Strauchelnde Helden: Media Saturn zerfleischt sich weiter selbst

"Bei Metro sieht man schon Parallelen zu Schlecker. Beim Handelsgiganten brennt es an allen Ecken und Enden." (Die Welt über Media Saturn und die Metro)

Der deutsche Einzelhandel kämpft weiter mit sich und der Zukunft. Nicht nur der Otto-Konzern rotiert ("Neuordnung im Otto-Konzern: Wer gewinnt? Wer verliert?"), hat aber glücklicherweise keine Gesellschafter, die sich an den Kragen gehen könnten. Da wirkt immer alles gleich sehr viel beschaulicher (siehe Michael Otto im Interview).

Anders die Metro mit der Media Saturn Gruppe, offiziell noch "Deutschlands und Europas Elektrofachmärkte Nummer Eins". "Nummer Uneins" würde es momentan besser treffen. Denn die Gesellschafter kommen bei der strategischen Ausrichtung auch unter der neuen Metro-Führung auf keinen grünen Zweig und geben sich weiter alle Mühe, sich gegenseitig zu zerfleischen ("Metro will mich enteignen").

Dass es sich bei Media Saturn um keine Ausnahmeerscheinung handelt, sondern um ein strukturelles Phänomen, verdeutlicht der Blick in die USA. Dort ist Best Buy Media Saturn wie immer ein, zwei Schritte "voraus". Bei Best Buy hat der Gründer Richard Schulze nach den jüngsten Turbulenzen seinem Unternehmen schon den Rücken gekehrt und will seine Anteile nun meistbietend abgeben (falls sich ein Abnehmer findet).

Wo man auch hinblickt, ist es momentan ein Hauen und Stechen in den Handelshäusern, einhergehend mit einem Zetern und Jammern über "die bösen Onliner" – und zwar über alle Handelsbranchen hinweg.

Über Schlecker, Leiser, Walz und das Ende der 70er Jahre hatten wir bereits geschrieben. Otto und Media Saturn passen natürlich in dasselbe Raster. Und wir erinnern uns, dass auch der komplette deutsche Buchhandel zur Disposition steht.

Auch hier weist uns die USA den Weg: Nach der Borders-Pleite muss Amazon nur noch Barnes & Noble ausknocken. Da sich auch Barnes & Noble immer noch in Multi-Channel übt und keine wirkliche Online-Strategie vorweisen kann, sollte auch dies für Amazon eine lösbare Aufgabe sein. Erledigen wird sie sich quasi von selbst.

Den Online-Handel kann es freuen, dass die Offliner immer noch vor allem mit sich und ihrer Vergangenheitsbewältigung/verklärung beschäftigt sind. Solange keine ernsthaften Online-Ambitionen da sind, lässt sich diese Zeit weiter nutzen. Auf der K5 Konferenz werden wir sehen, ob und wie der Online-Handel nicht noch ein, zwei Gänge höher schalten kann.

Auf gewisse Weise ist es schon faszinierend: Wer hätte gedacht, dass es die Helden von einst dem Online-Handel so leicht machen würden – im Jahr 2012 (nach bald 20 Jahren Internet)?

Aber so läuft es, wenn vor lauter operativer Exzellenz die strategische Kompetenz verkümmert und das Gespür für gesellschaftliche Entwicklungen und den Markt schwindet. Da blickt man verklärt zurück und klammert sich lieber an vermeintlich Bewährtes statt zu neuen Ufern aufzubrechen.

Frühere Beiträge zum Thema:



Kategorien:Shopboerse, Ultimondo

  1. Ich bin zwar auch ganz Onliner, aber wenn ich mal durch die ein oder andere Ruhrgebiets-Innenstadt gehe, frage ich mich schon, ob ich mich über die fortschreitende Offline-Online-Verlagerung wirklich freuen soll. Als Ergänzung toll, als kompletter Ersatz – bitte nicht!

  2. Keine Sorge, da kommt schon was anderes/besseres. Noch sind die Onliner ja zu schmalbrüstig, um im großen Stil in den stationären Handel einzusteigen.

  3. Bravo: “Aber so läuft es, wenn vor lauter operativer Exzellenz die strategische Kompetenz verkümmert und das Gespür für gesellschaftliche Entwicklungen und den Markt schwindet.”

  4. Die MSH hat ein Strukturproblem. Früher war die Dezentralität eine große Stärke. Jeder Markt konnte sein Sortiment bestimmen. Jetzt sind die Kosten für einen Aussendienst (der ja auch wieder auf den Einkaufspreis raufgeschlagen wird) schon ein großer Kostenblock. Wünschen wir der MSH, dass sie rechtzeigig zur Vernunft kommen und 15.000 Arbeitsplätze unnötig gefährdet werden.

Schreibe eine Antwort zu Thomas D.Antwort abbrechen

%d Bloggern gefällt das: