Bisher hat Amazon die Gewinne aus dem operativen Geschäft gleich wieder reinvestiert. Deshalb hat unsere Frage in den Early Moves (“Why is Amazon all of a sudden not re-investing all its profits?”), der internationalen Ausgabe von Exciting Commerce, diese Woche für reichlich Diskussionsstoff gesorgt.
Amazon hat sich in den letzten Jahren zunehmend Richtung Dienstleister und Infrastruktur-Anbieter entwickelt. Die Gewinne aus den Amazon Web Services übersteigen inzwischen die Gewinne aus dem US-E-Commerce-Geschäft, wie die jüngsten Ergebnisse (PDF) zeigen:
Könnte es sich bei der Ausweisung der Gewinne nur um eine taktische Maßnahme handeln, um dann alsbald weitaus größere Infrastrukturprojekte anzugehen – zum Beispiel in der Beschaffungs- und Versandlogistik?
Die Konkurrenz ist zwar skeptisch (“Otto-Chef: “Kann mir nicht vorstellen, dass Amazon eine autonome Paketlogistik aufbaut””) und hält sich selbst für gut genug (“Post-Chef Appelt: “Was macht Amazon anders als wir? Nichts!””). Doch das dachte der Handel auch.
Amazons “Project Dragon Boat” oder die kolportierte Übernahme des Flughafens Hahn deuten in Sachen Logistikambitionen eine andere Richtung.
Allerdings: Wenn man sich Amazons jüngste Markenanmeldungen ansieht, sieht man, dass Amazon als Infrastruktur-Provider durchaus noch Ideen für andere Großprojekte hätte, u.a. im Energiesegment – für Amazon Solar Parks und Amazon Wind Parks.
Regelmäßige Amazon-Updates gibt es auch in den Exchanges (“Best of Exchanges: Amazon im Höhenflug“)
Frühere Beiträge zum Thema:
- Amazon legt die Wachstumslatte für 2016 auf +28%
- Amazon Prime Now Updates für Frankfurt und Berlin
- Amazon Deutschland wächst 2015 auf 10,6 Mrd. € (+19%)
- Best of Exchanges: Amazon im Höhenflug
hmm, also die interpretation mit dem taktieren von amazon kommt mir ein bisschen erbsenzählerisch/deutsch vor. zumindest auch funktionierend wäre die erklärung, dass sie im segment retail noch immer alles reinvestieren aber halt aws abschöpfen (kommt in etwa hin). dass amazon auf diesem level wie ein taschendieb blöfft kann ich mir kaum vorstellen.
taktieren nicht im Sinne von blöffen, sondern im Sinne von: den Anlegern erstmal deutlich vor Augen führen, dass man auch Gewinne machen kann, um dann wieder in den Investitionsmodus überzugehen.
Mit diesen Zahlen unterstreicht man ja genau, dass das Dienstleistungs-/Infrastruktur-Geschäft für Amazon hochlukrativ sein kann …
Das scheint v.a. vor dem Hintergrund der sich abkühlenden Investorenstimmung in den USA plausibel.
Es war immer ein grosser Kritikpunkt aus Investorensicht, dass Amazon nie Gewinne ausgewiesen hat. Aber es war auch für das Unternehmen ein Problem, wenn die Motivation der Mitarbeiter durch wertlose Stockoptions nicht steigt oder man im Kampf Toptalente gegen Google und Co verliert.
Seit AWS extrem wächst, ist man in der komfortablen Lage, das zu ändern. Der Kursanstieg seit 1,5 Jahren ist massgeblich auf AWS zurückzuführen. Also kein Loblied auf E-Commerce. Eher ein Geschenk für eine risikoreiche Entscheidung vor mehr als 10 Jahren, auf dieses Geschäftsfeld zu setzen. “Cloud” war zwischenzeitlich ja schon mal fast tot.