Rossmann und der Online-Absturz auf 23 Mio. Euro

Omnichannel ist ein richtig gutes Geschäft – für Heerscharen von Dienstleistern und Beratern. Denn ähnlich wie Fressnapf sitzt seit Jahren auch Rossmann in der Komplexitätsfalle, stürzte 2015 online weiter ab auf Umsätze von 23 Mio. Euro und versucht sich und der Welt, sein Omnichannel-Schlamassel schön zu reden (PDF), das im jüngsten Jahresabschluss wie folgt beschrieben ist:

rossmann2015

“Maßgeblich beeinflusst wurde die Geschäftstätigkeit auch in 2014 durch den seit 2012 andauernden Entwicklungsprozess einer neuen Lagerverwaltungssoftware (bestehend aus einem bereits vorhandenen, aber auf die neuen Anforderungen anzupassenden ERP-System sowie einem neuen Optimierungssystem).

Infolgedessen sind die Logistikkosten in Relation zum Umsatz gestiegen, da die operative Arbeit durch parallel laufende Anpassungsarbeiten gestört wurde.

Die für Mitte 2014 geplante und bereits aus 2013 verschobene Projektfertigstellung konnte bis heute nicht erreicht werden. Die mit der neuen Softwarelösung erhoffte Steigerung der Produktivität ist somit in 2014 nicht eingetreten.

Die Überprüfung der Funktionalitäten der Lagerverwaltungssoftware im Bereich Optimierungssystem ergab erhebliche Defizite und Mängel, die dazu führten, dass eine Abnahme durch die Rossmann Online GmbH bis heute nicht stattfinden konnte.

Vorgänge von besonderer Bedeutung nach dem Schluss des Geschäftsjahres

Nach der nicht durchgeführten Abnahme der Lagerverwaltungssoftware im Bereich Optimierungssystem hat die neu bestellte Geschäftsführung der Rossmann Online GmbH in 2015 die Analyse der IT-gestützten logistischen Prozessabläufe im Unternehmen fortgesetzt.

Aufgrund der Komplexität der Sachverhalte liegt eine abschließende Entscheidung noch nicht vor.

In den ersten beiden Monaten des Jahres 2015 betrug das Umsatzminus ca. 19%.”

Ein symptomatischer und höchst lukrativer Projektverlauf (für die Dienstleister) – für eine Handelsstrategie mit ohnehin zweifelhafter Perspektive (“Wo sich das ECC/Institut für Handelsforschung angreifbar macht“). Denn durchschlagende Erfolgsbeispiele bleiben uns die forschen Handelsinstitute seit nunmehr 20 Jahren schuldig, kompensieren dies aber mit immer steileren Thesen.

Dabei befinden sich Rossmann und Fressnapf in allerbester Gesellschaft. Gehören zu den prominenten Omnichannel-Opfern doch so illustre Namen wie Görtz (“Zalando wirkt: Görtz hofft auf neue Kapitalgeber“), Globetrotter (“Globetrotter streicht Stellen: Online-Geschäft bricht um 18% ein“), Otto (“Otto muss sich Zalando mit 2,6 Mrd. € gleich doppelt geschlagen geben“) und viele andere mehr.

Und während sich die einen noch an ihren digitalen Transformationsprojekten verausgaben, geben Online-Spezialisten wie Windeln.de (+63%), Zooplus (+23%), Flaconi (+175%) und viele andere richtig Gas (“Deutschland hat jetzt 7 Online-Riesen mit 500+ Mio. € Umsatz“), um schnellstmöglich in wirtschaftlich tragfähige Umsatz-Regionen vorzudringen.

Spannend, wenn nun ein Online-Dickschiff wie Zooplus versucht, im Drogeriebereich Fuß zu fassen (“Zooplus steigt mit Bitiba in den Drogerie- und Lebensmittelmarkt ein“).

