Otto-Bilanz 2011/12: Erste Details zum Fokus-Programm

Auf der Bilanzpressekonferenz hat Otto-Konzernchef Hans-Otto-Schrader diese Woche erste Details zum Reanimationsprogramm ("Projekt Fokus") für Otto, Baur und Schwab vorgestellt, mit dem die drei Katalogversender enger zusammengeführt und endgültig auf online getrimmt werden sollen.

Hier die Maßnahmen-Pakete aus dem Videomitschnitt:

Ottofokus

Die fünf "Top-Maßnahmen" sind (laut Chart):

  • Optimierung Onlineformate
  • Reichhaltige Produktdaten
  • Wettbewerbsfähigere Preise
  • Personalisierung/Individualisierung
  • Relevantere Zahlungsoptionen

Die Aufarbeitung der Vergangenheit steht also ganz oben auf dem Programm. Für das größte Medienecho sorgten der angekündigte Stellenabbau und die neue Preispolitik ("Otto zettelt Internet-Preiskampf an")


Wachstum durch Onlinehandel: Versandhändler Otto zettelt Internet-Preiskampf an – weiter lesen auf FOCUS Online: http://www.focus.de/finanzen/news/unternehmen/wachstum-durch-onlinehandel-versandhaendler-otto-zettelt-internet-preiskampf-an_aid_770375.html").

Das beste Bild bekommt man, wenn man sich jenseits der Pressemeldung auch den Video-Mitschnitt ansieht, wo es weniger darum geht, wo der Otto-Konzern aktuell steht, sondern vor allem darum, was er gerne sein möchte ("Ein bisschen Amazon, ein bisschen Zalando"), wunderbar illustriert auch im "Image-Teil" (PDF) des Geschäftsberichts.

Alles in allem gibt Otto momentan ein schizophrenes Bild ab, weil es den Spagat proben will und gleichzeitig Althergebrachtes bewahren und Neues schaffen will, entsprechend ein sehr traditionelles Bild von der Zukunft vermittelt und – im großen Unterschied zu Amazon & Co. – keine wirkliche Vorstellung von der Handelszukunft und seiner Rolle darin zu haben scheint.

Am besten symbolisiert wird die innere Zerissenheit durch ein Interview mit Michael Otto, in dem er Zalando, Groupon & Co. anfeindet, obwohl er selber als Kapitalgeber von Groupon profitiert hat und der Konzern mit Project A ja gerade die Leute ins Unternehmen gelockt hat, die geholfen haben Zalando & Co. groß zu machen.

Gefühlt steht der Otto-Konzern also vor einer Zerreissprobe. Es ist nur noch nicht klar, ob sich diesmal ("Wer gewinnt? Wer verliert?") die progressiven oder wie gewöhnlich die reaktionären, bewahrenden Kräfte durchsetzen.

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Kategorien:Shopboerse, Ultimondo

1 Antwort

  1. Hat Amazon wirklich eine Vision vom Handel der Zukunft oder handelt es sich nicht vielmehr um ein Konstrukt, dass auf ausschliessliches Wachstum unter Vernachlässigung jeglicher kaufmännischer Regeln und auf massive Verdrängung des gesamten stationären aber auch online-Handels setzt?

  2. Und, wäre das keine Vision, wenn Amazon darauf abzielt, den kompletten Handel aus den Angeln zu hebeln?
    Wo sind denn die Händler, die dem etwas entgegenzusetzen haben?

  3. Welcher Händler kann dem etwas entgegensetzen, wenn er Geld verdienen will (muss!) und kein Geld verbrennen will?
    Wer sich in der Materie auskennt, und das traue ich euch durchaus zu, sollte auch soweit ehrlich sein einzugestehen, dass Amazon & Zalando gewaltige Geldvernichtungsmachinen sind, wobei man bei letzterem durchaus noch davon sprechen kann, dass er sich in der Aufbauphase befindet, was zwangsläufig Geld kostet.

  4. Zalando mal aus und vor. Wo vernichtet Amazon Geld? Amazon arbeitet trotz rückläufiger Gewinne (wegen Investitionen in Kindle & Co.) weiter profitabel. Man kann an der Vorgehensweise und den Methoden von Amazon einiges kritisieren, aber nicht (mehr), dass es Geld vernichtet.
    Insofern bleibt die Frage: Wo sind die Händler, die dem etwas entgegenzusetzen haben – und für sich ebenfalls eine Vision/Vorstellung vom Handel der Zukunft entwickelt haben?

