Debatte: Bekommt der Otto-Konzern die Online-Kurve noch?

Im Otto-Konzern geht es dann doch schneller rund als erwartet. Wie die vergangene Woche gezeigt hat, wird schon das laufende Otto-Jahr weitaus ereignisreicher ausfallen als noch auf den Schönwetterveranstaltungen im Juni angedeutet.

Vier Abgänge und Schließungen gibt der Konzern binnen weniger Wochen alleine im Handelssegment bekannt – und auch das nur auf öffentlichen Druck und durch konsequentes Nachhaken der Presse. Hier die Chronik der letzten beiden Wochen:

Nicht ohne Grund haben wir uns auch diesmal wieder sehr intensiv mit der Otto-Bilanz 2010 ("Die Vergangenheit ist es, die zur Belastung wird") auseinandergesetzt. Schließlich steht der Otto-Konzern vor ähnlichen Herausforderungen wie die Arcandor-Gruppe.

Natürlich war der Ursprungsbeitrag "Das Kataloggeschäft bricht weitaus schneller ein als erwartet" nach einem für Otto vergleichsweise erfreulichen Geschäftsjahr bewusst ketzerisch formuliert.

Doch solange die Otto-Gruppe auf so gut wie keinerlei Online-Aktivitäten verweisen kann, die sich auf absehbare Zeit selber tragen, ist die Freude des Managements über steigende Online-Anteile bei seinen Alt-Versendern mehr als irritierend.

Nur maximal drei Jahre dürften Otto & Co. jetzt noch bleiben, um den Umschwung zu meistern. Zuletzt hat die Konzernführung den Druck zwar spürbar erhöht ("Wir brauchen mehr erfolgreiche Firmen in der Gruppe") und auch weitaus radikaler als üblich damit begonnen auszusieben.

Doch schafft Otto den Evolutions-Sprung vom Versand- zum Online-Handel? Jahrelang hat es sich der Konzern vergleichsweise einfach gemacht und sich lieber auf kataloggetriebene
Multi-Channel-Konzepte verlassen (s. die Multi-Channel-Debatte in den Blogs) anstatt ernsthaft ins Online-Fach einzusteigen.

Selbst in der aktuellen Bereinigungsphase scheint weiter die Devise zu gelten: "Im Zweifel für den Katalog". Ausgerechnet die Online-Versender sind es, die nun als erstes dran glauben müssen. Wie lange aber kann es sich Otto im Wettbewerb mit Amazon & Co. noch leisten, seine eigentlichen Problemversender jährlich mit 100 Mio. Euro zu stützen?

Um einen Online-Pure-Player mit einem gewissen Umsatzvolumen erfolgreich am Markt zu etablieren,
braucht es mindestens drei Jahre. Hat der Otto-Konzern noch genügend Zeit, um die Lücke hinter Limango & Co. zu schließen?

Das Dilemma ist mit dem Aus von Yalook und Discount24 offensichtlicher denn je:
Zum einen fehlt Otto die Online-Erfahrung im Unternehmen, um nicht nur umsatzseitig, sondern auch kostenseitig mit den Strukturen
von Amazon & Co mithalten zu können, zum anderen mangelt es aber offenbar auch am Stehvermögen,
um neuen Konzepte eine echte Chance zu geben ("Wie Otto mit Innovationstreibern umgeht").

Bleibt also die spannende Frage: Bekommt der Otto-Konzern die Online-Kurve noch? Im Grunde ist der Zug längst abgefahren. Aber vielleicht haben die Otto-Strategen noch das ein oder andere Ass im Ärmel.

Die Chronik der Ereignisse:



Kategorien:Shopboerse, Ultimondo

1 Antwort

  1. Die Vergangenheit ist, nach meiner Meinung, das größte Hindernis für den Otto Konzern.
    Die lange „traditionelle“ Otto Versandhandelsgeschichte mit der gewachsenen Verwaltung und den eingefahrenen Arbeitsweisen, Ihren gewaltigen Strukturen und Denkweisen passt nicht in die schnelle digitale Welt von heute. Otto ist einfach zu groß und zu langsam. Der Vergleich mit den ausgestorbenen Dinosauriern erscheint mir in diesem Zusammenhang, gar nicht so abwegig.
    Hier helfen nach meiner Erfahrung keine fließenden Übergänge, nur radikale Schnitte und eine Wandlung, vor allem in der Denk- und Handlungsweise. Schnellere kleinere Einheiten und lieber weniger Umsatz, aber am Ende des Jahres ein positives Ergebnis. Es gibt noch genug Ideen, die auf eine Umsetzung warten. Auch im Otto Konzern!
    Hermes zum Beispiel geht in die richtige Richtung, wenn Sie sich öffnen und sich am Markt als Fulfillment Dienstleister positionieren. Das ist auch heute noch eine wertvolle Kernkompetenz und das kann Otto. In diesem Bereich ist die Versandhandelserfahrung Gold wert, da der Fulfillment Bereich und die Transportlogistik für alle Versender gleich ist. Egal ob Onlineshop oder traditioneller Versandhandel.

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