Von Rossmann & Co. ist hingegen auch im laufenden Geschäftsjahr alles zu erwarten, nur keine explodierenden Online-Umsätze. Stattdessen sollen zu den bisherigen 3.466 Rossmann-Filialen weitere 260 kommen – “bei einem Investitionsvolumen von 200 Mio. Euro”. Rossmann stolz: “Kein anderes Drogeriemarkt-Unternehmen hat derzeit mehr Filialen im Land.”

Frühere Beiträge zum Thema:



Kategorien:Food, Shopboerse

  1. Tja, Schuster bleib bei deinen Leisten. Wenn Drogerieartikel nunmal offline viel profitabler als online laufen, dann ist das so. Daher ist eine Erweiterung der Filialen nur die logische und richtige Konsequenz.
    Auch die eingefleischtesten E-Commercler müssen akzeptieren, dass es Geschäftsmodelle und Produktgruppen gibt, die im Onlinehandel keine Chance gegen die Geschäfte haben. Daher wird es die Drogerien und Bäckereien auch in 50 Jahren noch als Geschäft geben.

    • Wir werden sehen, ob diese These stimmt. Ich glaube aber, wir werden nicht 50 Jahre warten müssen.

    • Das ist vielleicht eine etwas gefährliche Analyse, denn dass es Dinge gibt, die “online einfach nicht laufen”, hat man von einigen Jahren auch von Schuhhändlern gehört (“einen Schuh muss man doch anprobieren”). Mag sein, dass Drogerie-Artikel eine härtere Nuss sind als Bücher, aber nachdem man jetzt offensichtlich auch Schuhe profitabel über’s Netz verkaufen kann, warum nicht auch Drogerie-Artikel. Was aber ganz sicher nicht geht, und das sehen wir auch an diesem Beispiel, sind doppelte Kosten für den Vertriebsweg Internet. Wenn das bestehende Lagersystem für Online nicht taugt, dann baut man was auf der grünen Wiese daneben und versucht nicht, mit abenteuerlichem Aufwand Synergien herzustellen, wo keine sind.

  2. Weil Fashion und Schuhe eine Marge von bis zu 1000% haben. Billigproduktion für ein Appel und ein Ei in China, Bangladesh und Co., Brand drauf klatschen und für Unsummen verkaufen. Das funktioniert bei Produkten, die eine einstellige %-Marge haben nicht.
    Wobei übrigens die Kataglogversender wie Otto schon weit vor dem Internetzeitalter eindrucksvoll bewiesen haben, dass Fashion und Schuhe auch ohne Anprobe wunderbar profitabel funktionieren.

  3. Das ist eben genau der Denkfehler vieler großer und kleiner Händler: einfach nur die Regale online bringen funktioniert immer schwerer.

    Da muss man sich gerade bei margenschwachen Produktgruppen neue Konzepte überlegen. Z.b eben kochboxen, beatyboxen, Clubs oder noch weiter gehen wie Amazons dash.

    Man stelle sich vor rossmann würde die 200 mio in onlinekonzepte stecken.

  4. @Kai: Dies ist doch Unsinn, den du schreibst! Fashion hat vielleicht eine 100% Marge – und 50% Retouren. Elektronik hat meist auch nur eine einstellige Marge und wird seit Jahren erfolgreich online verkauft. Drogerie-Kunden haben sogar eine sehr hohe Kundenbindung. Das einzige Problem sind geringe Warenkörbe, die nur mit einer sehr schlanken Logistik und echten Experten profitabel verkauft werden können.

