"Das ist Kapitalismus in Reinkultur", tönte es letzte Woche allen Ernstes in Sachen Neckermann.
Während die Gewerkschaftsfunktionäre die (Online-)Welt nicht mehr verstehen und sich mit frühkapitalistischen Parolen gegen den Strukturwandel stemmen, haben zum Wochenende die Onliner bei Neckermann die Initiative ergriffen, um die nahende Insolvenz doch noch abzuwenden.
Mit einem sehr couragierten Interview wendet sich als Sprecher Sven Selle an die Öffentlichkeit:
"Neckermann läuft die Zeit davon. Das ist das Schlimmste. Es muss nun wirklich schleunigst etwas geschehen.
Ich gehöre einer Gruppe von Mitarbeitern an, die als Vertreter einer spontanen Initiative agieren, und wir versuchten von Anfang unserer Aktion an schlichtweg zu vermitteln.
Wir haben das ganze Wochenende über beraten. Und dann haben wir entschieden: Wir gehen an die Öffentlichkeit, egal, was das für uns persönlich bedeutet."
Im Interview mit der Frankfurter Rundschau beschreibt er den "Aufstand der Beschäftigten" nach der Betriebsversammlung am letzten Donnerstag und kritisiert die unrühmliche Rolle der Gewerkschaft, die auf Maximalforderungen besteht und am Betriebsrat vorbei die alleinige "Deutungshoheit in der Öffentlichkeit" übernommen habe.
Ziel ist es, dass die Verhandlungen über die Zukunft von Neckermann wieder ergebnisoffener laufen.
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kein einziges wort über die kunden, die neckermann vermissen werden oder auch nicht. und welche schließlich auch die gehälter bezahlen oder auch nicht…
Wenn mann keine Ahnung hat und nicht die Details kennt, sollte man besser den Mund halten.
Guter Tipp, aber es wird erlaubt sein, sich aus den öffentlich bekannten Infos eine Meinung zu bilden.
Mittelfristig entscheiden nicht der Eigentümer, nicht die Unternehmensleitung und auch nicht der Betriebsrat über Neckermanns Zukunft. Die Entscheidung liegt allein bei den Kunden.
Letztlich können nur die Kunden mit ihrer Geldbörse Neckermann retten. Es bleibt spannend, ob sich die Firma nochmals aufrappeln und den Kunden ein attraktives Gesamtpaket präsentieren kann.
Es tut mir um die Mitarbeiter leid, welche die richtigen Ideen haben und welche damit bei den Entscheidungsträgern kein Gehör finden. Es ist schlimm, wenn Du als Mitarbeiter als Mitfahrer auf einem Schiff sitzt und ohne Eingriffsmöglichkeiten miterleben musst, wie es von den Unternehmenskapitänen und den Betriebsratsnavigatoren vor den Eisberg gelenkt wird.
Bei Fällen wie Schlecker, Neckermann & Co. fragt man sich heutezutage auch, was eigentlich riskanter ist: Die vermeintlich “sichere Angestelltentätigkeit” auf einem großen Firmen-Supertanker? Oder die “ach so unsichere” Selbstständigkeit in der eigenen Unternehmens-Nussschale?
@ Christian Rothe: Absolut korrekt, neckermann.de hat nur dann eine Überlebenschance, wenn dem Unternehmen gelingt, Kunden nachhaltig zu begeistern und zu binden.
Die Initiative bei uns hat sich auch aus dem Grund gebildet, weil genau das nicht mehr im Mittelpunkt der Diskussionen stand und viele Leute in unserem Unternehmen den Eindruck gewonnenen haben, das die Verhandlungsparteien sich gegenseitig Vorbedingungen stellen, die nicht erfüllbar sind und damit das Schicksal des Unternehmens nicht mehr an der Sinnhaftigkeit oder Problematik von Geschäftsmodellen sondern an Details der Umsetzung eines Restrukturierungsprozesses hängt.
Ich möchte auch an dieser Stelle deutlich machen, dass sowohl ich als auch die anderen der Initiative und der MitarbeiterInnen, die uns dabei tatkräftig unterstützen, mit allen gebotenen Mitteln auf alle Seiten der Verhandlungsparteien (Geschäftsführung, Betriebsrat, verdi) eingewirkt haben und versuchen, alle Seiten zum Bewegen zu bringen. Wir selbst waren nie Teilnehmer der Verhandlungen sondern nur eine Stimme, die aktiv ihre Vermittlung angeboten hat und Leuten eine Stimme verleihen will, die bis dato nicht gehört wurden, weil es an der entsprechenden organisierten Lobby fehlt. Uns haben dabei auch viele MitarbeiterInnen unterstützt, die selbst von Kündigungen betroffen sein werden, die selbst in der Gewerkschaft sind usw.
Und wir brauchen dazu natürlich auch Bewegung beim Mehrheitsgesellschafter von neckermann.de, das haben wir ebenso deutlich gemacht.
Nach der Insolvenzgefahr nicht vor der Insolvenzgefahr?
Ich kann ja nur als externer Beobachter mir ein Bild über die Situation bei Neckermann machen. Aber aufgrund meiner Erfahrungen klingeln bei mir derzeit ziemlich viele Alarmglocken – selbst, wenn die Insolvenz in letzter Minute abgewendet werden könnte.
Personalentlassungen ist das Eine. Möchte man aber die neue Strategie einschlagen, dann lauern aus meiner Sicht viele weitere Probleme.
Sicher wird man noch weiter über das Thema Personal reden müssen (reichen für die neue Strategie nicht sogar nur 50-70 Mitarbeiter?) und ob bei einer reinen Online-Plattform nicht ein Geschäftsführer ausreichend ist, usw.
Ich sehe aber insbesondere bei den Fixkosten und dem künftigen Geschäftsmodell zahlreiche Herausforderungen.
Es wird sicher nicht damit getan sein, einfach online weiter so zu machen, wie bisher – nur halt als reine Plattform, also einfach ohne eigenem Sortiment.
Hier müsste ein kompletter Umbau hin zu mehr Markenbildung und Differenzierung von amazon, quelle, otto, zalando usw. erfolgen.
Ein eigenes Profil muss her, was – wenn man es richtig machen möchte – sicher Auswirkungen auf die Einführung eines neuen Shop-Systems haben könnte.
Auch ist fraglich, ob ein reines Online-Geschäft diese komplexe Systemlandschaft im Hintergrund noch so benötigt und finanzieren kann. Wenn mich nicht alles täuscht, ist vieles auf SAP umgestellt. Die Kosten für den Betrieb der Gesamten IT-Infrastruktur möchte ich gar nicht erst schätzen… Hier kann sich jeder ein Bild machen.
Alternativ müsste man alle Systeme umstellen, was wiederum viel Zeit und Geld kosten würde…
Wir machen mal eine einfache Rechnung.
Angenommen ein durchschnittlicher Provisionssatz läge hier bei 17% (man kann ja nicht viel mehr verlangen als bei amazon, mein paket oder quelle).
Vielleicht kann man ja auch noch Werbeplätze verkaufen und die Versandgebühren hat man ja auch noch.
Dennoch: Von diesem Provisionssatz plus ein paar Euro aus Werbung, Adressvermietung, etc. muss ALLES (inkl. Mitarbeiter, Werbung, Miete, Mitarbeiterausstattung, Betrieb, etc.) finanziert werden. Auch die Transaktionsgebühren (ca. 3% an Kreditkartengebühren, 5-10% an Affiliate-Provision, Gebühren für Bonitätsprüfung, Shop- und Hardware-Betrieb und Weiterentwicklung, Versandgebühren für Newsletter, Online-Werbung usw. – möchte gar nicht weiter in die Tiefe gehen…).
Man kann sich an 5 Fingern abzählen, dass dies ein ziemlich enges Unterfangen werden könnte…
Fragen über Fragen… Ich bin schon ziemlich gespannt, wie die Strategie aussehen wird, die sicherlich bekannten und hier nur angerissenen Herausforderungen anzugehen.
Ich drücke neckermann auf jeden Fall ganz ganz fest die Daumen!!!
Insolvenzantrag ist gestellt. Das muss aber ja noch nix bedeuten…
Es ist leider wahr. Wir sind alle erschüttert. Wir hatten heute Morgen noch einmal eine große Unterschriftenaktion gestartet, an der sich unglaublich viele MitarbeiterInnen beteiligt haben, und in der wir unseren Mehrheitsgesellschafter eindringlich baten, dem gestern mühsam errungenen Kompromiss zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmervertretungen zuzustimmen.
Leider hat sich Sun Capital anders entschieden, und wir kennen die genauen Hintergründe für diese Entscheidung nicht wirklich.
Mir tut es sehr leid für alle hier bei neckermann.de, insbesondere für die, die gerade in den letzten Tagen auf allen Seiten so gekämpft, verhandelt und sich so unglaublich engagiert für einen Fortbestand des Unternehmens eingesetzt haben.
Da ich ein unverbesserlicher Optimist bin, hoffe ich nun, dass dieses Unternehmen im Rahmen des entstehenden Verfahrens eine neue Chance bekommt.
Danke auch an alle, die sich aufgrund von Jochens Beitrag spontan bei mir /uns gemeldet haben und uns Glück gewünscht und uns unterstützt haben!
Ich will nicht behaupten, dass wir Onliner bei Neckermann immer richtig lagen. Aber es gab und gibt eine bestimmte Kultur, die uns stets ausgezeichnet hat:
Kundenorientierung, Offenheit für interessante Ideen und einen gesunden Pragmatismus.