  5. Sorry, aber diese Brille solltest du schnellstmöglich absetzen. Was ist die Vision von Amazon? Gibt es die wirklich? Amazon will ausschließliches Wachstum, das Maximum an Waren anbieten und letzten Endes das gute alte Kaufhaus von früher werden, nur eben zeitgeistiger. Das ist weder positiv noch negativ behaftet.
    Zum Theme Profitabilität. 2011 gab es eine bescheidene Umsatzrendite von 1,3 %. Wenn man jetzt in Betracht zieht, dass die Gewinne in Deutschland durch Buchpreisbindung und quasi-Monopol im Bereich Buch & elektronische Medien erheblich höher sind als z.B. im Bereich Elektronik, IT – also den klassischen „Stecker-Produkten“ – gleichzeitig Amazon für die ‚bescheidene‘ Gegenleistung der Bereitstellung der Plattform nicht unerhebliche Einnahmen der angeschlossenen Merchants zu verzeichnen hat, dann kann man sich ausrechnen, in welchen Bereichen das Geld verdient wird und in welchen Bereichen Geld verbrannt wird.
    Welche Auswirkungen das auf einen Multimilliarden-Markt wie z.B. die Unterhaltungselektronik allein in Deutschland hat, wenn der größte Online-Player und gleichzeitig zweitgrößte Einzelplayer nach Media/Saturn in ganzen Markt-Teilbereichen kein Geld verdient bzw. anders formuliert, mit einer Niedrigstmarge agiert, die wiederum die eigenen entstehenden Kosten nicht decken kann, muss ich wohl nicht erläutern.

  6. Die Frage ist ja, ob der stationäre Handel in Zukunft mit den Größenvorteilen der Onlineplayer mithalten kann. Durch die vergleichsweise geringen Versandkosten haben diese die Möglichkeit an zentralen Orten entsprechende Economies-of-Scale zu realisieren.
    Und da der Trend immer weiter zu Expresslieferungen geht wird die Luft für kleinere Ladengeschäfte dünn.
    Was mich persönlich am meisten verwundert ist, dass selbst große Versandhändler wie Otto-Gruppe es nicht zu schaffen scheinen, sich Amazon und Co. als Vorbild zu nehmen, was benutzerfreundliche Websites angeht. Weil ganz ehrlich: Ich kaufe z.B. auf der Quelle-Seite nicht, weil die Produkte etwas teurer sind, sonder weil es einfach unglaublich mühsam und die Seite unübersichtlich gestaltet ist.
    Da machen sich die Samwers mit ihren Amazon-Klonen die Sache schon einfacher und übernehmen ein erprobtes und gut funktionierendes Design. Copycat-Debatte hin oder her: es ist einfach sinnvoll. Vor allem da Amazon einer der ersten großen Onlineplayer war und die Kunden dementsprechend „erzogen/ausgebildet“ hat, wie ein guter Onlineshop auszusehen hat.

  7. Einspruch euer Ehren… ich denke, die Amazon Seite sollte man definitiv nicht (mehr) als Benchmark nehmen, wenn es um gut gelungene und nutzerfreundliche Webshops geht.
    Wohlgemerkt, es geht rein um den Eindruck der Seite zun den Themen Usability und Übersichtlichkeit, es geht nicht um den hervorragenden persönlichen Bereich oder die weiterhin meines Erachtens nach konkurrenzlos gute Suchfunktion.

  8. @Christian Reichert Das frag ich mich auch, allerdings glaub ich, dass sich an Amazon orientieren nicht ausreicht, um gegen Amazon anzukommen. Amazon hat seine Vorstellung von der Zukunft des Handels, das muss aber nicht die Ultimative sein.
    @Torsten An den bevorstehenden Weltuntergang kann ich nicht so recht glauben. Als Media Saturn den Elektrofachhandel aus dem Markt getrieben hat oder Ikea & Co. die unabhängigen Möbelhäuser, ist die Welt auch nicht untergegangen, so bitter das für die Beteiligten war. Und von der Rendite, die Du nennst, muss der ganze deutsche Lebensmitteleinzelhandel leben, der ja auch durch Verdrängung groß geworden ist. Kurzum: Lamentieren und der Vergangenheit nachweinen hilft dem Handel auch nicht weiter. Amazon macht schließlich keinen Hehl daraus, was es vorhat. Und wer sagt eigentlich, dass ein Händler von der Marge leben muss?