    • @ Torsten
      Mehrere hundert – tausend Prozent insbesondere bei Eigenmarken sind keine Einzelheit im Fashionbereich. Im Einzelhandel liegt der Durchschnitt meines Wissens bei ca. 300%.
      Mit 100% kommt man da nicht weit und kann sich auch keine Retourenquote von 70% und mehr leisten.
      Richtig Elektronik hat auch eine geringe Marge, aber wie du schon schreibst, einen x-fach höhen Warenkorb, daher funktioniert diese Produktgruppe.
      Drogerieartikel sind größtenteils Mitnahmeartikel (auch ein Unterschied zu Elektronik), die allein für sich stehend online nicht funktionieren werden. Bei ausgesuchten Drogerieartikeln, die hochpreisig und gerne auch eine hohe Marge, sieht das mit Sicherheit anders aus.
      Kundenbindung + geringe Marge kann gut funktionieren, das bestreite ich gar nicht (bestes Beispiel Zooplus). Aber bei Verbrauchsgütern für den Menschen, hat es bisher noch niemand wirklich geschafft, viel Geld zu verdienen. Auch die Abobox-Betreiber nicht.
      Ich bin mir absolut sicher, dass ein Herr Rossmann nicht dämlich ist und sofort auf den Onlinezug (als erster Online Drogerie-Marke *hust*) aufspringen würde, wenn er darin eine gute Zukunft sehen würde. Aber wie er selbst sagt, sieht er die absolut nicht und es konnte ihm bisher auch niemand auch nur ansatzweise das Gegenteil beweisen.

      • @ Kai

        “Mehrere hundert – tausend Prozent insbesondere bei Eigenmarken sind keine Einzelheit im Fashionbereich.”

        Diese Margen sind auch bei den hier angesprochen Drogerien keine Seltenheit. In den letzten Jahren wurden in sämtlichen Kategorien diverse Eigenmarken platziert, mit der auch ein profitables Online-Geschäft betrieben werden könnte.

        Die Retouren Thematik wird hier auch nicht das riesige Thema sein. Die Warenkörbe können sich in der Regel auch sehen lassen.

    • Was heisst denn “erfolgreich”? Wer sich die Bilanzen der ach so erfolgreichen Elektronikversender anschaut, bekommt das Grausen. Und daran wird sich bei dem umkämpften Markt auch nix ändern.

  5. Das Problem sind nicht die knappen Margen. Das Problem ist, dass man Online verkaufen möchte und Offline Prozesse (mit den enstprechenden hohen Kosten) dafür benutzt, aus was für Gründen (mangelndes Know-How? mangelnde Innovationsbereitschaft?) auch immer. Klar ist Herr Rossman nicht dämlich, aber offensichtlich mangelt es ihm als auch seinem Unternehmen an der Online -Kompetenz und -Denke. Sich dann hinstellen und zu sagen, es sind die Margen und so kann E-Commerce nicht funktionieren, aber gleichzeitig auch mehr als zwei Jahre an einem ERP (vermute ich jetzt mal) herum zu schrauben, ist dann schon ziemlich dürftig.

  6. Bei ausgewählten Produkten und Eigenmarken sehe ich auch kein Problem, dies online profitabel zu betreiben. Jedoch kann man nicht die Ware des Ladengeschäfts 1zu1 in einen Online-Shop integrieren und dann erwarten, dass dies wirtschaftlich gut läuft. Dies muss man aber zwangsläufig, wenn man unter derselben Marke online auftritt (rossmann.de) wie die Ladengeschäfte. Hier nur die Eigenmarken oder ein ausgewähltes Sortiment zu präsentieren, würde dem Kunden suggerieren, dass es in den Filialen keine weiteren Produkte gibt.
    Daher wäre auch hier eine Multiplattform-Strategie, wie sie beispielsweise Otto fährt, vielleicht zielführender für Rossmann.

  7. Der Umsatzabsturz bei Rossmann scheint mir hausgemacht. Man hat nicht nur die Logistik nicht im Griff, man versteht offensichtlich auch wenig von E-Commerce generell oder priorisiert den Bereich im Unternehmen nicht hoch genug. Es sieht so aus, als lässt man den eigenen Onlineshop so nebenher laufen. Da ist das Ergebnis nicht verwunderlich. Dabei gebe es sehr viele Optionen z.B. Windeln.de direkt anzugreifen und die Umsätze signifikant zu erhöhen. Aber wie gesagt, es scheint nicht erwünscht und so lange der Offlinebereich sich gut entwickelt, geht es vermutlich so weiter.

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