An wen geht Netrada? Die Optionen von Amazon bis Zalando

Wer immer sich das insolvente Netrada schnappt ("Netrada intensiviert die Investorensuche"), sichert sich einen schönen Vorsprung in einem der wichtigsten (Online-)Modesegmente.

Aus Marktsicht ist es deshalb nicht unspannend, die möglichen Optionen durchzuspielen:

Netradahome

Dutzende von Anfragen sollen beim Insolvenzverwalter eingegangen sein. Und selbst der Netrada-Gründer soll wieder Morgenluft wittern.

Am wahrscheinlichsten ist sicherlich, dass einer der direkten Konkurrenten zuschlägt. Aber wer weiß: Derzeit ist völlig offen, wo Netrada letztendlich landen wird.

Eine Entscheidung soll bis Ende des Jahres fallen. Und egal, wie sie ausfallen wird. Sie wird den Online-Markt für Mode gehörig durcheinanderwirbeln.

Mit dem Fall Netrada hatten wir uns auch ausführlich in den Exchanges #24 ("Die fragile Welt des E-Commerce") befasst, eine der populärsten Exchanges-Ausgaben bisher.

Frühere Beiträge zum Thema:



Kategorien:Shopboerse

1 Antwort

  1. Dass Netrada an einen grossen Modelhändler wie Zalando oder auch Amzon geht, halte ich für unwahrscheinlich. Das dürften die Kundschaft von Netrada nie und nimmer akzeptieren.
    Nicht unwahrscheinlich ist, dass Netrada wieder an den Gründer geht. Würde auch Sinn machen, der weiss wenigstens, wie organisches Wachstum funktioniert.

  2. Was genau sichert man sich denn mit dem Kauf von Netrada? Die besten Leute werden bereits jetzt schon das sinkende Schiff verlassen haben. Das Geschäftsmodell selber scheint nichts wert zu sein, sonst hätte der Gesellschafter noch mal finanziert. Da bleiben also:
    – Lagerflächen für Mode
    – Systeme die Bestellungen verarbeiten können
    – Kunden die früher oder später die Abhängigkeit von Netrada loswerden wollen
    – Eine Mandantenlogik, die für große Unternehmen geeignet ist (nicht für Rakuten Kunden)
    – ….
    Das klingt nun negativer als es eigentlich soll, führt aber zu einer für mich wichtigen Frage. Was sind solche „Umsatzhüllen“ ohne innere EBIT-Potentiale in unseren E-Commerce Zeiten wert? Besteht nur noch Zahlungsbereitschaft für Unternehmen, die innovative neue Geschäftsmodelle versprechen?

  3. Alles eine Frage des Preises, oder?
    Und das mit dem Geschäftsmodell lass mal nicht Yoox hören. Die bauen genau darauf, wenn auch in einem anderen Marktsegment.
    Ich würde das Geschäftsmodell nicht abschreiben. Der Markt braucht Fullservice-Anbieter im Fulfillment-Segment.
    Die Frage wäre für mich eher, ob und wie die Branche aus der Preisfalle kommen kann.

  4. @Alexander Genau so ein Posting wollte ich eigentlich auch erst schreiben, aber damit macht man sich natürlich, gerade auch bei den betroffenen Leuten, wenig beliebt. Trotzdem ist es vollkommen richtig, das entsprechend zu hinterfragen.
    Netrada ist auch wieder so ein Beispiel, genau wie GetGoods, wo erst mal nur auf den (IST-) Umsatz geschaut und daraus ein Werthaltigkeit abgeleitet wird. Beide sind aber deswegen pleite gegangen, weil das Geschäftsmodell grundsätzlich nicht funktioniert hat, beide sind hoch verschuldet und bei beiden muss man ernsthaft fragen, was genau ein Käufer da eigentlich kauft. Auf ne Lagerhalle wird kaum jemand der genannten scharf sein, die Mitarbeiter und damit das Know-How ist kein bleibendes Asset und letzteres ist bei den genannten Firmen (Amazon & Co.) sicherlich nicht wenig vorhanden im Vergleich zu Netrada.

  5. Nachvollziehbare Argumentation. Das aktuell größte Asset ist aber doch wohl die „klingende Kundenliste“. Ist Euch die denn gar nichts wert? ;-)

  6. Ein klingende Kundenliste ist ein virtuelles Asset und hält keiner Due Diligence stand.
    Aber wie Du schon sagtest, alles eine Frage des Preises. Und ein Sven Heyrowsky wird ganz sicher keine 200 Mio. hinblättern. Das wird eher so ein „symbolischer Euro“ Deal, wobei ich mir dann vorstellen kann, dass man aus dem Laden wieder einen soliden Mittelständler machen kann.

  7. Neben der Kundenliste besteht ein großer Wert auch in Form von „bestehenden Strukturen“ mit genau diesen Kunden. Neben „Lagerflächen für Mode“ oder „Systeme die Bestellungen verarbeiten“ wird das häufig vergessen (und auch wechselwillige Kunden vergessen es und brauchen dann 1-2 Jahre um einen vergleichbaren Stand nach einem Wechsel zu erreichen).
    Von der Integration in die Kunden ERP-Systeme, (Nach-)Lieferprozesse, Abstimmungsstrukturen bzgl. Strategischen und Marketingentscheidungen, sehr viel Customizing im kompletten Prozess etc.
    Das sind oftmals mehr oder weniger gut gewachsene Strukturen – die sich mit viel Geld und/oder klaren Managemententscheidungen umziehen lassen – aber immer mit dem Preis, dass es vermutlich zunächst erst einmal schlechter läuft. Aus meiner Sicht ist das nicht vernachlässigen.
    Netrada (oder der zukünftige Eigentümer) wird in jeder Ausschreibung immer einen signifikanten Vorteil haben, da die Rüstkosten im Vergleich zu einem neuen Dienstleister oder einer Inhouse-Lösung günstiger (nicht vorhanden) sind.

  8. Yoox hat aber sicherlich nicht das Preisproblem wie Netrada und kann seine Plattform meistens gewinnbringend mitpitchen. Natürlich sind noch viele fähige Leute da, aber die müssen ja erst einmal sinnvoll eingesetzt werden. Ein Netrada für kleine Händler wäre in der Tat super, aber das rechnet sich leider nicht. Die Kundenliste ist mE wenig wert. Die bestehenden Kunden zahlen im Schnitt weniger als der Service kostet und die werden in Zukunft kaum freiwillig mehr zahlen wollen, oder? Für ein paar chinesische Unternehmen dürften die Assets aber interessant sein, aber die Option kommt ggf. 1-2 Jahre zu früh.

  9. @Sebastian Danke. Sehe ich ähnlich.

  10. @Sebastian: Diese Argumentation stimmt aber nur, wenn die Unternehmen weiterhin beim Full Service Modell bleiben wollen. Das widerspricht aber zumindest meinen Erfahrungen mit größeren Unternehmen. Irgendwann fangen die an Teile des Prozesses inhouse abzubilden und ab einem gewissen Punkt braucht man keine Full Service Strukturen mehr.

  11. @Sebastian: Klar dass stimmt schon, Integration in bestehende (Kunden)- IT Strukturen & Know-how Aufbau ist Invest von beiden Seiten .. nur wie lange machen die Kunden „die Situation“ mit ?
    @Alexander: „Irgendwann fangen die an Teile des Prozesses inhouse abzubilden und ab einem gewissen Punkt braucht man keine Full Service Strukturen mehr.“ –> Das ist schon richtig, das heisst aber auch, dass sich dann keiner mehr als FSP „nur für die erste Zeit“ zur Verfügung stellen würde. Das wäre ein Deadlock für E-Commerce Einsteiger und solche die noch keine Inhouse Prozesse haben.
    Die Vertragsmodelle für FSP müssen auf den „Prüfstand“ ( SLA`s etc.)!

  12. Ja, aber das ist ja das grosse Rätsel, was bei dem Fullservice-Modell gelöst werden muss. Wenn die Kunden nur die Vorteile in der Startphase des eCommerce mitnehmen und sobald es etabliert ist, Kosten sparen wollen, klappt das ganze Modell so nicht.
    @Sebasitian, Wenn es so ist, wie Du sagst, könnte Netrada jetzt einfach fett die Preise erhöhen, weil sie ja sicher sein könnten, dass „vernünftige“ Kunden nie und nimmer wechseln würden, weil das a) ungewiss und b) u.U. noch viel teurer würde.
    Was hier gar nicht diskutiert wurde. Was wäre, wenn Esprit, C&A usw. einfach den Teil, der für sie relevant ist, rauskauft, bzw. alle zusammenlegen und Netrada übernehmen? Das könnte sich am Ende sogar für alle lohnen.

  13. Die Annahme die am meisten Sinn machen würde, wäre dass das Unternehmen zurück an Sven Heyrowksky geht, denn niemand lässt sein „Baby“ auch wenn man es weggegeben hat, so in den Abgrund schlittern.
    Netrada hat zu schnell versucht auf Wachstum zu gehen, anstatt der bestehenden Substanz Qualität einzuflößen.
    Die Investitionen wurden einfach abgesegnet, das Budget wahrscheinlich ziemlich knapp kalkuliert und nun muss man als Mitarbeiter zu denen ich mich auch zähle zu sehen wie Netrada am Abgrund steht und wartet bis die Haie zu schnappen.
    GSI mit eBay wäre auch eine nicht aus den Augen zu lassende Alternative die ziemlich viel Wahrheit beinhaltet. Immerhin sind dort in der Deutschland-Zentrale einige fähige Ex-Netradianer die bestens vernetzt sind.

