Erst das Debakel mit Yapital – und nun das Schlamassel mit PowaTag (“Ottos Mobile-Shopping-Hoffnung meldet Insolvenz an“). Selbstüberschätzung und ein fehlendes Gespür für Markt und Möglichkeiten lassen den Otto-Konzern wieder und wieder in dieselben Fallen tappen.
Nach der bitteren Bilanz für 2014/15 ging es im laufenden Geschäftsjahr rund im Otto-Reich. Die erwartete Portfolio-Bereinigung im großen Stil blieb zwar aus. Hier kam es nur zu vereinzelten Verkäufen – von Alba Moda, Bürgel, Taylormail, Arqueonautas und Otto Office.
Stattdessen spielte der Otto-Konzern 2015/16 Game of Thrones: Das großes Stühlerücken erfasste das gesamte Reich und führte u.a. zu einem personellen Blutbad bei Sport Scheck und zur Verbannung des Direktors des E-Commerce Competence Centers auf einen verlorenen Posten weit weit weg. Die Dramen hinter den Otto-Personalien dieses Jahres sind noch größtenteils unerzählt.
Unverändert hielt sich nur die Altherren-Riege an der Konzernspitze. Doch selbst das lässt sich gesellschafterseitig durchaus auch als Strafmaßnahme deuten. Denn noch ist nicht raus, wer den Konzern ab 1.1.2017 führen soll/darf/muss.
Nachdem der natürliche Thronfolger frühzeitig abgewunken hat, scheint weiterhin alles möglich (“Exchanges #95: Benjamin vs. Otto“).
Außerhalb der Konzernstrukturen wird Otto jedenfalls zunehmend umzingelt von Branchenvertretern (“Ottos e.ventures verstärkt sich mit ehemaligen Rocketkräften“) mit sehr konträren Ansichten (“Warum Rocket Internet wichtig für Deutschland ist”) zur Konzernführung.
Bemerkenswert ist ja, wie speziell Tengelmann (“Was Tengelmann Douglas und Otto inzwischen voraus hat“) als familiengeführtem Unternehmen, aber zunehmend auch der Metro-Gruppe gelingt (“Media Saturn gibt sich endlich eine vernünftige Unternehmensstrategie“), womit sich die Otto-Gruppe seit Jahren so schwer tut (“Otto Bilanz 2010: Schafft Otto den Evolutions-Sprung?“).
Mehr zum Thema auch in den Exchanges #99 (“Reinventing Otto“) und in den Exchanges #119 (“Kommt der Angriff der Großkonzerne?“).
Frühere Beiträge zum Thema:
- PowaTag: Ottos Mobile-Shopping-Hoffnung meldet Insolvenz an
- Wieso hält sich Otto immer noch für die Nr. 2 im E-Commerce?
- Wie Mytoys im Otto-Konzern zum Online-Überflieger wurde
- Otto bringt Yourhome ein zweites Mal an den Start
- Otto holt sich für Zitra-Expansion 10+ Mio. Euro von JD.com
- Ottos e.ventures verstärkt sich mit ehemaligen Rocketkräften
- Mytoys: Otto erhöht auf 95% und zahlt die Gründer aus
- Liefery statt Shutl: Otto springt mit 28,5% für die Lufthansa ein
- Als Otto erkennen musste, dass sich Zalando Metrigo geschnappt hat
- Exchanges #99: Reinventing Otto
Kategorien:Ultimondo
Einen Artikel mit denselben Themenfeldern (gescheiterte Projekte, bittere Bilanzen, Chefwechsel etc) würde mich über Rocket Internet mal interessieren :-)
Ich finde, wenn man schon mit Dreck spielen möchte, dann sollte man sich den richtigen Sumpf aussuchen.
Hat es in den Medien je andere Artikel über Rocket Internet gegeben? :-)
Siehe dazu auch das letzte Rocket-Update “Rocket Internet und das verkorkste Börsenjahr 2015” http://excitingcommerce.de/2015/12/18/rocket-internet-und-das-verkorkste-borsen-jahr-2015/
den Chefwechsel bei Home24: https://excitingcommerce.de/2016/02/01/chefwechsel-home24-nach-der-fashionforhome-ubernahme/
und im Zusammenhang mit Hellofresh den Verweis auf “Pizza und Pasta: Oliver Samwer riskiert viel und verliert” http://www.deutsche-startups.de/2016/02/09/oliver-samwer-riskiert-viel-und-verliert/
Wenn man mal Gründerszene verfolgt, gab es da in den letzten Monaten noch einige mehr. DeliveryHero z.B. ist auch keine lupenreine Success-Story mehr und da sind noch einige andere, die entweder gerade kräftig gerupft wurden oder komplett out-of-business gegangen sind. Von daher musst Du schon zugeben, gibt es bei Fehlschlägen aus dem Hause Otto immer den größeren Bahnhof.
