„The book publishing industry (…) adds almost no value, it is going to be wiped off the face of the earth soon, and writers and readers will be better off for it.“
Mit dieser Aussage provozierte Vox-Autor Matthew Yglesias in der Buchbranche einen Aufschrei der Entrüstung. Yglesias vernachlässigt in seiner Argumentation bewusst die kulturelle Dimension der Buchproduktion und setzt bei seiner Betrachtungsweise der Verlage den (monetären) Nutzen für Autoren und Leser als alleinigen Maßstab an.
Als Replik haben bereits u.a. der Lektor Peter Ginna (“Do Publishers Deserve to Exist?”) und die Autoren Evan Hughes (“Why the Book Publishing Industry Exists“) und Emily Gould (“Vox on Amazon: Way off-base, not entirely wrong”) das klassische Leistungsspektrum der Verlage herausgestrichen.
Dennoch entbehrt Yglesias radikale Vereinfachung nicht der Logik – zum Beispiel in Hinblick auf die von Amazon und den Selfpublishern propagierten niedrigeren E-Book-Preise:
„Do you regret the invention of the printing press? Of the paperback? Do you think public libraries devalue books and reading? The idea is absurd.
Of course a world where more people can get more books more conveniently is a better world.“
Der Buchhandel von morgen
Börsenverein: Nicht nur „löst“ sich die Akademie des Deutschen Buchhandels vom Buch, auch der Börsenverein stellt seine Zukunft zur Diskussion und lädt nun zu einer Roadshow gemeinsam mit Startups der Branche ein. (via Börsenblatt)
Neue Vertriebsmodelle
Browser-basierte E-Books: Angesichts rückläufiger E-Reader-Verkäufe nimmt die Relevanz von Webbrowser-kompatiblen E-Book-Formaten zu. Digital Book World bietet einen Überblick über die Vorzüge des browser-basierten Publizierens und dessen Implikationen für den Vertrieb:
„And as publishers look to shore up and grow their distribution channels, many are beginning to recognize how web browsers can serve as flexible, direct-to-consumer e-reading platforms.“
Vook: Als die E-Publishing-Plattform Vook den ins Straucheln geratenen Subskriptionsdienst Byliner übernahm, war unklar ob das Unternehmen die Publikation von exklusiven Texten im Singles-Format fortsetzen würde. Nun hat Vook-Gründer Matt Cavnar nicht nur die Fortführung bestätigt, sondern auch den Wert der Byliner-Nutzerdaten betont. (via Digital Book World)
Amazon-News
Kindle Scout: Amazons Crowdsourcing-Portal Kindle Scout hat seine Pforten offiziell geöffnet (Pressemitteilung) und stellt von Indie-Autoren eingereichte Manuskripte dem Publikum zur Bewertung. Der Dienst ist gut gemacht und könnte laut Good eReader dazu beitragen, der Selfpublishing-Flut Herr zu werden. Eine interessante Autoreneinschätzung liefert The Digital Reader („Is Kindle Scout Worth the Risk? For Me, Yes“).
Simon & Schuster hat sich – anders als Hachette – mit Amazon auf neue Konditionen geeinigt, die allerdings unter Verschluss bleiben. Publishers Weekly mutmaßt dennoch über die Inhalte Deals und die Implikationen für die Branche.
Discoverability
Squirl: Einen Location-based Ansatz zu Leseentdeckungen bietet die Discoverability-App Squirl und hilft Bücher mit Lokalbezug zu entdecken, interessante Buchhandlungen vor Ort zu finden oder literarische Schauplätze zu identifizieren. (via E-Book-News.de)
DeGruyter: Dass die Entdeckbarkeit von Inhalten nicht nur Publikumsverlage beschäftigt, zeigt der Wissenschaftspublisher DeGruyter. Das Verlagshaus kooperiert mit dem Startup ReadCube, um die Sichtbarkeit von Aufsätzen zu erhöhen. (Pressemitteilung)
Bibliotheken: Auch Leihbibliotheken setzen zunehmend auf elektronische Lösungen, um ihre Kataloge besser entdeckbar zu machen. Einen interessanten Überblick über einige der angewandten Strategien liefert Co.Exist.
Mehr zum Thema auch in den K5 Topics („Discoverability im E-Commerce“).
Lese-Abos
Blloon: Mit Blloon startet in Großbritannien ein neuer E-Book-Subskriptionsdienst, der Abonnenten ein monatlich limitiertes Titelangebot zur Verfügung stellt und dafür eine geringere Gebühr berechnet als der Wettbewerb. (via The Digital Reader)
Readly klingt fast zum Verwechseln nach Readfy, ist ebenfalls eine Lese-Flatrate, allerdings mit einem Schwerpunkt auf Zeitschriften. Nach Start in Schweden, USA und UK ist Readly jetzt auch in Deutschland verfügbar. (via Buchreport)
24symbols ist einer der Pioniere unter den Subskriptionsdiensten und hat nun ebenfalls Deutschland im Visier, so Gründer Justo Hidalgo gegenüber Publishing Perspectives. Der Spanier appelliert an die Verlage, 24symbols und ähnliche Dienste als Alternative zur Abhängigkeit von Amazon zu sehen.
Unter der Rubrik Buch/Handel 2020 bringen wir jede Woche das Spannendste zu den strukturellen Umbrüchen in der Buchbranche („Buchlos in die Zukunft“).
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Frühere Beiträge zum Thema:
- Buch/Handel 2020: Wie sich die Buchbranche vom Buch löst
- Buch/Handel 2020: Samsung – die kommende Macht im Publishing?
- Buchhandel: Was aus Weltbild werden soll, was aus dem Tolino
- Buch/Handel 2020: Wenn Amazon mit WriteOn gegen Wattpad antritt
Kategorien:Buchhandel
Ja, es braucht diese radikalen Thesen, um die Buchbranche zu schütteln und zu rütteln. In Deutschland lebt sie noch in einer komfortablen Zone, die ihr durch die Buchpreisbindung und besonders durch eine bildungsbürgerliche Elite erhalten wird. Dabei verkennen viele traditionelle Marktteilnehmer, dass die Schutzwälle ihnen nur zeitlichen Aufschub geben, bis die Wälle brechen. Wer sich nicht aus der Komfortzone mit guten Strategien und neuen Geschäftsmodellen hinauswagt, wird dann überrollt. Als Literatur- und eben nicht nur Buchliebhaber, betrachte ich die Digitalisierung nicht durch eine kulturpessimistische Brille, sondern als Chance für den Erhalt der bescheidenen Relevanz von Literatur: http://thomasbrasch.wordpress.com/2014/10/06/buchliebhaber-sind-nicht-die-besseren-literaturliebhaber/