Media Saturn und die fünf verlorenen Online-Jahre

von Matthias Hell

Wenn am kommenden Montag, dem 16. Januar 2012, um 6 Uhr morgens der neue Onlineshop unter Mediamarkt.de live geht, sind die Reaktionen bereits vorprogrammiert: Während die Media Saturn Holding von der Abrundung ihrer "Multichannel-Strategie" sprechen wird, werden Kritiker das bescheidene Angebot des Shops, sein biederes Verkaufsmodell ("E-Commerce für Selbstabholer") sowie die unnötig lange Vorbereitungszeit bemängeln.

Von der Hand zu weisen sind solche Einwände nicht, doch wird dabei verkannt, dass der kardinale Fehler in der Online-Strategie von Media Saturn bald fünf Jahre zurückliegt: Die Schließung des Onlineshops Mediaonline.de:

"Mediaonline.de wurde 2005 von MSH als dritte, unabhängige Vertriebslinie neben Media Markt und Saturn ins Leben gerufen, kämpfte aber von Anfang an gegen interne Widerstände. Die Geschäftsführer der einzelnen stationären Niederlassungen – nicht ohne Grund als „Regionalfürsten“ tituliert –, sahen in dem Onlineshop einen unliebsamen internen Wettbewerber, den es wo nur möglich auszubremsen galt.

Mediaonline

Die Medien thematisierten dagegen das unterschiedliche Preisniveau zwischen Mediaonline und Media Markt / Saturn und trugen dazu bei, dass der Shop auch kundenseitig nie richtig an Fahrt gewann. 2007 folgte schließlich die Einstellung von Mediaonline und für MSH der Beginn einer selbstverordneten Denkpause in Sachen Online."

Doch hätte es nicht auch anders kommen können? Hätte die Ingolstädter MSH-Zentrale nicht auch schon 2007 ihren Geschäftsführern vermitteln können, dass es sich Europas größte Elektronikkette nicht leisten kann, das Online-Geschäft dem Wettbewerb zu überlassen?

Und hätte man sich nicht offen zu der Parallelstruktur zwischen On- und Offline bekennen können? Denn dem unterschiedlichen Pricing stehen ja auch deutlich voneinander abweichende Kostenstrukturen, Leistungsangebote und Einkaufswelten gegenüber.

Elektronikversender2011prog

Spielt man dieses Was-wäre-wenn-Spiel weiter, hätte MSH Mediaonline kontinuierlich zu einer Top-Destination im Elektronik-Onlinehandel ausbauen können. Media Markt und Saturn hätten sich währenddessen auf das Stationärkonzept konzentrieren und dieses um einen auf das Kernsortiment beschränkten, dem Kundeninteresse nach einer Angebotsergänzung im Internet entgegenkommenden Online-Auftritt erweitern können.

Interessanterweise ist Media-Saturn heute nach langem Überlegen, viel Personalquerelen und sicher unzähligen Beratertagen genau an diesem Punkt angekommen: Das Internet-Geschäft übernimmt der im vergangenen Jahr teuer akquirierte Elektronikversender Redcoon, während sich Saturn und Media Markt mittels ihrer Schmalspur-Onlineshops modisch als Multichannel-Händler präsentieren können.

Doch wirkt die Media Saturn Holding dabei keineswegs strategisch auf der Höhe, sondern vielmehr von der Marktentwicklung getrieben (s. Chart). Zwischen 2007 und 2012 liegen für Media-Saturn fünf verlorene Online Jahre, die aufzuholen nicht einfach sein wird.

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1 Antwort

  1. Es geht doch nix über so ein klassisches 98er Layout :-)

  2. Mein erster Eindruck vom neuen MediaMarkt Online-Shop: Antiquiertes Design, antiquiertes Bedienkonzept – moderne Shops bieten dagegen ein ganz anderen Look mit besserem Bedienerkomfort und besserem Einkaufserlebnis.
    Es ist mir ein Rätsel, wie sich ein so kapitalkräftiges Unternehmen mit solch einem armseligen Shop an die Öffentlichkeit wagen kann. Da ist das Scheitern bereits vorprogrammiert.

  3. Solange der Preis stimmt, werden die meisten Nutzer über Design und Bedienung hinwegsehen. Ich habe im Laufe der Jahre so viele Shops gesehen, die designtechnisch eine Katastrophe waren und dennoch große Umsätze machen konnten, dass ich den Glauben an Design und Usability etwas verloren habe.
    Auch ist die Verzahnung mit den Märkten nicht zu unterschätzen. So wenig ich das als Harcore-Onlineshopper selbst verstehe, so groß ist der Bedarf nach einer gewissen Sicherheit bei den nicht ganz so internetaffinen Käufern. Diese Sicherheit kann Mediamarkt.de vermutlich durchaus bedienen. Und wer weiß, ob die Kunden nicht im Markt doch noch das eine oder andere Extra-Teil mitnehmen…?
    Und natürlich drückt MSH den Shop nun massiv in den Markt. Ob diese (Marketing-)Kosten jemals wieder reingeholt werden können, ist zwar fraglich, aber vermutlich werden diese sofort als „sunk cost“ abgeschrieben und danach nur noch Umsatz und laufende Ausgaben verglichen. So könnte sich der Shop durchaus lohnen.

