Quo vadis, Home24? Das mühsame Geschäft mit Möbeln

Ernüchterndes findet sich dieser Tage zu Home24: Anlaufverluste von 60,5 Mio. Euro weist Rocket Internet im Geschäftsjahr 2012 für Home24 aus. Abzüglich der Verlustvorträge entspricht das einem Jahresfehlbetrag von 51 Mio. Euro – bei Umsätzen von 52 Mio. Euro.

2013 waren für Home24 – im 5. Geschäftsjahr – nicht mehr als 93 Mio. Euro drin. Inzwischen ist einer der Gründer von Bord, und auch beim Kapitalmarkttag letzte Woche gab es in den Pitch-Unterlagen (PDF) alles andere als eine Umsatzexplosion zu vermelden.

Im ersten Quartal wuchs das Bestellvolumen um – für Rocket-Verhältnisse – überschaubare 32%:

home24growth

Wenn Home24 nicht den Umsatzturbo zündet, müssen sich IKEA & Co. („Die aufgeschreckte Möbelbranche“) also fürs erste keine Sorgen machen (siehe auch Kill Billy: Hat Home24 schon das Zeug zum nächsten IKEA?). Mehr als 40% seiner Umsätze erzielt Home24 außerhalb Deutschlands, größtenteils mit Mobly in Brasilien:

home24international

Will man den Pitch-Unterlagen (PDF) zumindest etwas Positives abgewinnen, dann, dass Home24 qualitativ gut voranzukommen scheint und nun ein großes Sortiment mit vergleichsweise kurzen Lieferzeiten bieten kann. Der gerade angekündigte Bau eines neuen Logistikzentrums zielt genau in diese Richtung:

home24assortment

Zudem gelingt es nun offenbar, die Kunden so kosteneffizient zu gewinnen, dass sie schon bei der ersten Bestellung positive Deckungsbeiträge erzielen:

home24loyalty

Sein Geschäftsmodell preist Home24 auf dem Kapitalmarkttag (PDF) wie folgt an:

home24misc

In den Exchanges #26 („Home24 und das Jahr der Möbel“) hatten wir uns ausführlich mit den Herausforderungen auf dem Möbelmarkt auseinandergesetzt („Möbel, Mobile und das Dilemma aller Innovationstreiber“).

Zuletzt hat Home24 die Rewe-Gruppe als Investor gewonnen. Avandeo ging kürzlich an den Schweizer Möbelversender Beliani.

Frühere Beiträge zum Thema:



Kategorien:Samwer Report, Shopboerse

1 Antwort

  1. Oh, da haben sie ja 2012 bereits den „Ost-Breakeven“ (Umsatz so hoch wie Verlust) erreicht :-)

  2. Das Grundübel des Möbelmarktes (obwohl betriebswirtschaftlich höchst interessantes Feld) ist einfach die Tatsache, dass es – bis auf dem Premiumbereich – kaum oder nur sehr wenige echte (Hersteller-)Marken gibt (mit einer hohen Marktmacht der Einlkaufsverbände) und in vielen Fällen das Möbelstück eines Herstellers für unterschiedliche Händler einfach umgelabelt wird. Das erschwert den Aufbau echter im Kundengedächtnis verhafteter Marken (häufig merken sich Kunden noch eher wo Sie das Sofa gekauft haben, aber nicht von welcher Marke es ist), führt kaum zu Sortimentstransparenz und sorgt somit für deutliche Hürden im (zwangsläufigen) Online-Shift von Stationär zu Online. Damit ist das Wachstum von Handelsmodellen mit hohem echten Möbelbezug schwierig, denn Sie bedienen sich vorrangig aus der Klientel der „typischen Möbelhaus-Verweigerer“ (für die ins Möbelhaus rennen genauso antiquiert ist wie aus dem Katalog zu bestellen). Einzige Chance dabei ist, sich stärker auf den Living-Teil (Kleinmöbel, Deko-Heimtextil etc.) zu konzentrieren und ggf. eigene Marken aufzubauen (aber das schafft bei Möbeln kein einzelner Händler: der Gamechanger für eine ganze Industrie zu sein).

  3. In dieser “Problematik” besteht aber auch die größte Chance des Online-Möbelhandels, denn so ist die Vergleichbarkeit der Produkte nur sehr schwer gegeben und es tritt kein Preiskampf wie z.B. in der Elektronikbranche ein.

  4. Kein Unternehmen dieser Welt baut ein Logistikcenter in dieser Größenordnung, wenn da nicht der Glaube an das Geschäftsmodell groß genug ist und/oder wäre. Kein Investor geht diesen Weg mit, wenn der Glaube nicht vorhanden wäre.

    Weiterhin bin ich der festen Überzeugung, dass die Grundvoraussetzungen geschaffen werden (Sortimentierung, Processing & Logistik), um irgendwann die „Marketingbombe“ zünden zu können – penetrant a la Zalando.

    • aber genau das können sie ja nicht, wenn sie schon mit der ersten Kundenbestellung positive DBs erwirtschaften müssen und nicht wie Zalando auf Wiederbestellungen bauen können. Da streut die TV-Bombe dann doch zu sehr. Und eine zielgenauere Marketingbombe scheinen sie noch nicht gefunden zu haben.

      • Na Herr Kirsch, was hatte ich ihnen vor Wochen über dieses Thema denn schon geschrieben? Schön das Sie nun langsam anfangen meinen Argumenten zu Folgen und nicht mehr mit einer blauen Brille durch die Gegen laufen.

