Social Commerce: Wie sich Zlio selber das Wasser abgräbt

Zlio ("My Very Own Store"), der Exciting Commerce Star des Jahres 2006, war einmal eines unserer Vorzeigebeispiele in Sachen Social Commerce. Bei Zlio kann sich jeder einen eigenen Verkaufsstand einrichten, seine Lieblingsprodukte zusammenklicken und dann mehr oder weniger aktiv vermarkten. Zuletzt hat Quelle das Modell als QStores kopiert.

Die Zlio-Macher schienen zunächst alles richtig zu machen, sie operierten sehr nutzerorientiert und ließen sich vieles einfallen, um die Einnahmen der Nutzer (und damit auch ihre eigenen) zu steigern, indem sie kontinuierlich neue Erlösquellen erschlossen und die Nutzer mit regelmäßigen Mailupdates schulten und auf neue (Verkaufs-)Ideen brachten. Der Aufstieg erfolgte quasi lehrbuchmäßig (und kann noch heute als Vorbild für jedes nutzergetriebene Unternehmen dienen). 

Zlio2009

Der Abstieg erfolgte dann allerdings leider ebenfalls nach Lehrbuch. Denn irgendwann, genauer müsste es heißen: bald nach der ersten, großen Finanzierungsrunde, haben die Zlio-Macher die eigenen Nutzer als Erlösquelle entdeckt. Was verführerisch ist, wenn man sich einen gewissen Nutzerstamm erarbeitet hat – und was von Investoren-Seite, die direkte Monetarisierungsmodelle nachwievor über alles lieben, extrem gerne gesehen wird und neurdings sogar mit Buzzword-Unterstützung als sog. Freemium-Modell angepriesen wird.

Freemium-Modelle eignen sich in bestimmten (Ausnahme-)Fällen (wie Flickr, Xing, etc.), sehr gut, um das eigene Angebot zu monetarisieren. In den meisten Fällen stehen die zu erwartenden Premium-Erlöse allerdings in keinem Verhältnis zu den Wachstumseinbrüchen, die so ein Schritt nach sich zieht: 

Zliodownturn

Man kann sich gut vorstellen, was passieren würde, wenn Google,
Facebook oder Twitter auf Freemium-Modelle setzen und auf einmal
Nutzergebühren einführen würden. Auch wenn es extrem mühsam ist: Massenattraktive Angebote müssen online nach indirekten Erlösmodellen suchen. 

Für ein Zlio aber, das sich auf die Fahnen geschrieben hat, seine Nutzer quasi reich zu machen, ist ein Freemium-Modell natürlich fatal. Man kann sich ausrechnen, was passiert, wenn die Masse der Nutzer das Gefühl hat, mit einer minderwertigen (Basis-)Version abgespeist zu werden, während es die optimale Version nur gegen Aufpreis gibt.

Das kann man machen, wenn man konkurrenzlos gut ist. Aber nicht, wenn Amazon ein mindestens so gutes Angebot kostenfrei anbietet, das sich zwar auf das Amazon-Sortiment beschränkt, aber inzwischen sogar von Händlern wie Reno genutzt wird.

Natürlich hätte Zlio die Chance gehabt, über das Basisangebot hinaus professionellere Versionen, Ableger oder Zusatzservices gegen Entgelt anzubieten. Nur müssten sich diese dann an professionelle Nutzer/Anbieter wenden, und die Ableger würden dann wohl stärker an klassische Affiliate-Programme erinnern. Gegen einen solchen Schritt sprechen natürlich die Zusatzaufwände – vom Marketing bis zur Entwicklung.

Der Fall Zlio ist durchaus symptomatisch für viele andere Dienste, denen es ähnlich ergeht. Ist aber umso bedauerlicher, da Zlio einen sehr guten Start hingelegt hat und auf ein vergleichsweise erfahrenes Management bauen konnte.

Betrüblich ist nur zu lesen, wie sich der Zlio-Gründer jetzt windet und auf die Tränendrüse drückt, anstatt klipp und klar zu sagen: Es ist uns nicht gelungen (warum auch immer), unseren Service so weiterzuentwickeln, dass er von vielen oft und gerne genutzt wird. Über widrige Umstände zu lamentieren und dann ausgerechnet die (treusten) Nutzer zur Kasse zu bitten, dürfte auch in Frankreich nicht die feine englische Art sein.

PS: Wir vermeiden Beiträge dieser Art, da sie in der Regel zu nichts führen als zu besserwisserischen "Ich habs ja immer gesagt"-Kommentaren. Aber gerade Zlio kann für andere Gründer und Innovationstreiber ein hilfreiches Beispiel sein, weil man hier sehr genau die kritischen Wendepunkte erkennen kann.

Zur weiterführenden Lektüre empfehlen wir "Free" von Chris Anderson und "Was würde Google tun?" von Jeff Jarvis. Dort werden genau die relevanten Fragen diskutiert.

Frühere Beiträge zum Thema:



Kategorien:Social Commerce

1 Antwort

  1. „Sie schienen zunächst alles richtig zu machen“… Wirklich? Nachdem die vielen Zlio Verkaufsstände dann nach ein paar Monaten aus dem Google Index geflogen sind, hat sich das Ganze einfach nicht mehr gelohnt, scheints mir.
    M. Rieders

  2. Ist das so?
    Die Aussage mit dem „Richtigmachen“ bezog sich auf Nutzeransprache, Nutzeraktivierung, etc.

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