Umdenken: Vom “Produkt Buch” hin zum “Buch als Service”

von Matthias Hell

Nachdem sich Autor Tim Hillenbrand vor kurzem publikumswirksam mit dem Abschied vom gedruckten Buch beschäftigte, zeigte nun Sascha Lobo an der Jahrestagung des Arbeitskreises elektronisches Publizieren im Börsenverein des Deutschen Buchhandels (AKEP), wie er sich die Publishing-Branche jenseits des klassischen Buchformats vorstellt.

Die “Die Zukunft des Buchstabenverkaufens” liegt für ihn dabei im Übergang zu einem prozessualen Modell und in der Abkehr von der zentralen Rolle von Verlagen und Autoren.

Mit 14 Denkanstößen präsentierte Lobo in seiner Keynote eine muntere Zusammenstellung zukunftsweisender Tendenzen in der Publishing-Branche und verknüpfte diese mit Rückblicken in die Vergangenheit des Buchhandels.

Crowdfunding biete – nicht nur finanziell – die Möglichkeit, Interessierte von Anfang in den Publishing-Prozess miteinzubinden. In Plattformen wie Kickstarter sieht Lobo dabei eine moderne Variante der historischen Modelle Subskription und Pränumeration.

“Das Produkt Buch muss sich in Richtung Buch als Service” bewegen, lautete eine weitere These Sascha Lobos. Im AKEPlog heißt es dazu:

“Das neue Geschäftsmodel ist der Verlag als Servicedienstleister!

Lobos Ausgangspunkt ist, dass das Produkt Buch auch zum Nulltarif verkauft werden kann. Ausschlaggebend beim Erfolg der “Buchstabenwelt” ist der Service.

Dies zeigt bereits das historische Beispiel der Lesezirkel, indem der Leser dort nicht das einzelne Buch/ die Zeitschrift kauft, sondern den Service: Das Buch wird ausgeliefert, wieder abgeholt und der “Leihservice” vom Kunden bezahlt.”

Weitere Inhalte von Lobos Keynote fasst VeröffentlichenHeute zusammen:

 

“Des Weiteren gehörten Aufbau und Pflege von Autorencommunitys sowie die Bereitstellung von adäquaten Präsentationskanälen für lebendige Inhalte unbedingt zum Serviceangebot.

Texte der Zukunft werden, so Lobo, prozessual, veränderbar und lebendig gestaltet sein, die Interaktion zwischen Autor und Leser werde enorm an Bedeutung zunehmen, bis schließlich die Grenze zwischen beiden Sphären verschwimmen werde. (…)

Ein „Buch“, das wird in Zukunft vielleicht am Besten beschrieben werden, als der Ort an dem (viele) Leser und Autoren (gleichzeitig) interagierend zusammenkommen.”

Interessanterweise hat Sascha Lobo am Ende seiner Keynote angekündigt, mit Partnern selbst den Verlag SoBooks (“Eine neue Art von Verlag”) gründen zu wollen, um so seine (oft noch recht abstrakten) Thesen an der Wirklichkeit testen zu wollen.

Mehr Konkretes bot im Rahmen der AKEP-Jahrestagung übrigens Leander Wattig, der in seinem Vortrag über das “Geschäftsmodell-Labor Internet” mit einer ganzen Reihe von Praxisbeispielen aufwartete, wie zeitgemäße Communities und Services im Publishing-Bereich aussehen können.

Eine gute Einführung in "Free"-Modelle bietet Chris Anderson in seinem gleichnamigen Bestseller.

Jochen Krisch hält am 19. Juli in München beim 3. Media Distribution Summit an der Akademie des deutschen Buchhandels die Keynote zum Thema "Plattformstrategien für Händler und Verlage"

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  1. Irgendwie schade um das “gute alte” Buch, ich fürchte es wird leider doch verschwinden. Selber trag ich auch dazu bei, ich bin eifriger Bibliothek Benutzer und kaufe nur mehr seltenst ein Buch – eigentlich fast ausschließlich als Geschenk.
    Ob man das Buch wirklich mal zum Nulltarif anbieten kann und nur vom Service rundherum leben kann, wage ich aber zu bezweifeln. Das wird wohl nur für einige Autoren / Bücher klappen.
    Das Internet hat sich (leider, oder zum Glück?) zu einer großen kostenlosen Bibliothek entwickelt – und hier einen Weg zu finden genutzten Inhalt adäquat auch in Geld abzugelten wird weiterhin eine sehr schwere Aufgabe bleiben. Da finde ich den Versuch, Geld über Service zu generieren, irgendwie als Kapitulation.

  2. Respekt! Lobo wettert jahrelang gegen die bösen Raubmordkopierer um dann mal schnell eine 180° Drehung hin zu legen und auf den fahrenden Zug aufzuspringen. Da darf man den ausgeprägten Loboschen Opportunismus kritisieren, der sich auch nicht scheut, ein Symbol einer Gegenkultur – den Iro – in sein exaktes Gegenteil, ein krankes Marketinginstrument umzudeuten. Aber, da Lobo immerhin noch einigermaßen früh dran ist, muss man auch Respekt vor seiner weltanschaulichen Flexibilität haben. Es gelingt immerhin nicht vielen, die Grausamkeiten der Realität zu akzeptieren und das Beste daraus zu machen.

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