  4. @Malte: Ich stimme zu, dass man auch mit Designkatastrophen-Shops gute Umsätze machen kann.
    Aber es stellt sich eine Frage: Unter welchen Rahmenbedingungen sind solche Shops erfolgreich?
    Voraussetzung ist aus meiner Sicht ein einzigartiges Sortiment, das man eben nur dort bekommt – oder ein einzigartiger Preis für allgegenwärtige Standardware.
    Beim MediaMarkt wird weder das eine noch das andere zu erwarten sein.

  5. @Christian Rothe: Hmm… das sehe ich aber bei anderen erfolgreichen Playern auch nicht zwangsläufig immer gegeben. Ich verstehe natürlich Deinen Punkt: Mediamarkt.de ist absolut nichts besonderes.
    Ich möchte aber hinzufügen: …bis auf eine sehr, sehr bekannte Marke.
    Unter dem Strich dürfte der Shop den Alt-Onlinern nicht das Geringste zu bieten haben (denn die sind alle schon mit Amazon in Berührung gekommen und seitdem „verdorben“). Aber Media Markt gräbt jetzt die Zaudernden an und da sehe ich durchaus Potenzial.
    Und es ist ja nicht ausgemacht, dass der Shop seine gesamte Existenz so bleiben wird. Zwar hat MSH es sich mit dem (viel zu) späten Start sehr schwer gemacht, aber ich gehe schon davon aus, dass saturn.de und mediamarkt.de auf längere Sicht eine nicht ganz kleine Rolle im Netz spielen werden. Wie nachhaltig das ist und ob die Kapitalkosten oder sogar die Investitionen jemals wieder reingeholt werden, steht auf einem ganz anderen Blatt.

  6. @Malte: Exakt das: „Aber Media Markt gräbt jetzt die Zaudernden an und da sehe ich durchaus Potenzial.“
    Ich glaube auch, dass hier ganz extrem die Zielgruppe die entscheidende Frage darstellt! Für nen eBayler war Amazon immer unmöglich, für nen Techi ist Conrad gaaaaanz schlecht usw …
    Wie bei jedem Standort eines lokalen Marktes ist der Anfang teuer und schwer und dann wird sich herausstellen, wie die Zielgruppe genau bedient werden muss und dafür ist dann der Marktleiter mal wichtig: die MM-Standards strickt einhalten und seine Umsatzbringer erkennen … mal sehen und erstmal nicht nur weil es nen rotes MM ist schlecht reden !

  7. @Dirk: Was soll der Marktleiter denn mit dem vorhandenden Shop ausrichten können?
    Um es einmal mit dem Fussballsport zu vergleichen: Gemessen an der Marktposition des MediaMarktes im stationären Handel und gemessen am aktuellen Werbegeschrei müsste der neue Shop reichen, um damit einen UEFA-Pokalplatz / Europa-League-Platz zu erreichen. Allerdings spielt der neue MediaMarkt-Shop maximal auf dem Niveau des FC Augsburg.
    Damit kann der beste Trainer / Marktleiter kaum erfolgreich sein.
    An wen richtet sich dieser Shop eigentlich? Alt-Onliner kennen schon seit Jahren bessere Shops. Und unsicheren Internetneulingen macht der Shop auch keinen Spaß: Dafür ist das Bedienkonzept zu wenig intuitiv und benutzerfreundlich. Beispielsweise sind die Filter-Möglichkeiten in den Artikellisten aus meiner Sicht ein Witz.
    Vielleicht bessert der MediaMarkt da nach – aber wenn ich mir überlege, welche Vorbereitungszeit dieser Shop hatte, dann erscheint mir der aktuelle Stand eher kümmerlich. Offenbar mangelt es dem MediaMarkt an Mitarbeiter mit echter Online-Kompetenz.

  8. Warum regen sich denn alle immer drüber auf?
    Lasst es doch einfach links liegen und sterben – und schaut auf die guten Beispiele in diesem Bereich…wo auch immer die liegen mögen :)

  9. Zur Sachlage:
    Im Jahre 2000 gab es in der Zentrale von MSH ernsthafte Gespräche eine dritte Marke als Onlinemarke aufzubauen. Dies wurde durch den Minderheitsgesellschafter gestoppt. Das Thema ist also schon ein wenig älter…:-)

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