von Jochen Krisch und Matthias Hell
Was soll aus Buch.de werden, das im Online-Buchhandel weit und weiter hinter Amazon zurückfällt? Mit neuer Führung, 24 Mio. Euro frischem Kapital und der richtigen Wachstumsstrategie könnte Buch.de in einem boomenden Online-Markt jetzt nochmal richtig Gas geben und daran arbeiten, sich von Amazon abzuheben und ein eigenes Profil zu finden.
Doch was ist eigentlich die Strategie von Buch.de? Der Geschäftsbericht (PDF) bleibt im Ungefähren und verrät kaum etwas über die strategische Positionierung. Man gewinnt den Eindruck, dass die Strategie von Buch.de vor allem darin besteht, sich an Amazon auszurichten. Immer wieder kommen Aussagen wie:
"Amazon ist und bleibt der Benchmark, an dem wir uns ausrichten müssen. Uns ist es offenbar nicht gelungen, unsere Stärken auszuspielen."
Doch was konkret sind denn die Stärken von Buch.de? Das bleibt im Dunkeln. Ist es die Mutter Thalia (über deren Schicksal heute beraten wird)? Will man im Zuge der Markenbereinigung künftig nur noch unter Thalia.de firmieren? So richtig rückt Buch.de nicht mit der Sprache heraus.
Das frische Kapital soll vor allem in Technik, Prozessoptimierung und neue Mitarbeiter gesteckt werden, heißt es. Übernahmen wie zuletzt der Kauf von Textunes sind nicht ausgeschlossen, aber offenbar nicht hochprior.
Den Umsatz-Shift von Offline zu Online und die Digitalisierung (sprich: eBooks) sieht Buch.de als die großen Branchentrends. Die großen Online-Themen wie die steigende Vielfalt bei den Geschäftsmodellen und die Potenziale für Plattformanbieter, etc. stehen offenbar weniger im Blickpunkt.
Das höchste Innovationspotenzial legt Buch.de immer dann an den Tag, wenn es um die Umgehung der Buchpreisbindung geht. Da entstehen dann auf einmal ganz faszinierende Lösungen und Partnerschaften.
Ansonsten hat man das Gefühl, dass sich Buch.de zunehmend zur ausgelagerten Online- und IT-Abteilung von Thalia entwickelt, wo man sich als Dienstleister vom Online-Marketing für Thalia bis zur Software-Entwicklung für den Oyo-Reader um alles kümmern darf, was Thalia nicht selber erledigen kann oder will.
Buch.de hat seinen Umsatz im im Oktober abgelaufenen Geschäftsjahr um 24% steigern können – von 104 Mio. Euro auf 130 Mio. Euro (D: 104 Mio. Euro, CH: 26 Mio. Euro). 81,3% davon, also knapp 106 Mio. Euro, entfielen auf Buchumsätze.
Im Weihnachtsquartal, als man weniger aggressiv mit (Gutschein-)Discounts arbeiten konnte, ist das Wachstum auf 7,7 % zurückgegangen.
Buch.de steht natürlich – wie Bücher.de auch – vor dem Dilemma, dass die größte Chance für alle Online-Player gerade darin besteht, dem darbenden Stationärhandel aggressiv Marktanteile abzujagen. Würde man eine solche Strategie fahren, würde das allerdings vor allem die jeweiligen Mutterunternehmen schmerzen.
Das sind beste Voraussetzungen für neue Marktteilnehmer, die freier und unabhängiger agieren können. Denn ohne Zweifel bestehen auch heute noch jenseits von Amazon erhebliche Marktchancen für neuartige "Buch"-Händler, wie man gerade wieder am Aufstieg von Apple sieht.
Nach der heutigen Aufsichtsratssitzung von Douglas erfährt man vielleicht auf der morgigen Hauptversammlung von Buch.de schon weitere Details über das Schicksal des deutschen Buchhandels.
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Kategorien:Shopboerse
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