  9. Genau, vom Jammern geht die Konkurrenz nicht weg bzw. hört die Veränderung nicht auf.

  10. Von was soll der Händler sonst leben? Von der Hand in den Mund?

  11. Und zum Thema Lebensmittel kann man mit etwas offenen Augen und Realismus klar sehen, zu was der ruinöse Wettbewerb geführt hat. Ein Oligopol aus Aldi, Lidl, Netto, Edeka, einen hab ich glaub ich noch vergessen? Jedenfalls fällt es schon extrem schwer, neben all diesen Großen noch einen vernünftigen Lebensmittelladen zu finden.
    Es gibt wenige Lichtblicke, die ganzen kleinen Obst- und Gemüsehändler oder diverse Reformhäuser etc… Dennoch merkt man ganz klar, wir Deutsche essen viel zu viel Nahrung, deren Herkunft wir nicht kennen, deren Inhaltsstoffe wir nicht kennen, deren Herstellung wir am besten gar nicht kennen wollen. Hauptsache billig. Der Preis ist das entscheidende Kriterium für die überwiegende Masse, nicht die Qualität entscheidet. Und das sage ich, obwohl ich selbst bei den Großen einkaufe und mich nicht allzu gesund ernähre.

  12. @Torsten Die Händler werden einen Weg finden (müssen), denn der Handel an sich wird ja weiterleben, er wird nur anders aussehen. Und da, wo jetzt die einen verlieren, gewinnen die anderen. Aldi & Co leben schon seit Dekaden mit einstelligen Margen und das gar nicht mal sooo schlecht. Und Modelle wie Zalando werden ja nicht ewig defizitär arbeiten. Und für den Fall Otto gilt, hätte man nicht zu lange gepennt und Zalando gekauft, als die Invstoren noch den schnellen Exit als Ziel hatten, hätte man heute nicht solchen Stress.

  13. „Wir haben zu spät begonnen, konsequent und mit allem Nachdruck gegenzusteuern. Das Wachstumsmodell der Vergangenheit wurde zum Wackelstein für das laufende Geschäft und die Zukunftsfähigkeit der Unternehmung. Die Sortimente, Preise sowie die Ladengestaltung und das Marketing konnten nicht schnell genug angepasst werden.“
    http://schlecker-blog.com/2012/06/persoenliches-statement-von-meike-und-lars-schlecker/

  14. @Torsten: Bei Amazon sehe ich sehr wohl eine Vision: Und zwar das kundenzentrierteste (Handels-)Unternehmen der Welt zu werden. Diese Vision wird sehr stark von Jeff Bezos propagiert und umgesetzt (Bezos ist mind. genauso wichtig wie Steve Jobs es für Apple war). Amazon könnte – wenn es wollte – ad hoc massive Gewinne verbuchen, müsste dafür aber einige der Innovationen (die stark von Jeff Bezos getrieben werden) aufgeben und damit seinen Kurs des aggressiven Wachstums (Amazon als der am schnellsten wachsende Retailer in US!) aufgeben. Amazon ist m.M.n. in allen Belangen für die Zukunft exzellent aufgestellt.
    Zum obigen Thema:
    Wir leben in einer Phase in der sich Geschäftsmodelle im Handel massiv verändern. In dieser Zeit werden viele neue Geschäftsmodelle entstehen, aber auch mindestens genau so viele enden. Genau das von Jochen angesprochene Schlecker-Zitat ist meist „Blaupause“ für die Verlierer, denn Sie stützten sich meist auf veraltete Kundenanforderungen (die für sie rentabel, aber absolut absteigend sind). Im Rahmen des Wandels entstehen aber meist neue Kundenanforderungen, die etablierte Unternehmen meist nicht adressieren, da diese entweder zu gering (im Sinne von kritischer Masse) und/oder zu margenschwach sind. Diese neuen Kundennutzen unterliegen aber einem schnellen Wandel und sind irgendwann groß und rentabel genug um damit Geld zu verdienen. Und dann ist es meist zu spät bzw. haben andere Unternehmen die frühzeitig mit diesen Kundennutzen gearbeitet haben entscheidende First-Mover-Vorteile.
    So passiert es – nicht zum ersten Mal – das etablierte Unternehmen aufgrund eigentlich richtiger Managemententscheidungen („sich auf das renditestarke Segment der alten Kundennutzen zu konzentrieren“) sich die Grundlage ihres Geschäftsmodells entziehen und aussterbene (müssen).
    (Wer sich für das Thema weiter interessiert, dem sei das Buch „The Innovators Dilemma von Clayton Christensen wärmstens empfohlen).
    Wie heisst es immer so schön: Handel ist Wandel. Aktuell spielt noch die Musik im alten Reise-nach-Jerusalem-Spiel … aber wie immer gibts mehr Teilnehmer als Stühle :-)

  15. Hihi, da hat wohl einer vergessen den aktuellen bösen Konkurrenten in die Sprechblasen zu füllen. Torsten du musst da jetzt Zalando eintragen. Bei Amazon zieht es leider nicht mehr. Zumindest nach meinen Quellen, vergolden die sich inzwischen die Klobrillen. Aber vielleicht sehen die ja auch selber ein, dass das ganz schön dekadent war und geben einfach auf.

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