von Matthias Hell
„Die Buchbranche war nie der Nabel der Welt. Doch wir
fühlten uns wie der Nabel der Welt.Die letzten bemerkenswerten gesellschaftlichen Umwälzungen
der Welt wurden jedoch nicht durch Bücher, noch nicht einmal durch deren viel beschworene
Essenz, den Content, ermöglicht und ausgelöst. (…) Im 21. Jahrhundert haben
eindeutig nicht Bücher, sondern technische Geräte die Welt und die Idee, die
wir uns von der Welt machen, verändert.Mehr noch als die wieder einmal rückläufigen Umsätze der
Buchbranche und die wachsende Bedeutung des E-Books ist es diese Erkenntnis,
die der Branche das Selbstbewusstsein raubt.“
So „Webagentin“ Silke Buttgereit in einem
lesenwerten Fazit zur Leipziger Buchmesse – einer Branchenschau, die sich ihrer Beobachtung zufolge „vom
eingebildeten Zentrum des Weltgeschehens zum gefühlten Arsch der Welt bewegt
hat – und die sich dieser Erkenntnis nicht mehr verschließt.“
Neue Vertriebsmodelle
Hybride Publisher:
Der zwischen Self Publishing und konventionellem Verlag alternierende hybride
Autor ist schon seit längerem Subjekt der Branchendiskussion. In zwei aktuellen
Beiträgen beschäftigt sich Futurebook nun mit Verlagen, die Self Publishing als
Option zur Erweiterung ihres Angebotsspektrums einsetzen. Während der
Blogbeitrag „A
classless community“ vor den halbherzigen Vorstößen etablierter
Verlagshäuser warnt, propagiert Timo Boezeman das Mischmodell unter dem Titel „Go hybrid!“ als
valable Zukunftsstrategie für Publisher.
comiXology Submit:
Um in der boomenden Self Publishing Szene für Differenzierung zu sorgen, setzen
immer mehr Startups auf genrespezifische Lösungen. Mit comiXology Submit geht
nun erstmals eine Selbstverlags-Plattform speziell für Comic-Autoren an den
Start. (via Good
eReader)
Mikrotext: Von der
Autorin zur Netz-Verlegerin: Nikola Richter, bisher vor allem als Schriftstellerin
und Bloggerin aktiv, hat mit Mikrotext einen eigenen E-Verlag gegründet. Das
Motto lautet „short digital reading“ und für den Anfang sind jeweils zwei
E-Singles pro Quartal geplant. (via Börsenblatt)
"Discoverability"
The Underground
Library: QR-Shopping für wartende U-Bahn-Pendler ist in anderen Branchen bereits Realität. „The
Underground Library“ will nun Bahnpassagiere mittels virtuellem Buchregal und
dem Download von Leseproben zu neuen literarischen Entdeckungen bewegen. (via Buchreport)
Neue Erzählformen
TREEbook: Das
Publishing-Unternehmen Medallion hat mit TREEbook ein interaktives E-Book
Format entwickelt, bei dem Parameter wie die jeweilige Lesegeschwindigkeit über
den Fortgang der Erzählhandlung entscheiden. Mit der Veröffentlichung der App MMG
Sidekick steht nun eine erste Anwendung für das neue Buchformat sowie erste TREEbook-Titel
zum Download zur Verfügung. (via Publishers
Weekly)
Struktureller Wandel
Amazon: Das
Portfolio der Amazon-Imprints wächst weiter. Die neue Verlagslinie „Little A“
wird sich mit Belletristik – Romane, Memoiren und Geschichtensammlungen –
beschäftigen. Die dazugehörige digital-only Serie „Day One“ bringt Kurzgeschichten
junger Autoren heraus. (via Paid
Content)
Self Publishing:
Die Marktbedeutung von Titeln, die via Self Publishing erscheinen,
verdeutlichen zwei aktuelle Meldungen. So berichtet Amazon, dass die Hälfte der
meistverkauften Kindle-Bücher des Jahres 2012 aus dem Self Publishing Programm Kindle
Direct Publishing stammte (Pressemitteilung).
Der Publishing-Dienstleister Tredition meldet unterdessen, dass im vergangenen
Jahr 19 Prozent der deutschen Neuerscheinungen von Eigenverlegern kamen
(via Buchreport).
Buchhandel im Umbruch
Orell Füssli: Die
Rede ist von einer „Allianz gegen Amazon“, doch in Wirklichkeit geht es eher um
eien Zweckallianz zweier angeschlagener Buchhändler: Der eidgenössische
Filialist Orell Füssli hat angekündigt, sein Handelsgeschäft mit dem Schweizer
Thalia-Filialen zusammenzuführen. (via NZZ)
Mayersche: Die
Mayersche Buchhandlung hat sich vom White-Label-Onlineshop des Grossisten Libri
verabschiedet und setzt nun auf eine eigene Shop-Lösung auf Oxid-Basis. Zwar
sieht der Shop gut aus und hat man sich auch reichlich Sachverstand ins Haus
geholt, doch steht in Koblenz bereits die nächste Schließung einer stationären
Mayersche-Filiale an. (via Buchmarkt)
Unter der Rubrik Buchhandel 2020 bringen wir jede Woche das Spannendste zu
den strukturellen Umbrüchen in der Buchbranche („Buchlos
in die Zukunft“).
Frühere Beiträge zum Thema:
- Buchhandel 2020: Tolino und der Nook-Flop in den USA
- Buchhandel 2020: "Amazon gives us a level playing field"
- Umbrüche im Buchmarkt: „Discoverability is a business problem, not a user problem“
- Umbrüche im Buchmarkt: „Words are a growth market”
Kategorien:Buchhandel