In den letzten fünf Jahren konnte man in der Branche quasi live verfolgen (“Exchanges #55: Wenn der Logistikmarkt explodiert”), wie die Paketdienste mit Anlauf gegen die Wand fahren. Und jeder kann sich ausmalen, was passiert, wenn sich die Online-Bestellvolumina in den kommenden Jahren nochmals verdoppeln und verdreifachen:
Wenn sich die Dienste jetzt überfordert zeigen und auf die Tränendrüsen drücken, kann sich das Mitleid durchaus in Grenzen halten. Denn natürlich war das Wachstum absehbar, und natürlich war klar, dass es in der Versandlogistik so nicht weitergehen kann.
Doch anstatt frühzeitig ein Bewusstsein zu schaffen und sich strukturell auf diese Phase einzustellen, beschränkten sich alle Dienste in der Öffentlichkeitsarbeit auf fluffige Innovations-PR. Das beginnt sich nun zu rächen.
Der Logistikbranche steht die große Disruption noch bevor
Denn die Paketdienste haben sich allesamt in eine Falle manövriert, aus der sie nur sehr schwer wieder herauskommen. Statt auf smartere Logistikmodelle, vor allem aber auf smarte Geschäftsmodelle zu setzen, wollen bzw. müssen sie nun in ihrer Not die Standards herabsetzen und zugleich die Preise erhöhen.
Über zwei Drittel des Marktes sind noch nicht vergeben
Doch das eröffnet dann endlich den nötigen Spielraum für Newcomer und Innovationstreiber, die den Markt mit smarteren und kostengünstigeren Lösungen bedienen wollen. Wohl kaum eine Branche ist bereiter für das nächste Flixbus und smartere Lösungen für die letzte Meile.
Denn eines sollte man sich immer wieder vor Augen führen: Wie im Online-Handel, so sind auch in der Versand- und Zustelllogistik auf Zehn- bis Fünfzehnjahressicht zwei Drittel des Marktes noch nicht vergeben. In der Online-Zustellung wird sich in den nächsten 20 Jahren sicherlich um einiges mehr bewegen als in den ersten 20 Jahren.
Bis es soweit ist, wird sich der Online-Handel allerdings trotzdem auf bittere Zeiten einstellen und in der Zustellung den ein oder anderen Kollaps verkraften müssen. Das wird den (Innovations-)Druck aber letztlich nur erhöhen und entsprechend schneller zu zeitgemäßen Lösungen führen.
Mehr zur Logistik am Limit auch in den Exchanges #186.
Frühere Beiträge zum Thema:
- Logistik am Limit: Die Top-Beiträge im November
- Amazon, DHL und die Wildwüchse in der Versandlogistik
- Wenns Winter wird im E-Commerce: Sind DHL & Co. gerüstet?
- Wenn der Innovationsdruck in der Versandlogistik seltsame Blüten treibt
- Exchanges #170: Der Online-Handel vor dem Kollaps
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Ich wundere mich hier immer wieder, wie einfach man sich die Welt doch stricken kann. Irgendwie fehlt mir bereits die Phantasie dafür, dass es richtig sein kann, weiterhin die gleichen Preise für etwas verlangen zu sollen, was aber nicht mehr mit dem übereinstimmt, was dafür einmal zu erbringen gewesen ist. Und ob die “smarteren und kostengünstigeren” Lösungen wirklich so smart und kostengünstig sind, ist wohl auch keine Glaubensfrage, sondern eher eine Frage, für wen diese Lösungen erfolgreich sind und auf welchem Rücken dies ausgetragen wird. Und mache Dir bitte nicht erst die Mühe, darauf inhaltlich zu erwidern, da eine Diskussion offenbar müssig ist.
na, niemand wird doch wohl behaupten wollen, dass das effizient ist, was in der Versandlogistik gerade geschieht. Smart heißt simpel: Daten und Technologie kostensparend einzusetzen. Das muss auf niemands Rücken gehen. Und keine Sorge: Im Zweifel hat Amazon die Phantasie
Ist es möglich, Logistikprozesse mithilfe von Technologie so zu optimieren, dass man mit derselben Anzahl an Ausfahrern in vier Wochen 30 Millionen Pakete mehr ausliefert? Oder kommt man nicht umhin, das Berufsbild “Paketfahrer” zu optimieren – indem man beispielsweise mehr als Mindestlohn bezahlt und darauf achtet, dass auch Paketfahrer “nur” Acht-Stunden-Tage haben? Amazon hat sicher Phantasie, drückt aber natürlich auch enorm auf die Preise. Ohne nach Verdi zu plärren oder es sinnvoll zu finden, ungelernte Logistikmitarbeiter nach Einzelhandelstarif zu bezahlen – sozialer wird die Gesellschaft durch Amazon nicht.
