recht still war es in letzter Zeit um die Berliner E-Book-Plattform PaperC. Während das Startup bisher vor allem auf Fach- und Wissenschaftsliteratur setzte, hat PaperC nun 20.000 neue Titel aus dem Bereich der Belletristik aufgenommen. (via Börsenblatt)

Inkling: Unter anderem mit der Volltext-Google-Indizierung seiner Titel positionierte sich der Fachtext-Publisher Inkling als Innovationstreiber – doch blieb der durchschlagende Erfolg offenbar aus. Nun beschränkt sich das Unternehmen auf Verlagsdienstleistungen und entlässt einen Teil der Mitarbeiter. (via Techcrunch)

Publishing-Startups stünden heute generell vor großen Hürden, meint dazu GigaOM-Autorin Laura Hazard Owen in einem lesenswerten Rundumschlag („Apple, Amazon and the uncertain future of the book startup“):

„Over the past few years, I’ve encountered countless startups that claim they are going to disrupt or revolutionize book publishing. I once thought we might see one of those take off. Today, I’m not so sure. (…) When Amazon is the chief disruptor, the odds are stacked against you.“

Struktureller Wandel

Amazon: Während das Verlagsschwergewicht Hachette derzeit gerade seine Kräfte mit Amazon misst (via Wallstreet Journal), ist die italienische Buchkette Giunti bereits einen Schritt weiter: Der Buchhändler wird in seinen Filialen nicht nur Hardware und Printveröffentlichungen des Online-Marktführers anbieten, sondern auch das Amazon-Buchangebot in seinen Webstore integrieren. (Pressemitteilung)

Reine E-Book-Verlage sind nach Ansicht von DearAuthor.com in Gefahr, von der Publishing-Entwicklung bereits wieder überholt zu werden: Die große Popularität der Selfpublishing-Dienste führe zu einer Kannibalisierung der Digital-First-Publisher.

Neue Erzählformen

Enhanced E-Books böten nur selten einen echten Mehrwert, moniert der Guardian und verweist dazu auf eine Reihe aktueller Musiker-Memoiren.

Die Webseite zum Buch ist heute ein unverzichtbarer Bestandteil der Veröffentlichungspolitik, doch handelt es sich dabei meistens um ein plattes Marketinginstrument. Ein Beispiel dafür, wie eine Webseite die Erzählhandlung des Buchs auch weiterspinnen kann, liefert Smart Digits.

Unter der Rubrik Buch/Handel 2020 bringen wir jede Woche das Spannendste zu den strukturellen Umbrüchen in der Buchbranche („Buchlos in die Zukunft“).

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Frühere Beiträge zum Thema:



Kategorien:Buchhandel

1 Antwort

  1. Ich bin gespannt, was die Zukunft bringt und ob Lobos Theorie tatsächlich so aufgeht. Ich habe da so meine Zweifel. Es wird so dargestellt, dass Imitation grundsätzlich negativ ist. Es scheint unbedingt etwas Neues geben zu müssen. „Wortbeitrag“ und intelligente Modertaion scheinen ja auch nicht mehr zu reichen. Da glaube ich eher an den einen Kommentar, dass das Lesen eines Buches als eine Form der Kultur ausstirbt.

    • Genau, das ist – abseits der modernistischen Session-Moderation ;-) – die Kernfrage: braucht es neben dem existierenden E-Book eine Weiterentwicklung des Buchs im Web oder wird das Netz das tradierte Buchformat ohnehin (zumindest teilweise) ersetzen…

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