;-)
Lieber Jochen,
langsam wird es langweilig. Immer und immer wieder auf Otto herumzuschlagen. Ich würde mich freuen, wenn generell mehr Positives zu vermelden wäre auf Exciting (!) Commerce.
in dieser Woche gabs jede Menge Positives/Erfreuliches/Spannendes – von ShowroomPrive, Chal-Tec, Vorwerk, Asics, etc.
Auch von der Otto-Gruppe gab es zuletzt “Positives” über die Mytoys-Group, Project A, e.ventures, Florian Heinemann, etc.
Das heißt aber nicht, dass man den Rest von Otto aussparen kann/muss. Schließlich ist die Zukunft von Mytoys, About You & Co. extrem abhängig von den Konzernentwicklungen.
Lieber Kai und Arne,
spannend ist die Krisch-Lyrik von der angeblich so zukunftsunfähigen Otto Group auch für uns nicht mehr. Klar, die stalinistische Otto Group “verbannt” Top-Manager, indem man sie auf Geschäftsführerposten führender Konzerngesellschaften ins “ferne” Karlsruhe strafversetzt. Das ist alles nur noch überdreht, in diesem Fall einfach absurd. Sonntägliche Grüße von Thomas Voigt/Otto Group Kommunikation
Chief Digital Officer bei Heine zu werden ist sicherlich der Traum eines jeden Direktors eines gruppenübergreifenden E-Commerce Competence Centers …
Die Beiträge und Formulierungen sind nicht überdrehter als die Otto-üblichen PR-Aussendungen, wo man ja auch weiterhin von der weltweiten Nr. 2 im E-Commerce träumt. Ich versuche mich da lyrisch bewusst anzupassen.
Spannend wäre im übrigen ein Kommentar zu den Vorkommnissen bei Powa Technologies gewesen.
Jochen, du solltest mal die Anti-Otto-Brille absetzen und realistisch und fair bleiben.
Ich kann mich noch an einen Podcast von dir erinnern, wo du die tolle Rocket-PR lobst, die bewusst verfälschte bzw. geschönte Infos verbreitet hat. Sie können “die PR-Klaviatur perfekt spielen”, so in etwa war dein respektvoller – wenn auch mit einem Schmuzeln bedachter – O-Ton!
Das Trommeln zur PR dazu gehört, ist doch nichts Neues und mitnichten nur bei Otto so.
Otto ist ein deutsches Traditionsunternehmen, welches aus eigener Kraft zu einer E-Commerce Macht in Deutschland ausgestiegen ist. Dass es in alteingesessenen Konzernstrukturen langsamer und bedächter voran geht, als bei Newcommern ist doch selbstverständlich. Und das auch nicht jeder Newcommer a) die Zeichen der Zeit so schnell erkannt hat wie ein Amazon und b) eine Firmenchef hat, der so rigoros seine Ziele (welche auch immer das langfristig sein mögen) verfolgt, sollte auch klar sein.
Mir ist ein Unternehmer, welches nachhaltig Arbeitsplätze in Deuschland schafft, hier seine Steuern abführt und dabei vielleicht langsamer aggiert als andere lieber, als diese mit Fremdkapital aufgepumpten E-Commerce-Blasen, die erstmal beweisen müssen, dass deren Millardenbewertungen auch wirklich gerechtfertigt sind und sie wirklich nachhaltig Gewinne generieren können. Wie schnell deren Zauber verfliegt, wenn die Börsen wieder in den Normalzustand fahren, hat man Anfang bis Mitte Februar bei dem klitzekleinen Rücksetzer ja gesehen.
Ich hoffe, dass die OTTO Gruppe in Zukunft für alle ihre Mitarbeiter nachhaltige Arbeitsplätze schafft. In der jüngeren Vergangenheit war das nicht immer der Fall. Daher zum Thema Kritik ein kleines Zitat: “Die Freunde nennen sich aufrichtig; die Feinde sind es: daher man ihren Tadel zur Selbsterkenntnis benutzen sollte, als eine bittere Arznei.” (Arthur Schopenhauer).
Es verwundert mich doch sehr, dass ich offensichtlich der einzige bin, der sich an der Begrifflichkeit “Blutbad” bei Änderungen in der GF stört. Bin ich durch aktuelle Geschehnisse so geprägt und verweichlicht? Oder hat der Verfasser in diesem Punkt nicht alle Latten am Zaun und ließ sich durch seine offen ausgelebte Antipathie zu so einem Faux Pas verleiten? “das Reich”? Ich muss das erstmal sacken lassen…