Amazons Phantasie beschränkt sich darauf, das Kostenrisiko auf Pseudoselbstständige abzuwälzen, anstatt ihren Prime-Kunden klarzumachen, dass das derzeitige logistische Servicelevel (Next Day, Haustürzustellung) zu diesen Kosten nicht machbar ist.
Leider kratzt du, lieber Jochen, inhaltlich auch nur an der Oberfläche, wenn du “smartere”/”kosteneffizientere” Lösung einforderst, ohne konkrete Ansatzpunkte (und damit meine ich nicht “Letzte Meile!”) aufzuzeigen.
Was mich in dem ganzen Drama wundert ist, warum die Städte und Gemeinden sich das so tatenlos anschauen. Meines Erachtens ist es nur eine Frage der Zeit, bis eine oder mehrere Großstädte den innerstädtischen Lieferverkehr regulieren, sei es über Zeitslots oder eine Logistikmaut. Spätestens dann wird auch Amazon keine Phantasie mehr haben.
Sie verlangen also günstigere Endkundenpreise, beklagen sich aber aber über “auf welchem Rücken dies ausgetragen wird”, womit Sie, vermute ich, die Mehrbelastung der Angestellten meinen.
Klar kann man besses Einkommen bei sinkenden Preisen verlangen, aber mit der Realität hat das dann halt ncihts mehr zu tun.
PS: Nicht antworten!
Ich glaube Martin meint das eher andersrum: die aktuell verlangten Preise entsprechen nicht mehr den heutigen Anforderungen, da diese ja höher sind als früher.
Bei steigenden Käufen müsste eigentlich gerade in der KEP Logistik eine große Rationalisierung möglich sein. Im stationären Handel muss ja jeder Kunde seine Lieferung quasi sich selbst zustellen, Paketfahrer könnten an einem Stopp, in einem Straßenzug, mehrere Kunden beliefern. Aber das Gegenteil passiert, Lieferdienstleister segmentieren immer mehr.
Amazons einzige Innovation in der KEP-Lieferung ist es noch mehr Fahrer, mit noch mehr Fahrzeugen auf die Straße zu schicken. DHLs einziger Vorschlag war das sie das alte Bundespostmonopol wieder bekommen.
Ich wiederhole mich da: Aber es warum kann man nicht Papppakete mit über Zustellergrenzen hinweg ausliefern. So wie im Internet, diese Internetseite wurde ja auch nicht von einem einzigen Telekommunikationsanbieter zu mir geliefert, sondern von mehreren in Kette und dann am Schluss von meinem ISP zugestellt, der neben zu noch mails und internetradio “liefert”.
Wenn nun der Pizzabote am Abend noch das Buch Amazon und die Schuhe von Zalando mitbringt, haben wir weniger Logistiklast, bei mehr zugestellten Einzelsendungen.
Das Internet ist eigentlich nur ein gemeinsamer Austauschstandard für Daten die alle Telekommunikationsanbieter einhalten.
Das brauchen wir auch für physische Pakete. (z.B. https://en.wikipedia.org/wiki/Physical_Internet )
Vielen Dank! Das kann man trotzdem nicht oft genug wiederholen.
Hier ein schöner Beleg, dass der Service beim Kunde bereits heute nicht mehr funktioniert:
https://www.facebook.com/bohemianbrowserballett/videos/612152442509265/
:)
Es ist relativ einfach auf die Paketdienste einzuprügeln, aber nicht unbedingt gerechtfertigt. Warum soll ich aus Sicht eines Paketdienstes in ein Geschäft mit niedrigen Margen, hohem Margendruck, immer höherer Komplexität und immer höherem Risiko investieren? Warum soll ich weitere Packstationen aufstellen, wenn diese nicht ausgelastet sind. Warum soll ich meine Abhängigkeit von Amazon immer weiter erhöhen?
Schaut man sich an, wie die Arbeitsbedingungen in der Zustellerbranche sind und wie Mindestlöhne unterlaufen werden, dann scheint mir hier der vernünftige Weg doch in eine andere Richtung zu gehen. Die Zustellkosten müssen steigen, zu Lasten der Marge im E-Commerce, was letztendlich zu steigenden Artikelpreisen führt.
