Quelle-Delle vs. Online-Welle: Wieso hat sich der bvh 2011 so verschätzt?

Der bvh meldete in dieser Woche ein für den Versandhandel überraschend hohes Marktwachstum von fast 4 Mrd. Euro – und damit zugleich den größten Umsatzsprung seit dem 6,3 Mrd.-Euro-Sprung im Jahr 2006, als der bvh entdeckte, dass es im Markt auch Online-Versender gibt, die keine Kataloge verschicken.

Nachdem das Marktvolumen 2010 bei 30,3 Mrd. Euro lag, ging der bvh in seiner Jahresprognose für 2011 zunächst von 31,9 Mrd. Euro aus, erhöhte dann im Juni auf 32,4 Mrd. Euro und endete schließlich bei einem Marktvolumen von 34 Mrd. Euro für 2011, weit jenseits aller Erwartungen.

Quelledelle

Die Ursachen für den Sprung lassen sich – auch nach Rücksprache mit dem bvh – nicht wirklich klären. Da ein Umsatzsprung von über 12% bei so einem gewaltigen Markt wie dem Versandhandel aber nicht so einfach vom Himmel fällt, lässt sich das unterschätzte Wachstum eigentlich nur dadurch erklären, dass die Marktentwicklung in den Vorjahren erheblich gedämpfter verlaufen sein muss als bisher angenommen.

Das einschneidende Ereignis war in diesem Zeitraum die Quelle-Pleite Mitte 2009, die im Versandhandel offenbar doch größere Spuren hinterlassen hat als bisher angenommen. Zu vermuten ist, dass sich der Versandmarkt erst 2011 wieder so richtig von der Pleite des einstmals marktführenden Katalogversenders erholt hat. Es dürfte sich also bei den Werten von 2009 und 2010 rückblickend um eine Art von "Quelle-Delle" handeln.

Allerdings dürfte die Quelle-Pleite nicht die alleinige Ursache für den 4-Mrd.-Sprung gewesen sein. Denn natürlich hat der Online-Handel zuletzt enorm an Fahrt aufgenommen. Nicht nur Thalia zeigte sich zuletzt von der Wucht und der Schnelligkeit der Online-Welle überrascht. Auch aus Sicht von Notebooksbilliger-Chef Arnd von Wedemeyer läuft der Shift von Offline zu Online schneller als erwartet.

So wirklich werden sich die Ursachen für den ungewöhnlichen Umsatzsprung 2011 nie klären lassen. Bedauerlich bleibt aber, dass die Auswirkungen der Quelle-Pleite auf den (Versandhandels-)Markt nie wirklich untersucht wurden: Wo shoppen die einstmaligen Quelle-Kunden heute? Wie sehr hat der Online-Markt profitiert, wie sehr die verbliebenen Katalogversender, etc.?

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1 Antwort

  1. Aber eine Wachstumsbeschleunigung lässt sich bereinigt nicht ablesen, oder? Bisher ist es ja noch stark eine Verlagerung von Katalog auf Online. Spannend wird es, wenn wirklich sehr stark stationäre Umsätze auf online verlagert werden. Und das lässt sich aus den mir bekannten Daten noch nicht ableiten. Der Einfluss von offline auf online und andersherum ist natürlich schon sehr krass, aber nicht die Kaufstädtenverlagerung.

  2. Ich glaube die Quelle-Delle war gar nicht so groß. Ich würde eher davon ausgehen (Hypothese!), dass viele der damaligen Quelle-Käufer in anderen (vorwiegend klassischen) Versandhäusern (Kunden-Überschneidungen gab es eh schon; zudem haben die „Übriggebliebenen“ nach der Quelle-Pleite durch forcierte Marketinginvests genau diese Quelle-Leute adressiert) untergekommen sind und damit nur ein kleiner Teil (max. 30%) des Quelle-Umsatzes für den Distanzhandel „abgemeldet“ werden können.
    Persönlich würde ich beim aktuellen Wachstum eher von einem generellen Markteffekt sprechen, der v.a. durch eine zunehmende Akzeptanz für den Distanzhandel begründbar ist. Kleines Indiz hierfür sind meiner Meinung nach die TV-Invests, die meiner Meinung nach nochmal nachhaltig die Akzeptanz für Online-Shopping befeuert haben (TV nach wie vor als das reichweitenstärkste Medium, welches der Distanzhandel bis dato kaum befeuert hat). Selbst heute sind gefühlt viele TV-Werbeblocks reine „Geh-Online-kaufen“-Spots. Das ganze ging erst so richtig ab Mitte des Jahres 2010 los (Zalando als Treiber dieser Entwicklung) und passt demzufolge ins Bild. Demzufolge dürften auch eher „Distanzhandels-Neulinge“ den Umsatz treiben und diese sind eher affin für die Online-Pureplays.

  3. Beim E-Commerce-Wachstum kann ich solche Sprünge nachvollziehen. Da finden sich zig gute Gründe. Das erklärt aber mE nicht die 4 Mrd. Euro in einem Jahr.
    Ich tippe, dass speziell das 2. Halbjahr/Weihnachtsgeschäft 2010 gelitten hat (sonst hätten sich schon im Juni die 12%-Plus abzeichnen müssen)
    @Alex Gefühlt ist die Dynamik da, aber aus den aktuellen Daten lässt sich das leider auch für mich nicht mit Sicherheit ableiten. Das einzige, was man sieht, sind ganz klar die strukturellen Verschiebungen. Noch sind aber die Haupttreiber für den Markt die Pure-Player.
    Wäre eben spannend zu wissen, ob die ehem. Quelle-Kunden jetzt bspw. bei C&A bestellen.

  4. Der bvh ist manchmal anders.
    Es wurde auch mal vom bvh gemeldet, dass 50% aller Versandhändler bereits mobil verkaufen würden. Das kann man relativieren, wenn man Nicht-bvh Mitglieder zu den Versandhändlern hinzurechnet :-)
    Selbst bei den bvh-Mitgliedern haben mehr als 50% keinen mobilen Onlineshop in HTML, sondern vielleicht mal eine App ausprobiert.

  5. wieviel von den 4 mrd wachstum ist allein auf amazon-performance zu verbuchen ?

  6. so detailliert gibts die Zahlen leider nicht. Außerdem sollte man bei den Amazon-Wachstumszahlen immer berücksichtigen, dass die zum Teil auch durch Übernahmen, etc. getrieben sind.

  7. ist richtig. auch wenn amazon durch übernahmen wächst, sind diese im pureplay-volume drin oder nicht?
    was bleibt vom pureplay hype ohne den amazon part?

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