  14. Denke, die Haie habt Ihr hinter Euch. Auf mich wirkt das eher so, als ob sich da jemand gehörig verspekuliert hat. Aber wenn jetzt jemand einsteigt, dürfte der eher ein langfristiges Interesse haben.
    Danke für den Hinweis auf die Ebay-Netrada-Connection! War mir gar nicht mehr so bewusst.

  15. @Claus: ich würde tatsächlich damit rechnen, dass die Preise erhöht werden (oder nicht mehr weiter sinken). Netrada hat nämlich nun ein ziemlich gutes Argument: „wenn Du willst, dass es mich in zwei Jahren noch gibt, muss es dieser oder jene Preis sein“. Es gibt in der Full-Service-Provider und auch Fullfilment-Welt eine ganze Menge Firmen, die nun Aufatmen, da der Preiskampf nun endlich vielleicht eine gewisse bottom line erreicht hat. Perspektivisch wird vermutlich nur noch Amazon ohne Marge Fullfilment am Markt verkaufen – hier steht aber mit Verdrängung und data gathering auch ein anderes Businessmodell dahinter.
    @Alexander: es gibt einige Beispiele für eine „Inhouse-Bewegung“ bei zunehmender Größe, aber auch gegenteilige Beispiele. Interessanterweise ist der Schritt „Inhouse“ meist auch eine Entscheidung für „weniger Wachstum“. Nicht ohne Grund nutzt Netrada (und damit deren Kunden) überwiegend Demandware, weil Demandware keine billige Lösung – aber eine Wachstumslösung ist.
    Auch wenn der Markt deutlich wächst, findet gerade im Fashionbereich ein massiver Verdrängungswettbewerb statt (jeder der Einblick in die SEM/AFF Preisentwicklung „seit Zalando“ hat, weiss wovon ich spreche). Und um es klar zu sagen – hier kann jmd. nur bestehen wenn er optimal aufgestellt ist und die komplette eCommerce Prozesskette 100% im Griff hat. Und das heisst, dass meine Logistik, Call-Center & IT Schwankungen von 300-400% (Thema Newsletter) von einen auf den anderen Tag verkraften muss oder ich 100-200 TSD EUR für jmd. bezahle der Fashion Affiliate Marketing richtig steuert und gleichzeitig an einem unattraktiven Standort arbeiten möchte.
    Esprit als ein Brachenprimus im Bezug auf den eCommerce Anteil hat das Geschäft nicht ohne Grund ausgelagert. Es liegt nämlich „im selbst machen“ und „Wachstum & Verdrängung abbilden“ ein ziemlich großes Risiko des Scheiterns (gerade wenn man das Geschäfts nicht kennt und es sich so dramatisch verändert; vgl. Zalando). Bei Esprit ist der Onlineanteil so groß, dass wenn es nicht läuft der komplette Konzern im Mitleidenschaft gezogen werden kann.
    Ein Full-Service-Modell heisst in der Regel Risikodiversifizierung, bzw. Auslagerung und weniger Kapitalbindung: „Lieber versucht mein Full-Service-Provider das sehr schwierige Thema Mitarbeitersourcing oder -qualifizierung zu tragen“, „Lieber versucht mein Full-Service-Provider sich für ein Marktumfeld in zwei Jahren zu wappnen, obwohl viele nicht wissen wohin die Reise geht“ und final „Lieber geht mein Full-Service-Provider als ich selbst in einem solch dynamischen, schwer planbaren Marktumfeld Pleite…“
    Noch als Beispiel: Esprit könnte es ohne Probleme alleine, betreibt aber auch das eigene Logistikzentrum geme mit Fiege gemeinsam. Und auch hier – Esprit macht das, weil Fiege u.a. im Logistikbereich für das Thema Personal durch unterschiedliche Maßnahmen vergleichsweise gut aufgestellt ist. Es gibt an den typischen Logistikstandorten beispielsweise keine Mitarbeiter „einfach so“ die einen Staplerschein haben.
    Jochen hat es ja bereits öfters geschrieben: der Markt wächst exponentiell!! (Sogar) Netrada hat auch damit so seine Probleme gehabt. Warum sollten jmd. die Aufgaben die hierdurch auf einen zukommen Inhouse besser gelöst bekommen?
    Viele Beratungen verdienen Geld durch Inhouse-Konzepte – das Thema exponentielles Wachstum wird hier aber immer nicht berücksichtigt. Und ich würde mich auch soweit aus dem Fenster hängen: die meisten dieser Berater und auch eCommerce Manager haben nicht einmal ansatzweise eine Idee, was exponentielles Wachstum bedeutet, geschweige denn könnten sie dies wirklich Darstellen und Berechnen: „Wer kann sich vorstellen wie sich kinetische Energie verhält wenn man 150km/h statt 130 km/h fährt?“
    Ich denke, dass man an Netrada sehr deutlich sehen kann, dass man trotz voller Bücher, langer Verträge, immer mehr Umsatz und einer guten Positionierung in einem dynamischen wachsenden Markt Pleite gehen kann. Und das „nur“ weil der Markt und die Firma exponentiell wächst.
    Aus meiner Sicht ist das die Realität mit der man sich auseinander setzen muss. Das klingt sehr negativ – soll es letztendlich gar nicht sein – ich sehe es einfach „statistisch nüchtern“.

  16. Die Diskussion hier ist (mal wieder) von hoher sachlicher Kompetenz geprägt – und ganz ohne Häme für das Unternehmen, das gerade um die Zukunftsperspektive kämpft. Respekt dafür.
    Meinerseits möchte ich ergänzen, dass ich sehr wohl weiterhin einen Bedarf und einen Markt für Full Service Anbieter sehe. Gleichfalls ist es auch legitim, über Outsourcing unternehmerisches Risiko an den Dienstleister outzusourcen. Wichtig hierbei ist in einer längerfristigen Betrachtung jedoch, dass hierzu saubere SLA dazu aufgesetzt werden. Dazu gehört die generelle Geschäftsentwicklung (Umsatz, Retouren, Stück je Warenkorb, Wert je Stück) genauso wie logistische Leistungskennzahlen. Hierüber kann der Dienstleister dann mit seinen Ressourcen halbwegs „atmen“ und in Fällen, wenn sich das Business Modell in der Net Sales Fee zu seinen Lasten verschiebt auch mal berechtigt nachfordern. Ein Net Sales Modell kann aus meiner Erfahrung ausschliesslich dann funktionieren, wenn es partnerschaftlich gehandhabt wird.
    Vertrieblich hat Netrada eher nicht die billigsten Preise am Markt angeboten, sondern eher über Referenzen, die vermeintlich unbegrenzte Skalierbarkeit, Internationalität und die Besonderheit des Net Sales Modells gepunktet. In der operativen Zusammenarbeit ist jedoch ein partnerschaftlicher Ansatz dann schwierig, wenn die Parameter (Kostentreiber) des Net Sales Modelles nicht transparent genug dargestellt und dann auch diskutiert werden. Auch können bei einer engen Abstimmung aller Maßnahmen die möglichen Schwankungen zumindest halbwegs antizipiert und geplant werden. Hier wird sicherlich in der Zusammenarbeit zwischen Kunde und Anbieter bei Netrada nicht alles transparent, rund und partnerschaftlich gelaufen sein….
    Die Alternative des Insourcing sehe ich auch als interessant an – sofern der Anbieter bereit ist, sich mit der Komplexität der gesamten Aufgabenstellung „Fulfilment“ auseinander zu setzen. Das funktioniert am ehesten in einem zweiten Schritt: nachdem man sich zunächst auf Sortiment, Kundengewinnung, Preise, Marketingeffizienz und Kundenbindung konzentriert hat, kann man sich auch um das Fulfillment selber kümmern. Im ersten Schritt erscheint es mir – unabhängig von der Skalierung des Geschäftes besser, sich auf bewährte und verfügbare Kompetenzen des Marktes zu verlassen.
    Zu den Spekulationen wer bei Netrada einsteigen will, wurde in anderen Beiträgen bereits lesenswertes gepostet. Diese Entscheidungsprozesse laufen nach ganz eigenen Kriterien, wobei nicht unbedingt das beste Business Szenario den Zuschlag bekommen mag, da der Insolvenzverwalter oft auf kurzfristige Effekte (Kaufpreis, Standorterhaltung, Mitarbeiterweiterbeschäftigung) zielt bzw teilweise zielen muss. Im übrigen müssen die Kundenverträge bei einem solchen „asset deal“ sowieso separat mit dem jeweiligen Kunden übertragen und dabei wohl verhandelt werden, sodass dieses den Wert des Investments erstmal schwer beziffern lässt. Verbleibt die Frage nach den tatsächlichen assets: welche Software? Welche Mitarbeiter? Welche Standorte mit welcher Ausstattung? Welche Markenrechte? Etc. Für wen ist das alles strategisch relevant? Es bleibt spannend…

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