Insofern verwundert es wenig, wenn die Stimme der Vernunft und des Kompromisses, aber letztlich auch des Anstands, sich in den dramatischen letzten Tagen ausgerechnet aus diesem Zirkel rekrutierte: Meine besondere Hochachtung, Sven, aber auch für all die anderen couragierten Kollegen! Ich bin in diesem Moment einmal mehr unglaublich stolz, dass ich lange Zeit Teil dieser Gruppe von klugen, engagierten und hart arbeitenden Menschen sein durfte.
Aber ich bin auch aufrichtig erschüttert zu sehen, dass sich zwei Jahrzehnte solider eBusiness Aufbauarbeit letztlich doch nicht gegen die gefährliche Mischung aus Inkompetenz, Ignoranz und Selbstüberschätzung durchsetzen konnten, die das Unternehmen in etlichen Bereichen bis in die Führungsebenen hinein auch noch zuletzt durchzog.
Wenn jedes Ende auch ein Anfang ist, dann wünsche ich mir daher, dass der Neuanfang für neckermann.de eine echte Zäsur wird. In die Leitung eines neuen neckermann.de gehören dann genau diese oben erwähnten couragierten und kompetenten Kollegen, die schon immer für ein innovatives, von Menschen für Menschen gemachtes eBusiness standen. In der zweiten Reihe hat dieses Konzept bereits seit vielen Jahren hervorragend funktioniert. Zeit, es nun auch zum tatsächlichen Kern und Antrieb des Unternehmens zu machen, zur neuen DNA. Wenn dafür am Ende sogar noch der alte Josef über Bord muss – wenn nicht jetzt, wann dann?
Alles Gute für die nächste Zeit und einen möglichst reibungslosen Neubeginn. Ich verspreche ein paar ordentliche Orders beizusteuern, wenn Ihr durchstartet.
OhhOhh für Angeschlossene Händler: Da ja kaum zu erwarten ist, dass die avisierte Auszahlung für Juni 2012 kommenden Freitag erfolgen wird und auch der halbe Juli bereits komplett ausgeliefert wurde, wird es wahrscheinlich auch viele Händler in Bedrängnis bringen, die auf Neckermanns Lieferantenplattform aktiv waren. Mir sind da mehrere Kunden bekannt, die für 100TEUR und mehr ausgeliefert hatten und für die es nun extrem eng wird. Wirklich bedauerlich.
Ich fand Neckermann war auf einem richtigen Weg, aber letztlich haben wohl auch die Traditionen, die Lohnstruktur und der “Wasserkopf” kaum Chancen gelassen sich gegen Amazon und Zalando durchzusetzen.
Aufgefallen ist mir bei den Neckermann-Kunden vorallem der Hang zu Auswahlsendungen und die hohe Rücksendequote. Glaube, dass Thema ist dort viel schlimmer als bei Amazon, weil die Leute es über Jahrzehnte so gewohnt sind. Schade, schade.
@Knud:
Interessanter Hinweis! Haben die Partner schon ihre Bestände für den Weg Neckermann aufgrund des Risikos auf Null gesetzt?
Dann bekommt ja neckermann ein weiters Problem… Eigentlich wollen sie ja den Betrieb versuchen aufrecht zu halten…
@HaJö Stimme Dir voll zu.
Problematischer wurde es für die eher unternehmerisch denkenden Onliner besonders, als die Unternehmerkultur immer stärker der Management/Verwaltungskultur weichen musste…
@hagen unter neckermann.de kannst du es im reiter Marken sehen. viele ehemalige Partner fehler völlig z.B. görtz, baby-walz, Street One,Vertbaudet, CECIL usw. haben keine Artikel mehr gelistet… …kein eigener einkauf und keine partner = kein sortiment?!
@Stefan
Hilft nur noch Lager leer verkaufen. Die Umsätze werden sicher fehlen, um den Betrieb auch in der jetzigen Insolvenz-Stufe einigermaßen weiterlaufen lassen zu können… Die Werbung scheint schon abgeschaltet zu sein…
Organische Google-Seiten führen bereits ins leere und Landingpages aus dem Index( z.B. die von Vertbaudet: http://www.neckermann.de/Vertbaudet/107782569,de_DE,sc.html ) führen nur noch auf leere Seiten dahinter…
Sorry – Offtopic, aber mir fällt gerade auf das Stephan mal wieder genau zur richtigen Zeit Kasse gemacht hat – Zufälle gibt’s….
Möchte gern in meine Verfahreneninformation einsehen, mir wurde eine PIN Nummer zugeteilt,
werde nicht auf diese Seite geleitet .
Soll Adresse eingeben: http://neckermmann.insolvenz-solution.de
diese Seite wird nicht angezeigt
wie wärs einfach mal mit der richtigen Schreibweise? http://neckermann.insolvenz-solution.de