Wir sind zwar angehalten, das Thema nicht weiter zu strapazieren, aber in dieser Woche hat sich erstmals einer der Investoren auch öffentlich zu den Turbulenzen bei Brands4Friends geäußert, die nicht nur aus Investorensicht ärgerlich waren:
"Brands4Friends hatte typische Wachstumsprobleme. Die Prozesse waren nicht so institutionalisiert, um das Wachstum zu bewältigen. Im Finanzbereich wurde schlampig gearbeitet. Und dann schaukelte sich das Problem schnell hoch, wenn man so ein großes Volumen bewältigt. Kapital musste nachgeschossen werden.
Brands4Friends hatte das Glück, aus dem bestehenden Gesellschafterkreis Hilfe zu bekommen, seine Marktführerschaft verteidigen zu können und jetzt einen positiven Exit gefunden zu haben. Wenn man diese Hilfe nicht bekommt, kann man auch ein respektables Unternehmen an die Wand fahren."
Viele im Umfeld von Brands4Friends waren irritiert über die negativen kritischen Beiträge hier im Blog, als Brands4Friends just in dem Moment vollauf mit sich selbst beschäftigt war, als sich im letzten Sommer der Markt drehte und Privalia und ShowroomPrivé mit großen Finanzierungsrunden nach vorne preschten.
Aus unserer Sicht war die Frage nach den (Exit-)Optionen für Brands4Friends damals mehr als berechtigt, denn Brands4Friends hatte bis dahin sämtliche Möglichkeiten eines Marktgestalters.
Vielleicht sollte man immer mal wieder betonen, dass Exciting Commerce Startups/Unternehmen ja nie nur für sich selbst betrachtet und bewertet, sondern immer in ihrer Rolle/Bedeutung für den Gesamtmarkt bzw. das jeweilige Marktsegment.
Und wenn sich ein marktführender Player wie Brands4Friends so leichtfertig aus dem Rennen wirft, dann ist das aus Marktsicht mehr als dramatisch. Denn gerade der deutsche Markt ist ja dafür berühmt-berüchtigt, dass potenzielle Markttreiber/-gestalter (angefangen vom Otto-Konzern über den verflossenen Arcandor-Konzern bis aktuell zur Metro-Gruppe) so lange zaudern und dilettieren, bis andere, zumeist internationale Player (wie Amazon, Ebay, QVC, etc.) die Felder besetzt haben.
Brands4Friends hat sich unter vollem Einsatz aller Beteiligten zwar wieder einigermaßen gefangen, ging dann aber mit einer überschaubaren Bewertung von 150 Mio. Euro sicher weit unter Wert* geschlagen an Ebay.
Jetzt kann man natürlich einwenden: 150 Millionen, das ist doch mehr als üppig für so ein junges Unternehmen. Das stimmt natürlich bei einer klassischen Unternehmensbewertung.
Wenn man allerdings um die internationalen Referenzwerte weiß und nicht nur bedenkt, dass Brands4Friends als führender Player im deutschen Markt hinter Vente-Privée lange die Nr. 2 in Europa war, sondern auch, dass Privalia nur wenige Monate zuvor 70 Mio. Euro zur Expansion bekommen hat, dann ahnt man schon, dass die 150 Mio. Euro eher am unteren Ende der Bewertungsskala liegen.
Es wird sicher Gründe gegeben haben (s. Die erste Kuh ist vom Eis), Brands4Friends ausgerechnet zu einem Zeitpunkt zu verkaufen, da die Bewertungen für Shoppingclubs aus zwar nachvollziehbaren, aber aus unserer Sicht falschen Gründen ohnehin darniederliegen.
Exciting Commerce jedenfalls hätte den Brands4Friends-Machern, die den Club – entgegen jeder Chance – so erfrischend unverfroren und offensiv nach vorne gebracht haben, mehr gegönnt, vor allem dem Unternehmen aber einen Käufer, der Brands4Friends deutlich bessere Perspektiven bieten könnte. Aber so bleibt wie schon bei Amiando auch bei diesem Exit der ein oder andere Wermutstropfen.
Ebay hat die vor Weihnachten angekündigte Übernahme inzwischen abgeschlossen.
* gemeint ist hier nicht der Unternehmenswert, sondern der Wert/die Bedeutung von Brands4Friends für den Gesamtmarkt bzw. das Branchensegment der Shoppingclubs
- Brands4Friends vs. Zalando: Die erste Kuh ist vom Eis
- Warum Vente-Privée der Brands4Friends-Exit freuen kann
- Ebay wird Händler: Brands4Friends und die Folgen für Ebay
- Ebay übernimmt Brands4Friends für 150 Mio. Euro
- Privalia holt sich 70 Mio. Euro für Übernahmen in Europa
Kategorien:Ebay, Shopboerse, Vente Privee
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