  5. Ich glaube, Home24 hat immer noch ein Sourcing-Problem. Die Möbel, die es da gibt, sind halt einfach nicht soooo der Brüller und die Auswahl ist nicht sooo groß, wie man das online erwartet. Und dann Lieferzeiten 8,10 Wochen, mag ja bei Möbeln normal sein, aber für einen Online-Kauf eher gewöhnungsbedürftig. Bei Home24 ist mir der Vorteil gegenüber einem Möbelhaus einfach nicht groß genug. Aber daran werden sie sicherlich arbeiten.

    • Westwing ist übrigens auch deswegen so erfolgreich, weil die Sachen, die es dort gibt, einfach mal viel netter sind. Das Sourcing scheint dort zu klappen.

      • Sorry – das ist so nicht wahr. Wer sich ein wenig auskennt, der wird schnell sehen, dass das Zeug, was bei Westwing in dern Aktionen ist eins zu eins auch bei Home24 zu finden ist, allerdings unter anderem Namen, anderer Content und andere Mediadaten.

      • Da hat Jermies absolut recht. Die Produkte bei Westwing sind 0815-Produkte, die man wirklich überall kaufen kann. Sie werden nur so verpackt, als seien sie unique und rar. Bind dem Schweinchen eine Schleife um und verkauf es als Pferd… einfach, aber funktioniert.

      • Ok, dann verpacken sie’s eben netter. Spielt am Ende auch keine Rolle, der Kaufimpuls kommt offensichtlich besser rüber als bei Home24 und das zählt.

      • @ jemies, kai, ich habe jetzteine halbe Stunde lang versucht Produkte aus Westwing-Aktionen bei Home24 zu entdecken, habe aber nichts gefunden. Habt ihr da konkrete Beispiele?

        P.S.: Und nein, ich habe bei Home24 nicht einfach nach den bei Westwing angegebenen Modellnamen gesucht. ;-)

    • Heute nicht dein Tag Claus. Nach Spar-Witz nun auch Spar-Infos.

      • @ Peter
        Nach 2 min ein Beispiel gefunden ;)
        Schau z.B. aktuell mal den Brown TLV Style an. Da sind ganz normale Chesterfield-Möbel, die du überall (ja auch bei home24.de) bekommst. Das ist bei allen Dingen so, Westwing sagt ja auch nicht, dass die Produkte unique wären. Das wäre logistisch auch unmöglich und vollkommen unrentabel. Westwing präsentiert ihr Sortiment einfach hochwertig und möchte aufgrund des Clubs das Gefühl der Einzigartigkeit vermitteln. Das funktioniert anscheinend auch sehr gut und ist überhaupt nicht negativ zu werten.
        Westwing ist sogar so geschickt dabei, dass sie alle ihre Seiten für Google gesperrt haben (noindex ,nofollow) und den Produkten Eigennamen geben. Damit ist es für den Otto-Normal-Nutzer unmöglich die Produkte online zu vergleichen, weder über die Bildersuche noch über die Produktart + Name.

  6. @jochen: „Zudem gelingt es nun offenbar, die Kunden so kosteneffizient zu gewinnen, dass sie schon bei der ersten Bestellung positive Deckungsbeiträge erzielen:“

    Sind hier nicht die Kosten gemeint, ohne Werbe Spendings (variable Kosten) ? Mit Kundenakquisitions Kosten könnte man dieses Slide nicht präsentieren ;) halt schon reißerisch..

    • die ganze Präsentation ist reißerisch :-) Aber ich hatte es in der Tat anders verstanden. DB-positiv nach variablen Kosten – d.h. nach Marketingaufwendungen, etc. (weil die ja im Hause Rocket immer variabel sind ;-). So jedenfalls habe ich das auch in den Gesprächen mit den Home24-Leuten verstanden.

      • Sehr lustig auch, das hier wieder in Bericht nicht erwähnt wird, das händeringend jeden Tag online Händler angeschrieben werden mit der Bitte das bestehende Sortiment auf home24 zu listen, da die das selbst nicht auf die Reihe bekommen. Da diese Händler meistens selbst versenden, ist das neue Zentrum eher für Retouren gedacht, die sich mittlerweile dort schon stapeln. :-)

  7. Allein die Tatsache dass einer der Gründer gegangen ist, zeigt doch, dass hier nichts mehr zu holen ist. Rocket Gründer sind sicher nicht so gestrickt, dass sie Millionen auf dem Tisch liegen lassen, wenn es da noch Potenzial gibt (ja, auch wenn ihre ursprünglichen Anteile gevestet sind, sollten sie bei positiver Unternehmensentwicklung dennoch an Bord bleiben wollen für neue Anteile, siehe Zalando)

  8. Bei Home 24 fehlt einfach jegliches Konzept. Mir ist bis heute nicht klar was sie sein wolln oder wen sie ansprechen. Das Shopdesign ist komplett von Zalando geklaut. Wer soll damit angesprochen werden? Frauen? Ältere? Jüngere? Online Neukäufer? Die Seite lät einfach gar nicht zum stöbern und entdecken ein. Lieblos gemacht teilweise grauenhafter Bilder.
    Beim Sortiment der gleiche Ramsch wie in den offline XXXXXXXXL Häusern, und es fehlen die wenigen großen Marken die es im Möbelbereich gibt.
    Der Werbespot ist auch schon schwach. Ganz witzig gemacht, aber was will man damit sagen? das man die gleichen Noname Sachen jetzt online kauft?
    Die müssen alleine schon deshalb beim Erstkauf profitabel sein, da wahrscheinlich kaum ein Kunde wiederkommt.
    Westwing hingegen hat wie ich finde bei diesen Punkten eine überzeugende Strategie und schafft es damit auch die Kundinnen zu binden.

    Ich wette das in 2015 Westwing doppelt so groß wie Home 24 sein wird!!

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