Wer Qualität will, muss dafür bezahlen, dieses Binse gilt auch für die Last Mile.
Bei so manchem Paketdienst frage ich mich auch, warum er überhaupt (noch) in dem Geschäft ist. Deshalb ja mein Punkt: Es gibt neben Amazon Logistics Platz für jede Menge Newcomer.
Spricht ja nichts gegen Dienste, die ihren Leuten mehr bezahlen. Aber es wird doch niemand ernsthaft glauben, dass höhere Versandkosten, etc. automatisch zu besseren Löhnen/Arbeitsbedingungen führen …
“Wohl kaum eine Branche ist bereiter für das nächste Flixbus und smartere Lösungen für die letzte Meile.”
Ja? Ist sie das? Eine Branche, die sich ggfs. von einem (oder zwei) Hauptakteuren Flächentarifverträge und Rahmenbedingungen aufzwingen lassen kann?
Abgesehen davon ist nicht nur die deutsche Logistikbranche vom Kollaps bedroht. Siehe Amazons Expansionspolitik in den USA.
Wie das Produkt zum Kunde kommt ist dem Kunden meiner Meinung nach egal. Hauptsache es kommt schnell und in guter Qualität (nicht kaputt) an.
DHL & Co sind nicht die einzigen die jeden Tag Produkte von A nach B liefern. Und jeder von uns kommt an mindestens einem Geschäft vorbei, der von einem Logistiker beliefert wird. Warum also nicht das System öffnen und Packstationen in jeden Rewe, Aldi, Lidl & Co setzten damit deren Logistiker auf intelligente Weise von A nach B kommen.
Korrigiert mich bitte, aber der Bottle Neck ist doch der Fahrer, der das Paket and den Endkunden liefert und nur begrenzte Zeit hat die Pakete zu liefern.
Meiner Meinung nach gilt es also ihn zu entlasten und Kapazitäten umzuverteilen.
> Warum also nicht das System öffnen
Richtig, wir brauchen ein offenes Logistiksystem das Sendungen auch über Anbietergrenzen hinweg umschlagen kann. Klar das kann auch die LKW Flotte einer Supermarktkette sein, Hauptsache die Sendungen können einfach und diskriminierungsfrei in die Supply Chain (Transportkapazität, Hubs etc) der Supermarktkette hinein und wieder heraus.
Ich denke halt man braucht ein Austauschstandard, sowas wie das email protokoll. Da kann auch jemand von @web.de an @gmail.com oder von @pepsi.com an @coke.com schreiben.
Der Emailstandard wird von der Internet Engineering Task Force festgelegt.
Welche Institution könnte eine solchen Standard für die Logistik festlegen?
War eigentlich nicht anders zu erwarten…
Hermes kündigt Preiszuschläge für das Weihnachtsgeschäft 2018 an:
https://www.logistik-watchblog.de/unternehmen/1285-hermes-kuendigt-preiszuschlaege-weihnachtsgeschaeft-2018.html
DPD will Haustürlieferung aufpreispflichtig machen:
http://www.wiwo.de/unternehmen/dienstleister/paketdienste-lieferung-an-die-haustuer-wird-teurer-und-seltener/20653576.html
Passend dazu noch eine Galerie putziger Zustellinnovationen:
http://www.wiwo.de/unternehmen/dienstleister/drohne-roboter-und-co-welche-ideen-taugen-wirklich-fuer-die-paketzustellung/20651284.html
Wie man auf die Idee kommen kann, Lieferdiensten Zugang zu den privatesten Räumen zu geben (=Wohnung und Auto), ist mir immer noch schleiferhaft.
Und wer glaubt ernsthaft, dass die Paketdienste die Aufpreise bei Amazon durchbekommen?
Ich. Denn noch größer als die Angst vor steigenden Logistikkosten ist Amazons Angst, Kunden durch eine schlechte Liefererfahrung zu vergraulen. Und zumindest kurz- bis mittelfristig wird Amazon nicht in der Lage sein, das eigene last mile Liefernetz deutschlandweit so stark auszurollen.
Denke eher, dass das als Argument für eine abermalige Preiserhöhung bei Prime genutzt werden wird. Spätestens dann, wenn DPD/Hermes für Haustürzustellung einen Aufpreis von Privatkunden verlangen.